Delegiertenversammlung GastroZürich: Dr. Karl E. Schroeder demontiert Dr. Karl E. Schroeder

Reto E. Wild – 25. April 2023
Die mutmasslich privaten Ausgaben von bis zu einer halben Million Franken auf Kosten des Verbandes durch den ehemaligen Geschäftsführer Karl E. Schroeder und zwei Kadermitarbeitende sorgten an der Delegiertenversammlung von GastroZürich am 24. April 2023 für mächtig Zündstoff. Schroeder verliess den Saal im Löwen Meilen ZH unter Buhrufen.

Das SRF, die Neue Zürcher Zeitung, der Tages-Anzeiger und TeleZüri: Selten wird eine Versammlung eines Kantonalverbands so stark von Publikumsmedien besucht wie jene von GastroZürich am 24. April 2023 im Löwen in Meilen. Auch die Zahl der stimmberechtigten Delegierten ist mit 68 ungewöhnlich hoch. Letztes Jahr waren es noch 60. Hauptgrund: Karl E. Schroeder, bis zu seiner Pensionierung Ende September 2021 während 26 Jahren Geschäftsführer von GastroZürich, verschickte vor einigen Tagen ein neunseitiges Schreiben «an die Delegierten von GastroZürich». Es findet den Weg zu anderen Medien und zum GastroJournal. Unter dem Titel «Unwahre Unterstellungen von Pflichtverletzungen gegenüber den ehemaligen Schulleiterinnen und dem Geschäftsführer; eine Richtigstellung» legte der Rechtsanwalt seine Sicht der Dinge dar.

 

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Die Delegierten lauschen den Ausführungen des Vorstands. (Bild: Reto Wild)

Schroeder ging deshalb so in die Offensive, weil der Vorstand von GastroZürich im Sommer 2022 auf mögliche Unregelmässigkeiten in der Buchführung von Gastro Zürich in den Jahren 2020 und 2021 aufmerksam gemacht wurde. Die Buchungen wurden in der Amtszeit von Schroeder vorgenommen. Mutmasslicher Umfang der Schädigung: über 400 000 Franken, wobei rund 70 000 Franken davon Aufarbeitungskosten betreffen. Die Medien berichten unter anderem von Einkäufen von rund 55 000 Franken für Wein, 66 000 Franken für Kleider, 31 000 Franken für Duftkerzen und 15 000 Franken für Zigarren. Im Herbst 2022 gab der Vorstand einer unabhängigen Revisionsgesellschaft den Auftrag, die Belege detailliert zu prüfen. Die juristische Beurteilung dauerte bis zum Januar 2023. Im Februar 2023 wurde Schroeder, die ehemalige Schulleiterin und ihre Tochter– die Öffentlichkeit spricht bei Letzterer von einem Jahreslohn von 150 000 Franken – mit der Untersuchung konfrontiert und um eine Stellungnahme gebeten, die bis heute ausgeblieben ist. Die Angeschuldigten wurden aufgefordert, den Schaden – es gilt die Unschuldsvermutung – an GastroZürich zurückzuzahlen.

Gleich zu Beginn der 134. Delegiertenversammlung sagt Urs Pfäffli, Präsident von GastroZürich: «Als Vorstand stehen wir in der Verantwortung. Es geht um Ihr Geld. Wir sind verpflichtet, sorgsam damit umzugehen. Die Fakten sind unabhängig von externen Experten zusammengetragen worden. Das hat nichts mit einem Rachefeldzug gegen Herr Doktor Schroeder zu tun.» Pascale Köster, Managing Associate von Walder Wysss Rechtsanwälte in Zürich, gewährt in der Folge einen Überblick auf die Unregelmässigkeiten wie «diverse nicht geschäftsbegründete, teilweise offensichtlich private Ausgaben in der Buchhaltung von GastroZürich». Vergleichsversuche seien erfolglos geblieben. GastroZürich werde deshalb rechtliche Schritte gegen die mutmasslichen Verantwortlichen einleiten. Das Ziel sei eine umfassende Aufarbeitung, die Bestrafung der Verantwortlichen sowie Schadenersatz.

