«Sonst findet ihr keine Mitarbeitenden mehr!»

– 28. April 2022
Er führt das beste Restaurant der Welt und kann sich vor Bewerbungen kaum retten. Gedanken über den Fachkräftemangel macht er sich dennoch: Noma-Chef René Redzepi im Exklusiv-Interview.

«Ich war ein Arschloch», gesteht der vielleicht beste Koch der Welt. Anlässlich der Gastro-Fachmesse Madrid Fusión traf das GastroJournal Ende März René Redzepi zum Exklusiv-Interview. Der dänische Dreisternekoch führt das wohl berühmteste Restaurant der Welt: Sein Noma wurde von der renommierten «The World's 50 Best Restaurants»-Liste fünfmal zur weltweiten Nummer 1 gekürt.

Im Interview gesteht er Fehler ein, erzählt, weshalb ihn trotz unzähligen Bewerbungen auf freie Stellen im Noma der Fachkräftemangel interessiert und gibt wertvolle Tipps, die auch für die einfachste Beiz nützlich sind. Das ganze Gespräch lesen Sie im GastroJournal, das am 5. Mai erscheint. Hier ein paar Auszüge.

René Redzepi, wie viele Bewerbungen erhalten Sie für offene Stellen?

René Redzepi: Zuletzt suchten wir einen Sommelier und erhielten über 1000 Bewerbungen.

Weshalb beschäftigen Sie sich dennoch mit dem Fachkräftemangel?

Wir sind an einer gesunden Situation in der Branche interessiert und versuchen, unseren Beitrag zu leisten. Ich sehe das Noma nicht nur als Labor für neue Produkte und Fermentationstechniken, sondern auch als Denkfabrik für das ganze Drumherum.

Haben Sie eine Lösung für das weltweite Problem auf Lager?

Grundsätzlich muss sich die Branche ändern, damit sich das Bild ändert, das man von ihr hat. Ewig lange Arbeitszeiten, unpassende Freitage, ein harter Umgangston, tiefe Löhne – so geht es nicht weiter.

Das ist klar. Aber wie soll sich das ändern?

Sorry, es gibt keine allgemein gültige Antwort. Klar ist: Das Wohl der Mitarbeitenden muss mehr im Vordergrund stehen. Nett sein, gute Stimmung, Komplimente machen – das kostet nichts und bringt schon viel. Und dann geht es darum, das zu überdenken, was "so ist, weil es schon immer so war": Öffnungszeiten, Zimmerstunden, Schichten, Preise. Vielleicht muss mal ein Koch servieren und der Betrieb beginnen, die Geschichte zum Gericht erklären. Dann akzeptiert der Gast auch einen etwas höheren Preis. Es versteht sich von selbst, dass das Restaurant dafür eine eigene, ehrliche, spannende Geschichte braucht. Aber das ist für mich selbstverständlich. Das kann nicht nur ein Sternerestaurant, sondern auch eine simple Landbeiz.

Vielen Gastronomen fehlt der Mut, etwas Grundlegendes zu ändern. Einen Tag mehr zu schliessen, beispielsweise.

Meine Botschaft an sie: Ihr müsst ändern! Ansonsten geht ihr unter. Die Krise trifft gerade fast alle, von der einfachen Beiz bis zum Spitzenrestaurant. Wir haben uns zu lange am Bewährten festgeklammert. Jetzt muss etwas passieren. Und der Gast wird sich entsprechend anpassen, wenn ihr es gut macht. Aber sonst findet ihr keine Mitarbeitenden mehr.

Europa steckt zurzeit in einem Krieg. Und wir reden davon, dass dem Gast im Restaurant eine Geschichte zum Essen erzählt werden soll.
Krieg ist schrecklich. Aber es ist auch eine Zeit, in der jene, die nicht direkt involviert sind, ganz bewusst geniessen. Wir brauchen Kultur zum Leben und da spielt die Gastronomie eine Rolle. Wer bewusst geniesst, muss sich dafür nicht schämen. Und eben: Die Gastrobranche steckt selbst in einer Krise. Wir müssen sie bekämpfen und lösen. Jetzt.