Die Kompetenzen der Flüchtenden aus der Ukraine liegen woanders

Oliver Borner – 28. April 2022
Während andere Branchen bereits zahlreiche Flüchtende aus der Ukraine beschäftigen, erhält die Gastronomie kaum Zulauf. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Mit dem Schutzstatus S wird den mittlerweile über 40 000 Geflüchteten Menschen aus der Ukraine in der Schweiz der Zugang zum Arbeitsmarkt vereinfacht. In der Folge hat die Nachfrage nach Fachkräften aus der Ukraine bei Schweizer Firmen in den letzten Wochen zugenommen. Recherchen der NZZ zeigen, dass vor allem in der Ingenieur- und Architekturbranche das Interesse an Fachkräften sehr gross ist. Innert kürzester Zeit hätten sich über 50 Firmen gemeldet und ihr Interesse an den Kompetenzen der Flüchtenden bekundet.

Ganz anders das Bild in der Gastronomiebranche: Obwohl sich der Fachkräftemangel in der Branche seit Corona deutlich verschärft hat und viele Betriebe dadurch ihre Türen für immer schliessen mussten, ist die Nachfrage nach ukrainischen Flüchtenden in der Branche gering. Dies hängt allerdings weniger mit der Solidarität der Branche, sondern vielmehr mit den sprachlichen Fähigkeiten der Flüchtenden zusammen. «Für die Ausübung gastgewerblicher Berufe sind oftmals ganz bestimmte Sprachkompetenzen gefragt», sagt Patrik Olbrych-Hasler, Kommunikationschef von GastroSuisse. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer würden zwar Englisch sprechen, allerdings reichten die Sprachkenntnisse kaum aus, um in der Gastronomie zu arbeiten. Dieser Ansicht ist auch der Arbeitnehmerverband Hotel & Gastro Union, wie er am Sonntag gegenüber der Nachrichtenagentur AWP sagte. 

Gastronomie sucht Fachkräfte

Ein weiterer Grund für die kleine Nachfrage aus der Branche entspringt der generellen Ausbildung der Menschen aus der Ukraine. «Viele Flüchtende aus der Ukraine sind in bestimmten Bereichen ausgebildet und gelten in der Schweiz als Fachkräfte auf ihrem Gebiet», sagt Urs Pfäffli vom Kantonalverband GastroZürich. So würden viele eine Anstellung in der IT- oder der Konstruktionsbranche finden, da sie das nötige Fachwissen dazu mitbringen. «Nur wenige Flüchtende sind Gastronomiefachkräfte und darum ist auch die Nachfrage in der Gastronomiebranche hierzulande eher klein», so Pfäffli.  Die Branche suche vor allem ausgebildete Fachkräfte, um die offenen Stellen in den Betrieben zu besetzen. Diese fänden sich aber leider nicht unter den Flüchtenden aus der Ukraine.

Bedingungen müssen attraktiver werden

Vielmehr muss das Problem an der Wurzel gepackt werden. «Wir sehen den Fachkräftemangel bereits seit 2003 kommen», sagt Roger Lang, Leiter Rechtsdienst beim Verband Hotel & Gastro Union, im Gespräch mit AWP. Es müsse nach mittel- oder langfristigen Lösungen gesucht werden. «Die Berufe sind attraktiv, aber die Bedingungen nicht. Das müssen wir ändern.» Dazu gehörten unter anderem neuen Arbeitszeitmodelle wie beispielsweise die Viertagewoche oder Modelle ohne die Zimmerstunde.