Kemmeriboden-Bad ist auf Kurs

Oliver Borner – 15. Mai 2023
Nach dem verheerenden Hochwasser von vor knapp einem Jahr will der Landgasthof Kemmeriboden-Bad Anfang Juli 2023 seine Türen wieder für Gäste öffnen. Bis dahin bleibt noch einiges zu tun, wie ein Blick auf die Baustelle zeigt.

Ganze zehn Monate ist es her, als sich die Welt im Kemmeriboden in der Nähe von Schangnau BE  für immer veränderte: Nach einem Sommergewitter setzte am 4. Juli 2022 eine Flutwelle des Flusses Emme den Landgasthof der Familie Invernizzi unter Wasser und hinterliess grosse Schäden. Praktisch das gesamte Untergeschoss des fast 300-jährigen Anwesens wurde vom Wasser in Mitleidenschaft gezogen. Viele Wände und Böden mussten wegen des Schlamms und des Wassers rausgerissen werden, damit keine Fäule und Gestank entstehen konnten, Teile des Hauses waren gar nicht mehr zu retten und mussten von Grund auf erneuert werden. Die Herausforderungen schienen mit Blick auf den Wiederaufbau riesig.

«Operation am offenen Herzen» ist geglückt

Umso beeindruckender ist der Anblick, der sich am 15. Mai 2023 präsentierte, als das Hotelierpaar Invernizzi wieder zu sich nach Kemmeriboden lud, um den Baufortschritt zu präsentieren. Das grosse Engagement der Architekten, Bauarbeiter und der Bauherren hat sich ausbezahlt. Obwohl die Bauarbeiten längst noch nicht beendet sind, lässt sich das Endresultat in den Räumlichkeiten erahnen. Sowohl die Gaststube, die Küche und die Rezeption, welche im vergangenen Juli am meisten von der Flut betroffen waren, erstrahlen im neuen Glanz. Die Küche wurde von Grund auf neu gestaltet und den heutigen Standards angepasst.

«So gesehen hatte das Unwetter auch etwas Gutes, denn wir konntendie Prozesse in der Küche verbessern und werden in Zukunft effizienter arbeiten», sagt Chef Reto Invernizzi. Im Bedlisaal wurde der Boden, welcher nach der Flut herausgerissen werden musste, durch einen neuen Parkett ersetzt. Ein zusätzliches Highlight ist der begehbare Weinschrank, welcher den Gästen in Zukunft einen Mehrwert bieten soll. Apropos Wein: Im Untergeschoss der Gotthelfstube plant das Gastgeberpaar Invernizzi einen Show-Weinkeller, welcher den Gästen das Weinerlebnis näher bringen soll. «Damit wollen wir den Gästen einen weiteren Mehrwert bringen und auch neue Gäste anlocken», so Reto Invernizzi.

Auch in Sachen Hochwasserschutz hat sich zu hinterst im Emmental einiges getan. Um die Hotelanlage vor einem weiteren Hochwasser zu schützen, baut die Gemeinde zusammen mit dem Kanton und der Schwellenkooperation den Hochwasserschutz rund um die Anlage massiv aus. Neben einer hohen Schutzmauer entlang der Emme wurde zusätzlich der Damm auf der Ostseite erhöht und verstärkt.

So beeindruckend diese Baufortschritte auch sind, sie brachten viele Herausforderungen mit sich. «Normalerweise entwickelt man eine Projektidee, plant das Projekt und setzt das Projekt dann um», sagt Denise Hiltbrunner vom Architekturbüro ats-Architektur. Im Fall Kemmeriboden sei dies schlicht nicht möglich gewesen. Man habe unter grossem Zeitdruck während der Aufräumarbeiten das Projekt erarbeiten und gleichzeitig umsetzen müssen. «Die Umsetzung glich oftmals einer Operation am offenen Herzen», schildert Reto Invernizzi die Situation. Dementsprechend hoch sind auch die Kosten für die Sanierung. Sie bewegen sich laut Invernizzi im «zweistelligen Millionenbereich».

Grosse Vorfreude bei den Gästen

Der Umfang des Angebots wird sich trotz der hohen Investitionen nicht fundamental verändern. «Wir werden weiterhin den Fokus auf eine hochwertige Hotellerie und Gastronomie legen. Die Gäste sollen von uns das bekommen, was sie bereits kennen», sagt Reto Invernizzi. Und die Gäste scheinen dies auch zu wollen. Denn: die Nachfrage sei seit der angekündigten Wiedereröffnung im Juli enorm angestiegen. «Die ersten Reservationen gingen unmittelbar nach der Bekanntgabe ein», so Invernizzi. Das gebe einen zusätzlichen Motivationsschub und zeige, dass die Gäste, auch nach über zehn Monaten ohne Kemmeriboden, hinter dem Hotel und der Gastgeberfamilie stünden. «Das freut uns natürlich sehr. Aber: wir wollen achtsam mit unserem Comeback umgehen und nichts überstürzen. Nach einer solch langen Zeit müssen wir zuerst wieder das Laufen mit einem solchen Betrieb erlernen», gibt Invernizzi zu bedenken.

Vor der offiziellen Wiedereröffnung am 6. Juli ist am 3. Juli, am Jahrestag der Flutkatastrophe, ein Tag der offenen Tür für die Bevölkerung der Gemeinde Schangnau geplant. Dann sollen auf dem Damm hinter dem Hotel in einer Zeremonie zwei Bäume gepflanzt werden.