«Keine Angst, sich zu blamieren»

– 09. Februar 2023
Noah Bachofen ist Koch und Social-Media-Star. Er sieht Plattformen wie Instagram und Tiktok als grosse Chance für Gastrobetriebe und Kochwettbewerbe an. Und er verrät sein Erfolgsrezept.

Mehr als eine halbe Million Mal wurde sein Cordon bleu-Video auf Instagram angeschaut, auf Tiktok erhielt er für seine Kurzvideos 1,3 Millionen Likes: Noah Bachofen (28) geht in den sozialen Medien durch die Decke. Der Koch des Restaurants Magdalena in Rickenbach SZ unterhält seine junge, digitale Community regelmässig mit einfachen, witzigen, aber auch durchaus lehrreichen Filmchen rund um die Welt der Gastronomie. Das führt nicht nur zu finanziell lukrativen Engagements, sondern auch zu Reservationen im Zweisternerestaurant und zu Anfragen für Ausbildungsplätze. Im Gespräch verrät Bachofen, wie Betriebe und Persönlichkeiten aus der Branche die sozialen Medien besser nützen könnten.

Noah Bachofen, wie oft werden Sie gefragt, ob Ihr Nachname ein Künstlername sei?
Noah Bachofen: (lacht) Das kommt schon mal vor. Ich verrate es hier: Ich heisse wirklich so.

Weshalb wurden Sie Koch?
Ich kochte zu Hause gerne. Also sagte meine Mutter: «Mach doch eine Kochlehre.» Ich wollte eigentlich Bäcker werden, aber davon riet sie mir aufgrund der Arbeitszeiten ab. Ich bewarb mich im Gasthaus Sonne in Elm. Meine Mutter meinte, es sei lässig dort.

Hatte sie recht?
Es war streng, es herrschte ein wirklich harter Ton in der Küche. Der Chef schrie herum. Es ist ein einfaches Gasthaus, aber wir machten alles von Grund auf selbst: Jus, Tiere auseinandernehmen et cetera. Da entstand die Leidenschaft für das gute Einfache.

Klingt nach einer Lehre, die manch einer frühzeitig abgebrochen hätte.
Nach dem ersten Halbjahr hätten Sie mich nicht fragen müssen, ob ich im Beruf bleibe. Ich fand alles eine Katastrophe. Doch dann lernte ich mehr und mehr, wie es in der Küche funktioniert. Es begann, Spass zu machen.

Wie ging es weiter?
Militär, Gastronomie, doch die Richtung war unklar. Ich machte im Spital Lachen die Weiterbildung zum Diätkoch. Später jene zum Chefkoch. Und dann ging es im Magdalena los.

Woher kannten Sie den Küchenchef und Mitbesitzer ­Dominik Hartmann?
Wir kannten uns nicht. Eine lustige Geschichte.

Erzählen Sie!
Auf Dominiks Instagram sah ich ein Video von der Küche. Alles noch in Folie eingepackt. Ich wusste, dass er als Souschef im Zürcher Equitable arbeitete. Ich schrieb ihm und fragte, ob er ein eigenes Restaurant plane. Doch bis wir uns trafen, glaubte ich, dass er es in Zürich eröffnen wird. Er arbeitete ja in Zürich und sah aus wie ein alternativer Züri-Hipster. (lacht)

Und dann?
Dominik sagte mir, er suche noch Mitarbeitende. Als es sich um einen Ort in Schwyz handelte, verging mir im ersten Moment die Lust. Ich hatte Bock auf Zürich. Na ja, ich fand ihn einen guten Typen, das Konzept klang spannend. Also willigte ich ein.

Der Rest ist die reinste Erfolgsgeschichte.
Wobei der Start chaotisch war. Wir wollten es allen recht machen mit viel à la carte und einem Menü. Und den Abwasch machten wir auch selbst. Das ging nicht auf. Wir merkten es in der ersten Woche und verschlankten das Programm drastisch. Dass wir so schnell zwei Michelin-Sterne erhalten würden, hätten wir nie gedacht.

Arbeiteten Sie davor in einem Sternebetrieb?
Nein. In Berührung mit Fine Dining kam ich höchstens beim Kreieren von Gerichten für Kochwettbewerbe. Und ich war stets interessiert: Ich ass in Sternerestaurants, kaufte die Kochbücher der bekannten Köche.

