Expo 2020 Dubai: «Wir kreieren Räume, die Geschichten erzählen»

Reto E. Wild – 24. März 2022
Ende März schliesst die Expo 2020 Dubai ihre Tore. Insgesamt 20 Millionen schauten sich die Weltausstellung an. Gut 1,5 Millionen Besucher staunten über den Schweizer Pavillon, der nun als Bester ausgezeichnet wurde. Dahinter steht die Kreativagentur Bellprat. Sie ist führend in der Erlebnisinszenierung im Tourismus.

Am 31. März 2022 schliesst die Expo 2020 Dubai (UAE) ihre Tore. Der komplett verspiegelte Schweizer Pavillon zog in den vergangenen sechs Monaten über 1,5 Millionen Besucher an – mehr als jedes Museum in der Schweiz und dies mitten in der Pandemie. Er gehörte zu den Top 5 der beliebtesten und «most instagrammable» Bauten an der Weltausstellung, an der rund 200 Länder vertreten waren. Und in den Medien im arabischen Raum hatte die Wanderung durch die Schweiz in drei Akten eine starke Präsenz. Vergangene Woche wurde der Schweizer Pavillon von einer internationalen Jury mit dem «Exhibitor Magazine’s World Expo Award» zum besten Pavillon der mittelgrossen Länderauftritte gewählt. Das zentrale Schaustück des Gebäudes – der aus reinem Wasser kreierte Schweizer Nebel – ist für eine Fachjury das drittbeste Inszenierungselement der Expo, was Thema und Umsetzung angeht.

Fünf Jahre lang tüfteln

«Wir sind sehr stolz darauf, dass dieses urschweizerische Phänomen, wie wir es von unzähligen Ausflügen in die Berge kennen, in diesem Kontext für Furore gesorgt hat. Damit wird nicht nur unser Erfindergeist ausgezeichnet, sondern auch ein magisches Naturerlebnis jeder Schweiz-Reise nachhaltig greifbar gemacht», freut sich Iwan Funk. Als Managing Partner von Bellprat Partner hat er mit seinem 15-köpfigen Team während über fünf Jahren an der Entwicklung des Schweizer Pavillons getüftelt und die gesamte Umsetzung vor Ort mitbegleitet. Bellprat ist ein weltweit tätiges Atelier für Konzeption, Design und Realisation von dreidimensionaler Kommunikation. «Es geht um das Erlebnis, bei dem wir alle Sinne ansprechen», erklärt Funk. Er selbst, der Kommunikation an der Universität Freiburg studierte und seine berufliche Karriere 2008 als Praktikant bei Bellprat startete, hat über 100 Pavillons an der Expo Dubai besucht.

Die Goldmedaille in der Kategorie der grossen Pavillons ging an Polen. Und wiederum hat Bellprat diese konzipiert und gestaltet. Die Zürcher haben als Kreativ-Partner gemeinsam mit den polnischen Architekten WXCA die Idee von Tausenden von Zugvögeln, die in ihrer Formation und Schwarmintelligenz die Wüste Dubais erobern, an den Himmel gezaubert. Die Story hinter der Story: Polen ist jenes Land in Europa, wo am meisten Zugvögel landen, starten und brüten – sozusagen eine Metapher für die weltweit vernetzte, innovative Volkswirtschaft im Osten Europas, die mit der ganzen Welt im täglichen Austausch steht.

Touristische Inszenierungen in der Schweiz und in der ganzen Welt gehören zu den Geschäftsfeldern des Ateliers, das bereits an der Expo 1986 den Schweizer Pavillon in Vancouver kreierte. Ein weiteres Beispiel: «Beim Tatort Tell in Uri erzählen wir die Geschichte des Schweizer Nationalhelden, welche die Besucher selbst erarbeiten müssen», informiert Funk. Beim über 30 Kilometer langen Erlebnisweg Obersee, wie der Obere Zürichsee genannt wird, soll die Infrastruktur des Rundwegs zum Leben erweckt werden – von Geschichten von den Pfahlbauten über das Mittelalter mit dem Schloss Rapperswil bis hin in die Neuzeit und zu spannenden Persönlichkeiten. Besucher erhalten online oder im Tourismusbüro eine Schatz- und Rätselkarte und gehen interaktiv auf Entdeckungsreise mit Themen, die selbst vielen Anwohnern nicht bekannt sind. Beim Weingut Irsslinger in Wangen SZ (das GastroJournal berichtete in der letzten Ausgabe über die Weine) stehen etwa Weinfässer. Hier muss man die verschiedenen Düfte erkennen. Getragen wird der Erlebnisweg aber auch von kleinen Bäckereien bis zu Gemeinden oder dem Bächlihof der Jucker Farm AG in Jona SG.

«1000 Texttafeln sind schrecklich»

Der Ansatz von Bellprat im Tourismus sei, so Funk, sich immer in die Touristen hineinzuversetzen und die Leistungsträger vor Ort und die Anwohner einzubeziehen. Dies führe zur Steigerung der Lebensqualität der lokalen Bevölkerung. «Doch die Vermittlung von Hintergrundinformationen darf nicht in Konkurrenz zur Landschaft stehen. Wege mit 1000 Texttafeln sind alles andere als ein Erlebnis, sondern schrecklich.» Die Rede ist von «narrativen Environments». Das sind Räume, die Geschichten erzählen, mit allen Medien und in Innenräumen oder im Freien – nach den Regeln des Storytellings und mit dem Handwerk der Szenografie.

Nur, was kostet eine touristische Inszenierung? Der Schweizer Pavillon soll inklusive Betrieb rund 15 Millionen Franken verschlungen haben. Funk antwortet: «Letztlich geht es um eine gute Idee. Die ist nicht teuer.» Es brauche Erfahrung und den Prozess, die Idee zu entwickeln. Je nach Format könne das ab 50 000 Franken bis zu 5 Millionen Franken kosten – vom Wanderweg bis zum Erlebniszentrum. Der Vorteil dabei: Die touristische Inszenierung funktioniert in der Regel bis gegen zehn Jahre lang.