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Komiker Claudio Zuccolini bei seinem Auftritt an der Delegiertenversammlung sorgt für Entspannung nach den hitzigen Debatten. (Bild: Reto E. Wild)

Dann schreitet plötzlich Schroeder von den hinteren Sitzreihen zum Podium und ergreift das Mikrophon: «Als ich am 11. Oktober 2021 an der Delegiertenversammlung als Ehrenmitglied verabschiedet wurde, war ich stolz und glücklich, den Verband meinem Nachfolger zu übergeben.» Angefangen habe die «leidige Angelegenheit mit der fristlosten Entlassung der Tochter der Schulleiterin». Ob das die Art und Weise sei, wie man mit Menschen umgehe? «Es wurden keine Belege gefälscht und keine Gelder veruntreut. Natürlich war man grosszügig, natürlich war man spendabel. Aber der Erfolg gab uns recht», kontert der ehemalige Geschäftsführer. In seiner Zeit seien die Schulden von GastroZürich von 10,8 Millionen auf 2,2 Millionen Franken abgebaut worden. «Die Anwaltskosten und das Verfahren, das auf mich und sie zukommt, kostet Sie mehrere hunderttausend Franken. Letztlich ist es ungeheuerlich, was man mir vorwirft. Offenbar steht ein Krimineller vor Ihnen. Es stimmt nicht, was behauptet wird», sagt Schroeder eindringlich.

Doch weil er immer wieder Passagen aus seinem Brief vorliest, werden die Delegierten ungehalten, und es kommt zu Buhrufen. Präsident Pfäffli lässt im Saal darüber abstimmen, ob der ehemalige Geschäftsführer weiterreden soll. Das wollen nur fünf Delegierte. Schroeder verlässt wutentbrannt den Löwen, schlägt die Türe hinter sich zu - nicht ohne Pfäffli und die Vorstandmitglieder Karl Fatzer und René Kaufmann vorher noch mit persönlichen Angriffen zu desavouieren.

Die eigentliche Delegiertenversammlung kann erst nach diesen verbalen Auseinandersetzungen starten. Nicolas Kern, Präsident von Gastro Stadt Zürich, ergreift das Wort: «Wir sind dem Vorstand von GastroZürich extrem dankbar, dass Ihr die Unregelmässigkeiten aufgedeckt habt. Jetzt geht es darum zu sorgen, dass so etwas nie mehr passiert. Schuld daran sind wir Delegierten, weil wir die Jahresrechnung jeweils durchgewinkt haben.» Die Saläre des Stadtrats von Zürich und des Bundesrats seien bekannt, nicht aber die Bezüge des Vorstands. «Wir müssen als GastroZürich die Delegierten- auf eine Generalversammlung ändern», schlägt der Gastronom vor. Pfäffli verspricht, seinen Vorschlag nach schriftlicher Eingabe zu prüfen. Letztlich dauert diese Delegiertenversammlung mit ihren 14 Traktanden über zwei Stunden.

Erst der Auftritt des Zürcher SVP-Regierungsratspräsidenten Ernst Stocker sorgt für eine erste Besänftigung. In seiner Rede sagt er: «Ich komme immer gerne zu Euch. Als ich heute Morgen die Zeitungen aufgeschlagen habe, musste ich allerdings die Stirne runzeln. Es wäre schade um den wichtigen Verband im Kanton Zürich, wenn man nicht Lösungen finden würde.»

Der Komiker Claudio Zuccolini bringt dann nach dem Apéro des Löwen und der Vorspeise mit Lachs und Spargeln mit seinen Sprüchen endgültig positive Stimmung in die aufgeheizte Atmosphäre.

Mehr über die Geschäfte der Traktandenliste im GastroJournal am 5. Mai 2023