Und nun ist die Sterneküche voll Ihr Ding?
Ich weiss nicht. Ich finde sie sehr spannend, aber ich bin mir nicht sicher, ob ihr meine Zukunft gehört. Ich träume von einem jungen, coolen Betrieb, einer Weinbar oder so. Ich sehe mich aber auch dort nicht täglich in der Küche.

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Authentisch, gekonnt und witzig: Bachofen zieht mit seiner Art Tiktok- und Instagram-Nutzer in seinen Bann. (Fotos: Daniel Winkler)

Ihr Fokus liegt mittlerweile auf Social Media. Im Magdalena sind Sie nur noch einen Tag pro Woche in der Küche. Wie ist dieser Tag?
Ich liebe ihn. Ich habe noch nie so gerne gearbeitet wie zurzeit an diesem einen Tag. Anfangs wurde ich ein wenig aufgezogen. Die Kollegen nannten mich «Schöggeler». Umso mehr will ich an diesem Tag zeigen, dass ich voll dabei bin. Ich bin frisch und topmotiviert, freue mich auf die Leute, stehe voller Energie am Herd. Solange es für den Betrieb passt, will ich diesen Tag beibehalten.

Wie entstand denn diese Social-Media-Geschichte?
Völlig ohne Absicht. Es war in den Winterferien vor einem Jahr. Mir war langweilig. Meine Frau ist auf Tiktok aktiv, und ich dachte mir: «Das kann ich auch.» Anfangs wollte ich viel mit Wein und in der Magdalena-Küche machen. Komplett planlos. Das ging vier, fünf Monate so. Bis eines Tages ein Video richtig viele Klicks generierte.

Und Sie realisierten: «Die Leute finden meinen Inhalt witzig, interessant.»
Ja. Bis zum ersten ernst zu nehmenden Video dauerte es aber noch.

Wie war Ihr eigener Social-Media-Auftritt bis dahin?
So wie jener der meisten Schweizer Köche: Ich lud hie und da ein Bild hoch, fertig.

Wie viele Likes gab es für diese Bilder?
Vielleicht knapp 100. Ich weiss noch: Ich träumte von 1000 Followern auf Instagram.

Jetzt verzeichnen manche Ihrer Videos Zigtausende Likes.
Verrückt. Das erste Video, das auf Instagram richtig erfolgreich war, war ein Fondue-Filmchen. Auf Tiktok lief es da aber schon längst. Nach einem halben Jahr auf Tiktok hatte ich den Dreh raus.

Was funktioniert auf Tiktok?
Videos zu Restaurantbesuchen sowie meine Eindrücke und Meinungen dazu – das fanden viele spannend. Jene vom Ornellaia und vom Gül (beide in Zürich; Anm. d. Red.) generierten je zwischen 200 000 und 300 000 Klicks.

Videos schneiden, vertonen, das passende Licht – was gehörte damals dazu?
Schneiden und vertonen, aber ganz simpel. Wenn ich mir das jetzt anhöre und anschaue, wirken die Videos auf mich geradezu unbeholfen. Aber eben sehr authentisch. Darin liegt das Geheimnis.

Das heisst: Ihre Videos sollen auch jetzt einfach und unbeholfen wirken, sind in Wahrheit aber hochprofessionell aufgezogen?
Nicht ganz. In erster Linie weiss ich mittlerweile, was funktioniert und was nicht. Somit kann ich mir einen gewissen Aufwand ersparen.

Welchen Aufwand?
Zum Beispiel das perfekte Ausleuchten von Aufnahmen. Völlig unnötig auf Tiktok. Es soll echt wirken. Schnelle Videos mit einer kurzen Einschätzung von mir: Kann ich den Besuch empfehlen oder nicht? Fertig.

Worin liegt der Unterschied zu Instagram?
Tiktok-Videos müssen echt sein. Nicht gespielt echt, das durchschaut der Konsument. Künstlich lustig sein – das ist peinlich, daran scheitern ganz viele. Für Tiktok kann man sich sogar mit der Frontkamera des Handys filmen. Nicht die Qualität des Bildes zählt, sondern die Authentizität. Und eine knackige, unterhaltsame Story, erzählt innert 40 Sekunden. Meine spontanen Videos sind die besten. Habe ich eine Idee wochenlang im Kopf und setze sie dann auf Tiktok um, ist sie niemals so erfolgreich wie die spontane.

