«Wenn ich zurückschaue, bin ich sehr dankbar, dass mir jemand eine Chance gegeben hat». Vor knapp acht Jahren stand Roman Kasper vor einem Problem, das in der Schweiz im Jahr durchschnittlich etwa zehn Prozent aller Lernenden haben. Der damals 19-Jährige rasselte durch die Lehrabschlussprüfung (LAP) als Koch und blickte in eine ungewisse Zukunft. «Für einen kurzen Moment wusste ich nicht, wie es weitergehen soll», erinnert sich der heute 27-Jährige. Sein damaliger Lehrbetrieb wollte den Zürcher nicht ein weiteres Jahr beschäftigen und ohne Lehrabschluss war die Suche nach einer Stelle als Koch ein schwieriges Unterfangen. Ein herber Dämpfer für Kasper, der das Kochen seit Kindsbeinen praktiziert und es als seine grosse Leidenschaft bezeichnet.
Abwascher? Sicher nicht!
Aus diesem Grund war Aufgeben war für ihn keine Option. «Ich wusste, dass ich wieder in einer Küche arbeiten wollte. Welchen Posten ich dabei innehaben würde, war mir nach der verpatzten LAP eigentlich egal.» So meldete sich der Jungkoch nach seinem Scheitern bei Maik Pfister, der als verantwortlicher Küchenchef in zahlreichen Betrieben von Michel Péclard, etwa das Fischer's Fritz oder dem Mönchhof, tätig war. Er bewarb sich jedoch nicht als Koch, sondern als Abwascher. «Ich dachte, dass ich ohne Abschluss keine Chance auf einen Posten als Koch hatte. Ich wurde jedoch eines besseren belehrt», erinnert sich Kasper.
Pfister dachte nicht im Traum daran, ihn als Abwascher einzustellen, sondern gab ihm die Chance, als Koch im Fischer's Fritz seine Karriere neu zu lancieren. «Er sagte mir, dass ein Koch, egal ob er einen Abschluss hat oder nicht, an den Herd gehört, solange er die Motivation und die Freude daran hat», so Kasper. Diesen Leitsatz nahm er sich zu Herzen und etablierte sich mit der Hilfe von Pfister und Péclard schnell in der Küche des Fischer's Fritz in Zürich, wo er nach einem Jahr auch seine Lehre abschloss. Es folgten Stationen in weiteren Péclard-Betrieben wie dem Rooftop und der Milchbar, bevor er 2018 ins L'O in Horgen ZH wechselte. Hier sollte seine Karriere ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen.
Das L'O in Horgen ZH hat seit dem Jahreswechsel einen neuen Küchenchef. (Bild: Pumpstation Gastro GmbH)
Der Sous-Chef wird zum Vorgesetzten
Unter Küchenchef Sven Rümmeli ist Kasper der unbestrittene Sous-Chef im L'O und bildet mit seinem Vorgesetzten ein eingespieltes Team. «Das Verhältnis mit Sven war von Anfang an sehr gut und entwickelte sich in den letzten drei Jahren zu einer richtigen Freundschaft», so Kasper. Als Sous-Chef verdient sich der Jungkoch seine Sporen ab und überzeugt mit seiner Motivation und seiner Leidenschaft fürs Kochen. Den Lohn dafür erntet er im vergangenen Sommer. «Ich bekam eine Mail von Michel, in der stand, dass ich ab Januar 2022 Küchenchef im L'O werden soll», erzählt Kasper strahlend. Zunächst hält er die Nachricht für einen Witz, nach einem kurzen Nachfragen beim Küchenchef ist klar, dass er im neuen Jahr tatsächlich Küchenchef wird.
Für Kasper geht damit ein Traum in Erfüllung. «Ich liebe dieses Lokal und das Team, das wir hier in den letzten drei Jahren aufgebaut haben. Ich war seit dem Neustart des L'O immer mit dabei und habe mir stets ausgemalt, wie es wäre, an diesem Ort Küchenchef zu sein. Das dies nach so kurzer Zeit nun tatsächlich Wirklichkeit wird, freut mich riesig und ich bin sehr dankbar für die Chance und das Vertrauen».
Das Konzept des L'O wird trotz des Wechsels in der Küche in Zukunft erhalten bleiben. Man setzt weiterhin auf die verschiedenen Fleisch- und Fischgerichte, wobei Kasper seinen Fokus verstärkt auf die Fischgerichte legen will. «Als passionierter Fischer liebe ich es, Fisch zu kochen und zu essen. Ich denke, dass ich dabei noch ein paar Ideen in die Gerichte einfliessen lassen werde», sagt er. Auch in den saisonalen Karten soll es die eine oder andere Anpassung geben. Das gilt auch für das Küchenteam, welches im Hinblick auf die Sommersaison komplett neu zusammengesetzt wird. «Es liegt noch einiges an Arbeit vor mir, aber ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe», sagt Küchenchef Kasper.
Glaube und Mut versetzen Berge
Der Aufstieg des einstigen durchgefallenen Lernenden beeindruckt. Von einer «Vom-Tellerwäscher-zum Millionär-Story» will Kasper in seinem Fall allerdings nicht sprechen. Vielmehr sieht er sich als Küchenchef in der Pflicht, den Lernenden Auswege aufzuzeigen, sollten auch sie mal in einer solchen Situation festhängen. «Das Wichtigste ist, den Mut nicht zu verlieren. Wenn man etwas unbedingt machen will und man die Passion für einen Beruf hat, spielt es keine Rolle, ob man einen Abschluss hat oder nicht. Solange man bereit ist, dafür zu kämpfen, kann man auch als Durchgefallener viel erreichen». Er selbst habe seine verlängerte Ausbildung immer als Ehrenrunde und nicht als Pflichtaufgabe empfunden. Ein gute Einstellung, schliesslich kann sie Träume wahr werden lassen.