Gastronomie

Schaut hin, hört zu!

Corinne Nusskern – 10. März 2023
In die Beiz zu gehen, muss für alle möglich sein. Die Aktion «Zu Tisch! – mit Hörsehbehinderung oder Taubblindheit» zeigt auf, wie sich für Betroffene ein Restaurantbesuch anfühlt. Und wie dieser mit wenig Aufwand auch für sie zu einem Genuss werden kann.

Wie oft tun wir es? Hundertmal pro Jahr? Täglich? Ein Restaurantbesuch ist für die meisten eine Selbstverständlichkeit. Doch nicht für alle. Für Menschen, die schlecht oder kaum sehen oder hören können, wird die Orientierung in einer nicht vertrauten Umgebung schwierig. Akustisch herausfordernd sind Hintergrundmusik oder eine brummende Kaffeemaschine.Am 27. Juni ist «Tag der Taubblindheit». Mit der Aktion «Zu Tisch – mit Hör­­­­seh­behinderung oder Taubblindheit» macht der SZBLIND (Schweizerischer Zentralverein für das Blindenwesen) vom 17. Juni bis 1. Juli 2023 auf die Einschränkungen dieser Menschen aufmerksam – direkt in Restaurants in einer Gemeinschaftsaktion mit der Schweizer Gastronomie.

Mitmachen ist einfach und gratis: Gastrobetriebe legen die vom SZBLIND zur Verfügung gestellten Tischsets aus, in die eine Brille eingestanzt ist, welche eine starke Sehbehinderung simuliert. Die Gäste werden zum Selbstversuch aufgefordert: die Brille heraustrennen und beim Essen aufsetzen, um zu erfahren, wie es sich isst, wenn man kaum etwas sehen kann. Wer das Gehör ebenso dämpfen will, kann beim Personal nach einem Gehörschutz fragen.

 

Tischset dt neutral

Ausprobieren, aufsetzen! Das Tischset mit der herausnehmbaren Brille. (Foto: ZVG)

«Hat der Fisch Gräten?»

Im selben Zeitraum organsiert SZBLIND in Bern einen Parlamentarieranlass. «Es geht darum, überall ein Zeichen zu setzen und die Inklusion in der gesamten Gesellschaft zu fördern», betont Nina Hug, Co-Leiterin Marketing und Kommunikation bei SZBLIND.

Der Restaurantbesuch kann für Menschen mit einer Hör-Sehbehinderung rund um das Jahr angenehm gestaltet werden. «Beim Ankommen sollte sich die Servicecrew direkt an die Person wenden und nicht über ihren Kopf hinweg mit der Begleitung sprechen», sagt die 40-Jährige. Dies passiert oft, weil viele nicht wissen, wie sie in dieser Situation agieren sollen.

Weiter ist hilfreich: einen Tisch in einer ruhigeren Ecke mit viel Licht zuweisen, alles Überflüssige vom Tisch entfernen, Details der Speisekarte erklären. Wird der Fisch als Filet serviert? Hat er Gräten? «Beim Servieren anhand der Uhreinteilung erklären, wo im Teller, was zu finden ist. Fleisch liegt immer auf 6 Uhr. Die Küche sollte sämtliche Dekorationen weglassen», erklärt Hug. Essenziell sei es, immer wieder nach dem Gast zu schauen, da ein Blickkontakt nicht möglich sei. Kleiner Aufwand, grosse Wirkung (hier und auf der SZBLIND-Website findet sich ein Gastro-Merkblatt mit weiteren Tipps im Bereich «Infothek»).

Restaurantbesuch: ein Fest für alle

Die Tischset-Aktion ist für Gastrobetriebe gratis. Sie fand letztes Jahr zum ersten Mal statt. «Weisen die Servicemitarbeitenden auf die Aktion hin, sind die meisten Gäste offen und versuchen, mit der Brille zu essen», berichtet Hug. Es soll eine spielerische Auseinandersetzung sein. «Man soll locker darüber reden. Denn auch für Menschen mit einer Hör-Sehbehinderung ist es ein Genuss, in einem Restaurant zu essen.»

Für die mitmachenden Restaurants ist das Engagement nicht blosser Imagegewinn. «In der Schweiz leben 377 000 Menschen mit einer Hör-Sehbehinderung», sagt Hug. «Zeigt man sich dem Thema gegenüber offen, kann man durchaus neue Kunden gewinnen.» Sie werden ziemlich sicher zu treuen Stammgästen. Und plötzlich ist das Auswärtsessen für alle Beteiligten ein Fest.

Anmeldeschluss für die Tischset-Aktion: 20. April 2023 unter www.tag-der-taubblindheit.ch