Das ist eine schlechte Nachricht für viele, die nach Konzept arbeiten. Es braucht also ein Naturtalent.
Ja, so ist es wohl. Vielleicht muss man aber auch die Schwellenangst ablegen. Einfach drauflos filmen, nicht überlegen. Deshalb gehen die Jungen auf Tiktok durch die Decke. Sie kommen ohne Angst daher und überlegen sich nicht: «Was könnten die Folgen dieses Videos sein? Was, wenn ich etwas Dummes, Falsches sage?»

Wie legten Sie diese Angst ab?
Das kam mit der Zeit. Ich war mutig, wurde ausgelacht. Mittlerweile weiss ich, dass es nicht schlimm ist, wenn man sich mal blamiert. Aber ja, meine ersten Tiktok-Videos habe ich unterdessen gelöscht. Die waren mir irgendwann peinlich.

Und Instagram?
Damit startete ich erst, als ich eine ungefähre Formel hatte. Als ich wusste, wie die User ticken. Der Aufbau der Follower-Zahl dauert viel länger als der auf Tiktok. Das Fondue- und das ­Auberginenschnitzel-Video sorgten für den Durchbruch.

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Bachofen ermutigt Gastrobetriebe, die Verantwortung für den Tiktok-Kanal einem jungen Mitarbeitenden zu übergeben.

Ist der Erfolg auf sozialen Medien kalkulierbar? Wie viel Glück brauchts?
Am wichtigsten ist eine gute Idee, ein gutes Produkt als Grundlage. Dann muss man die Sache ernst nehmen und sich stets verbessern wollen. Und letztlich gehört viel Wissen dazu. Man muss begreifen, wie die Welt der sozialen Medien tickt. Was könnte die Leute interessieren? Was kommt cool rüber? Womit generiere ich Reichweite? Und klar: Eine Portion Glück braucht es immer.

Sie starteten als Unbekannter. Kann ein gestandener, bekannter Küchenchef auch so sorglos loslegen wie Sie?
Ich denke, es gäbe viele Schweizer Gastronomen, die ohne grosse Bemühungen einen viel besseren Social-Media-Auftritt haben könnten. Ihnen fehlt das Verständnis oder das Interesse.

Weshalb ergibt denn diese Art des Marketings Sinn? Wer sind die Follower und die Liker?
Es ist ein junges Publikum, vor allem auf Tiktok. Einblicke in die Küche oder gar in die gehobene Gastronomie sowie Eindrücke von den Gerichten – das ist eine neue Welt für sie. Ob Sie es glauben oder nicht: So viele Junge haben mich auf Tiktok oder Instagram gefragt, ob sie bei uns eine Kochlehre absolvieren können.

Wirklich?
Ja, sie sehen, wie viel Spass wir bei der Arbeit haben. Ich hatte schon immer einen guten Draht zu jungen Köchen. Das half mir beim Verstehen ihrer Denkweise auf Social Media.

Was empfehlen Sie denn nun einem Betrieb?
Macht euch nicht zu viele Gedanken. Gebt die Tiktok-Aufgabe einem Jungkoch bei euch, der Lust darauf hat, und lasst ihn einfach mal machen. Sind die Videos schlecht, so kriegen sie wenige Klicks. Kaum einer sieht sie. Das Risiko ist somit sehr überschaubar. Da jeder Koch bereits Instagram hat, rate ich, auf Tiktok zu starten. Hier verursachen dürftige Beiträge keinen Schaden.

«Einfach mal machen» – das klingt sehr einfach. Im Magdalena arbeiten lauter junge Leute, sie sind talentiert und motiviert, diesen Content zu erstellen – da ist die Ausgangslage entspannter und besser als andernorts.
Absolut, wir sind ein Vorzeigebetrieb für junge Gastronomen. Aber fast jeder Betrieb sollte doch etwas finden, das ihn einzigartig macht. Und dann gilt es, dies auf eine lässige Art zu vermarkten. Nicht jeder wird es so gut können, aber ein wenig mehr könnten die meisten machen, ohne dafür eine Agentur zu engagieren.

