«Der Krieg geht uns alle etwas an»

Oliver Borner – 11. März 2022
René Maeder stellt in Kandersteg BE Flüchtenden aus der Ukraine die Zimmer in seinem Viersternehotel gratis zur Verfügung. Für den Hotelier ist das in der jetzigen Situation eine Selbstverständlichkeit.

Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine kennt die Solidarität in Europa keine Grenzen. Millionen von Menschen finden in Polen, Moldawien und mittlerweile auch in der Schweiz Zuflucht vor der russischen Invasion. Einige Flüchtlinge haben in der letzten Woche den Weg nach Kandersteg im Berner Oberland gefunden. Auch hier ist die Solidarität gross. Nach dem Eintreffen der ersten Flüchtlingen entschied sich Gemeinderatspräsident und Hotelinhaber René Maeder spontan dazu, diesen Menschen kostenlose Logie in seinem Waldhotel Doldenhorn anzubieten. «Viele dieser Menschen sind müde und haben Schreckliches erlebt. Da ist es für mich selbstverständlich, dass ich diesen Menschen helfe», sagt Mäder.

Diesem Engagement sind mittlerweile zwei weitere Hoteliers im Ort gefolgt. Angeregt von Maeder hat sich auch das Hotel Ermitage und das Alfa Soleil dazu bereit erklärt, Flüchtlinge gratis bei sich aufzunehmen. Nico Seiler, Besitzer des Alfa Soleil, teilte letzte Woche auf Facebook mit, dass sämtliche verfügbaren Zimmer für Hilfesuchende blockiert seien. Momentan seien dort mehrere Flüchtlinge untergebracht.

 

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René Maeder setzt sich als Hotelier für Geflüchtete aus der Ukraine ein. (Bild: zVg)

Viele ziehen weiter

Schweizweit machen es mehrere Hoteliers dem Vorbild aus Kandersteg gleich. So bieten beispielsweise das Hotel Minster in Unteriberg SZ oder das Hotel Seepark in Muntelier FR Flüchtlingen eine kostenlose Unterkunft an. Maeder selbst beherbergt momentan keine Menschen aus der Ukraine bei sich im Hotel. Viele blieben eine oder zwei Nächte und zögen dann weiter zu Verwandten oder ins Bundesasylzentrum. «Das Hotel ist für die Flüchtenden vielmehr eine erste Anlaufstelle als eine dauerhafte Unterkunft», sagt er. Dennoch versucht Mäder, ihnen den Aufenthalt so bequem wie möglich zu gestalten. So lud er vergangene Woche alle Kinder aus dem Kinderheim Sunshine, welches mit der gesamten Belegschaft aus einem kleinen Dorf in der Ukraine in die Schweiz geflüchtet war, zum Nachtessen ein. Die Kinder wohnen im Moment in privaten Haushalten in der Umgebung.

Der Gemeinderatspräsident hat zudem kurzfristig ein Taskforce-Team zusammengestellt, welches die Menschen vor Ort mit dem Wichtigsten versorgt: Lebensmittel, Kleidung, Babynahrung, Verbandsmaterial, Medikamente. Daneben werden Gutscheine verteilt, damit die Flüchtlinge auch selbst Konsumgüter beschaffen können. Ein Careteam kümmert sich um die oftmals traumatisierten Kinder und unterstützt die Flüchtlinge bei rechtlichen und versicherungstechnischen Fragen.

«Wir halten uns weiter bereit»

Die Solidarität hat mittlerweile das gesamte Dorf erfasst. «Mich haben sogar Lieferanten angesprochen, ob sie mit Lebensmitteln oder anderen Gütern helfen können», sagt er. Da die Zahl der Flüchtlinge im Dorf noch überschaubar ist, sei momentan aber noch nicht jede Hilfe nötig. Man werde bei Bedarf auf die vielen Angebote und Unterstützungen zurückkommen und auch einsetzen, so Maeder. Er geht davon aus, dass bereits in den kommenden Wochen mehr Flüchtlinge nach Kandersteg kommen und diese Güter notwendig werden. «Wir halten uns daher bereit und greifen bei Bedarf auf die Hilfe aus der Bevölkerung zurück».

Die Notwendigkeit zu Handeln hat mittlerweile auch der Verband HotellerieSuisse erkannt. «Wir sind aktuell in Austausch mit dem Staatssekretariat für Migration bezüglich Anforderungen für Flüchtlingsunterkünfte. Wichtig ist, dass die Hotels ihre Verfügbarkeiten unkompliziert erfassen können und das Angebot an Unterkünften zentral koordiniert werden kann», heisst es auf Anfrage des GastroJournal. Nur so könne sichergestellt werden, dass die benötigten Unterkünfte auch gefunden und zugeteilt werden können.Der Verband sei mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) noch Detailfragen am Klären. Man sei zuversichtlich, dass der Verband in den nächsten Tagen eine entsprechende Lösung aufschalten und kommunizieren könne, heisst es. 

Dies freut auch Hotelier Maeder. «Jede Unterstützung ist herzlich willkommen», sagt er. Gleichzeitig appelliert er an die Wirtinnen und Wirte in der Schweiz. «Ich fände es eine wichtige und gute Geste, wenn die Wirtinnen und Wirte in der Schweiz sich gegenüber den Flüchtlingen solidarisch zeigen und vielleicht mal ein Gratisessen organisieren», sagt er. Damit könne vielen Menschen geholfen und ein wenig Normalität zurückgegeben werden.