Madeleine Mercier, inzwischen ist es möglich, das Weinjahr 2022 zu beurteilen. Was wird das für ein Jahrgang auf Ihrem Weingut Denis Mercier oberhalb von Sierre VS?
Erstaunlich gut. Zuerst machten wir uns grosse Sorgen, weil der Sommer so heiss und trocken war. Doch unsere Rebstöcke, die sich auf 550 bis 800 Meter über Meer befinden, sind älter und bildeten tiefe Wurzeln, was sie resistenter macht. Bei den fünf- bis zehnjährigen Reben mussten allerdings auch wir bewässern. Im Rekordsommer 2003, als ich noch nicht im Betrieb war, haben die Rebstöcke sogar fast alle Blätter verloren.
Das vergangene Jahr war auch aus anderen Gründen speziell für Sie.
Ja, meine Eltern und ich konnten den 40. Geburtstag des Betriebs feiern, den wir 1982 mit Rebbergen im Umkreis von Sierre VS gründeten. Und ich war 2022 seit genau 10 Jahren dabei. Seither hat sich viel geändert.
Was denn?
Nun, Anfang Jahr kauften wir eine weitere Hektare dazu und kommen nun auf 8 Hektaren mit 13 verschiedenen Traubensorten. Wir haben alle Reben aus den 1980er Jahren neu gepflanzt – ausser die Marsanne, die nun über 50 Jahre alt ist. Nun können wir fast alle Rebberge mit einem Raupentraktor bewirtschaften. Das ist viel effizienter, vor allem beim Spritzen. Nach dem nassen Sommer 2021 wissen wir das. Klar, wir benützen Biospritzmittel aus Schwefel und Kupfer. 2022 setzen wir die wenig ein. Aber nötig sind sie trotzdem, um Probleme bei den Trauben zu vermeiden. 2023 freuen wir uns auf den ersten Jahrgang der seltenen Sorte Rèze, die wir erst 2021 gepflanzt haben. Weil die Rebstöcke noch sehr jung sind, werden wir 2023 nur wenige Flaschen davon verkaufen können.
Das Weingut Denis Mercier befindet sich oberhalb des Bahnhofs von Sierre und breitet sich neu auf 8 Hektar aus. Wein von 13 verschiedenen Traubensorten stehen zur Auswahl.
Was ist an der Traube speziell?
Sie stammt ursprünglich aus der Region Sierre. Ihre Geschichte geht bis 1313 zurück. Wir haben lange nach einer Weissweinalternative mit Säure gesucht – weltweit. Dann war ich mit einem Winzerfreund aus Kalifornien im Château de Villa zum Racletteessen und stellte ihm dort die Rèze vor. Wir waren begeistert. Danach besprach ich das mit den Eltern, und so entschieden wir uns, diese uralte Walliser Traubensorte zu pflanzen.
Ihre Cornalin und Syrah gehören zum Besten, was die Schweizer Weine zu bieten haben. Nur sind sie fast immer ausverkauft. Über welche Kanäle setzen Sie Ihre Weine ab?
Nun, die meisten verkaufen wir direkt ab Weingut. Wir nehmen uns Zeit für unsere Kundschaft. Unsere Weine haben eine Geschichte. Die wollen wir erklären. Zusätzlich haben wir je 10 Prozent Wiederverkäufer und Restaurants. Wir sind vor allem in Betrieben mit gehobener Gastronomie vertreten, schweizweit. Aber unsere Weine gibt es auch in der Region von Sierre als Vin du mois. Mir ist es sehr wichtig, dass wir überall präsent sind – mit Weinen wie Fendant, Dôle oder Johannisberg, die man geniessen kann, ohne zu viel über sie studieren zu müssen.
Ihre Eltern arbeiten im Weingut mit.
Ja, insgesamt funktionieren wir als Betrieb nur deshalb so gut, weil meine Eltern noch immer anpacken (Betriebsgründer Denis Mercier ist 65, seine Berner Frau Anne-Catherine 64, Anmerkung der Redaktion). Steigen meine Eltern einst aus, müssen wir uns anders organisieren. Klar ist: Ich will nicht grösser werden und delegieren. Ich schätze an meinem Job, dass ich alles machen kann: Reben schneiden, im Keller arbeiten und Weine verkaufen.
Seit 2019 sind Sie zusätzlich Präsidentin der Vereinigung Mémoire des Vins Suisse. Um diese ist es seit der Pandemie ruhig geworden. Was haben Sie vor?
Wir möchten die Mémoire etwas öffnen, damit sie nicht nur bei Weinjournalisten bekannt ist. Veranstaltungen fürs Publikum sollen helfen. Wichtig ist, dass sich auch eine neue Generation der Mémoire in die Vereinigung einbringt. Meine Eltern waren schon dabei, als die Mémoire noch familiär mit 10 bis 15 Mitgliedern war. Davon profitierte ich, weil ich für so viele Mitglieder arbeiten und damit Erfahrungen sammeln konnte.
Mehr über die Weine von Madeleine Mercier exklusiv im GastroJournal vom 23. Februar 2023.