Zur Grundlage gehört also auch ein positives Arbeitsklima.
Das ist sehr wichtig. Nur so trauen sich Jungköche, die Initiative für einen solchen Kanal zu übernehmen. Aber ja: Ein Restaurant mit schlechtem Arbeitsklima ist für mich einfach ein schlechtes Restaurant. Das darf es nicht mehr geben.

Führten Ihre Videos auch schon zu Reservationen im Restaurant?
Zu jener Zeit, als ich täglich im Magdalena arbeitete und sehr viele Videos von dort hochlud, hatten wir fast täglich einen Tisch im Lokal, an dem jemand erzählte, uns von Social Media zu kennen. Familien, bei denen die Eltern zugaben, man sei durch ihre Kinder aufs Restaurant gestossen.

Hatte der Küchenchef Dominik Hartmann nie Angst, Sie könnten ihm mit Ihrer Bekanntheit in den sozialen Medien den Rang ablaufen?
Dadurch, dass wir gute Freunde wurden, hatte er nie Probleme mit meinen Videos und dem Erfolg. Ich betone aber auch immer, dass es nicht mein Restaurant ist und dass ich Souschef bin.

Ist ein Koch, der für die sozialen Medien im Betrieb zuständig ist, also dauernd am Handy?
Die Zeiten, in denen man das Handy im Spind versorgte und nur in der Pause zur Hand hatte, sind vorüber. Im Magdalena hat jeder seine klaren Aufgaben. Die müssen erledigt werden. Ob ich dabei noch ein Video drehe, interessiert keinen, solange die Arbeit gut gemacht ist. Und auch wenn sich mal jemand daran störte: Letztlich hatten alle Freude an den Videos.

Sie nahmen auch an diversen Kochwettbewerben teil: Marmite Youngster, Swiss Culinary Cup, Gramona Amuse. Manche dieser Wettbewerbe kämpfen mittlerweile um Teilnehmende. Eine Frage der Vermarktung?
Teilweise sicher. Einerseits zielen die einen Wettbewerbe mit den gestellten Aufgaben an der Realität vorbei. Anderseits ist der Auftritt auf Instagram & Co. einfach ungenügend. Blickt man alte Teilnehmerlisten durch, so finden sich da ganz grosse Namen. Ich verstehe nicht, weshalb man nicht für die Bewerbungsphase ganz einfache Videos mit bekannten Köchen dreht, die einst teilnahmen. Sie könnten von ihren Wettbewerbserlebnissen erzählen. Oder ihr damaliges Gericht kommentieren. Garantiert würden sich Jungköche anmelden, wenn sie sähen, dass diese Wettbewerbe für Köche wie etwa Sven Wassmer, Marco Böhler oder Dominik Hartmann ein Schritt auf dem Weg an die Spitze waren.

Wer Sie über diese Wettbewerbswelt reden hört, spürt: Das ist eine Herzensangelegenheit. Was, wenn die Veranstalter auf Sie zukämen und sie um Hilfe bitten würden?
Ja, ich finde diese Wettbewerbe eine spannende Sache für junge Köche, zum ersten Mal etwas Eigenes zu kreieren. Sich mit anderen zu messen. Ich bin sogar proaktiv auf einen Veranstalter zugegangen. Wir tauschten uns aus. Der Herr meinte, er würde sich wieder bei mir melden. Ich hörte nie wieder von ihm.

Viel Aufmerksamkeit wäre einem Wettbewerb gewiss, würden Sie nochmals teilnehmen.
Tatsächlich erwäge ich es, dieses Jahr nochmals an einem teilzunehmen. Damit könnte ich auch meiner Social-Media-Community zeigen, dass ich nicht nur einfache Rezepte koche, sondern dass die hohe Gastronomie meine Welt ist. Ich muss mir das aber gut überlegen, die Sache ist noch nicht spruchreif. Wenn, dann gehe ich es seriös an und will endlich mal gewinnen.


Noah Bachofen auf Social Media
Instagram: @noahbachofen_
Tiktok: @bachofennoah