Der Tourismus in Grindelwald schreibt einen neuen Allzeitrekord!

Reto E. Wild – 18. Januar 2023
Ausgerechnet das schwierige 2022 wird das beste Jahr in der Geschichte des Tourismus von Grindelwald. Bruno Hauswirth (54), seit 2012 Geschäftsführer von Grindelwald Tourismus, erklärt, was die Gründe für diesen erstaunlichen Erfolg im Berner Oberland sind.

Bruno Hauswirth, die offiziellen Zahlen des Bundesamts für Statistik für das vergangene Tourismusjahr folgen erst in ein paar Wochen. Aber in Grindelwald ist offenbar jetzt schon klar, dass das Gletscherdorf 2022 die besten Zahlen in der Geschichte schreibt. Weshalb dieser Erfolg?
Für diesen Allzeitrekord gibt es mehrere Gründe: Ein wichtiger Punkt sind die gut 300 zusätzliche Betten. In einer schwierigen Phase des Tourismus haben mehrere Hotels eröffnet und damit gezeigt, dass sie an die Zukunft von Grindelwald glauben. Erst am 22. Dezember 2022 eröffnete beispielsweise der Fiescherblick (Details im GastroJournal vom 26. Januar, Anmerkung der Redaktion). Wir sind zudem sehr froh, dass die Jungfraubahn investierte: Seit dem 5. Dezember 2020 – und damit früher als geplant – bringt die modernste 3S-Bahn die Gäste von Grindelwald-Terminal in nur 15 Minuten zur Station Eigergletscher. Ein Jahr zuvor startete die neue Männlichenbahn. Diese beiden Bahnen garantieren hohe Kapazitäten. Niemand muss mehr anstehen. Es gibt kein Gedränge, was die Gäste gerade in der Pandemie schätzten.

Mit welchen Zahlen rechnen Sie?
Wir gehen davon aus, dass wir bei gut 3000 Hotelbetten insgesamt 1,3 bis 1,4 Millionen Logiernächte schaffen. In den Hotels wurden 651‘797 Logiernächte generiert. Die Zahlen zu den rund 5000 Betten aus der Parahotellerie folgen erst in ein bis zwei Monaten. Wir haben jedoch noch immer zu wenig Hotelbetten; das Angebot kann die Nachfrage nicht befriedigen. Die Logiernächte sagen nur die halbe Wahrheit aus. Wir erreichten bei der Auslastung 62 Prozent und haben das Rekordjahr von 2019 egalisiert. Dabei rechnen wir alle 365 Tage ein, denn wir sind der Meinung, dass die Hotels ebenfalls ganzjährig Fixkosten haben.

Welche Märkte sorgten für diesen Erfolg?
Grindelwald hatte immer eine gute Verteilung. Vor der Pandemie waren das zu je einem Drittel Asiaten, Gäste aus Europa und Nordamerika sowie ein Drittel Schweizer. Jetzt stammen 70 Prozent der Gäste aus der Schweiz und Europa, rund 10 Prozent aus Nordamerika, und die restlichen 20 Prozent sind von asiatischen Ländern und den Golfstaaten. 2022 haben die USA mit Abstand für den grössten Zuwachs gesorgt. Als Russland vor bald einem Jahr in die Ukraine einmarschierte, löste das für zwei, drei Wochen einen Nachfrageschock aus. Doch bald haben die Buchungen wieder zugenommen.

Wie sieht die Nachfrage bei den Restaurants im Dorf aus?
Das geht Hand in Hand mit der Hotellerie. Auch hier ist die Nachfrage grundsätzlich grösser als das Angebot. Wir haben je rund 40 Hotels und Restaurants. Für mich ist die Kombination zwischen Logement und Restaurant wünschenswert. So wie das im neuen Hotel Fiescherblick mit dem Restaurant gelöst ist, finde ich es super. Das Produkt Grindelwald ist erfolgreich unterwegs. Das ist ein Gesamtresultat aller Leistungsträger. Wir haben ein gutes Einvernehmen mit der Parahotellerie, den Transportunternehmen – allen voran der Jungfraubahn – und mit der Hotellerie. Noch immer sind bei einem grossen Teil davon die Eigentümer Familien. Grindelwald ist gestärkt aus der Krise gekommen.

Was ist Ihre Strategie?
Wir gehen seit rund 20 Jahren den gleichen, simplen Weg: räumliche und zeitliche Diversifikation. Wir wollen auch bei den Herkunftsmärkten keine Klumpenrisiken eingehen und setzen auf diverse Zielgebiete. Sehr breit sind wir auch in der Saisonalität aufgestellt: Wir haben während 11 Monaten Saison, die Bahnen fahren durchgehend. Top of Europe ist an 365 Tagen im Jahr geöffnet. Selbst während der Zwischensaison sind bei uns mindestens 50 Prozent der Hotellerie in Betrieb. Hilfreich ist, dass unsere internationalen Märkte sehr unterschiedliche Saisons haben. Und mit Top of Europe und der Eigernordwand profitieren wir von zwei Leuchttürmen. Ja, wir profitieren sogar davon, dass der Bösewicht aus Harry Potter Grindelwald heisst.

Das hört sich alles so positiv an.
Nun, der Fachkräftemangel ist auch bei uns ein grosses Thema. Wir haben schon vor geraumer Zeit vom «Battle for Talents» gesprochen. Bei uns können aber die Hoteliers Ganzjahrseverträge anbieten, weil unsere Saison 11 Monate lang ist. Das ist ein entscheidender Vorteil. 

In anderen Berner Gemeinden werden Klagen laut, dass das Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) in Bern überlastet ist und es deshalb bei möglichen Umzonungen von Projekten sehr lange dauert. Wie denkt man in Grindelwald darüber?
Da schweigt des Sängers Höflichkeit.