Die Schweiz gehört zu den Ländern Europas, welche eine Vielzahl historischer Bauzeugen im Gastgewerbe besitzen. Die besten Hotels und Restaurants werden seit 1997 jährlich vom internationalen Denkmalrat Icomos ausgezeichnet. Im Fokus stehen dabei das Erhalten und das Betreiben der historischen Gebäude und deren Vererben für künftige Generationen.
Diese Punkte standen kürzlich im Rahmen einer Referatsreihe zum Thema Denkmalpflege an der Universität Bern im Zentrum. Dabei sprachen Patrick Dietrich, Direktor des Hotels Waldhaus in Sils GR, und Moritz Flury-Rova, ehemaliger Jurypräsident von Icomos Schweiz, über ihre Erfahrungen und Herausforderungen.
Mit Leidenschaft und Freude zu 100 Jahren Familientradition
Als eines der zahlreichen Fünfsternehotels der Schweiz gilt das Waldhaus in Sils als historischer Vorzeigebetrieb. 1908 von Josef Giger (1847–1921) und Amalie Giger-Nigg (1849–1924) erbaut, wurde es über Jahrzehnte hinweg von Generation zu Generation weitergegeben. Heute hält die fünfte Generation rund um die Brüder Claudio und Patrick Dietrich ohne aussenstehende Teilhaber und Direktoren das Ruder im Oberengadin in der Hand. Dass dies bis heute noch so ist, dafür sieht Co-Direktor Patrick Dietrich mehrere Gründe. «Essentiell sind sicher die grosse Leidenschaft und die Freude am Gastgebertum und am Haus, welche die Familie stets dazu motivierte, das Hotel aus eigener Kraft zu betreiben», sagt er. Es habe in den letzten 100 Jahre nie einen grossen Umbruch in der Philosophie und in der Beschaffenheit des Hauses gegeben. «Wir haben stets akzeptiert, dass es sich um ein altes, ehrwürdiges Haus handelt, welches Pflege und Aufmerksamkeit braucht», so Dietrich.
Neben dieser Leidenschaft und Freude hat es auch Durchhaltevermögen gebraucht. Besonders in den Krisenjahren rund um den zweiten Weltkrieg stand das Hotel mehrmals vor dem Aus. «Damals waren die Zweifel über eine Zukunft des Hotels sicherlich vorhanden. Aber: Die Familie blieb stets bescheiden und hat nur immer das Nötigste für sich selbst beansprucht», sagt der Co-Direktor. Heute investiert die Familie jährlich über eine Million Franken in den Unterhalt der Baustruktur und des Betriebs im Hotel Waldhaus.
Diese Einstellung und Investitionen machen sich bis heute bezahlt. Das Waldhaus ist bei den Gästen weiterhin sehr beliebt und gut ausgebucht. Dazu tragen insbesondere die vielen Kulturveranstaltungen bei, welche auch von Gästen, die nicht im Hotel übernachten, und der Dorfbevölkerung besucht werden können. «Diese Offenheit ist uns sehr wichtig. So können wir der Bevölkerung, die uns in all diesen Jahren immer unterstützt hat, etwas zurückgeben.»
Trotz Renovierungen ist der historische Charme im Waldhaus Sils erhalten geblieben. (Bild: Waldhaus Sils)
Ein Saal erstrahlt in neuem Glanz
Auf diese Unterstützung konnte auch das Projekt von Moritz Flury-Rova zählen. Im appenzellischen Trogen renovierte der stellvertretende Leiter der Denkmalpflege St. Gallen zusammen mit zahlreichen Helferinnen und Helfern den Rösslisaal. Der Saal wurde um 1910 bis 1920 neben dem namengebenden Gasthaus Rössli auf den Grundmauern einer ehemaligen Stickereifabrik erbaut, bevor er 1927 zum Festsaal umgebaut wurde. Ende der 2010er-Jahre sollte der Bau auf Grund seiner Baufälligkeit abgerissen werden. Daraufhin gründete Flury-Rova zusammen mit mehreren Mitstreiterinnen und Mitstreitern zunächst die Genossenschaft Rössli Trogen und später die Stiftung Rössli Trogen, welche den Saal im Februar 2021 kaufte und aufwendig renovierte. Heute ist der Saal der breiten Öffentlichkeit zugänglich und kann für Feste oder Veranstaltungen genutzt werden. Seit Mai 2022 kann zudem die Gaststube, Küche und seit Mai 2022 auch die fünf Gastzimmer mit im Total zehn Betten.
«Es war uns bewusst, dass wir mit dem Projekt ein grosses Risiko eingingen, vor allem finanziell. Doch es hat sich gelohnt», bilanziert Flury bei seinem Referat. Entscheidend sei die Unterstützung der Bevölkerung und privaten Gönnern gewesen, welche das Projekt immer mittrugen. «Dank dieser Unterstützung ist es heute 'ihr' Saal, welchen sie sich selbst in ihr Dorf gestellt haben», so Flury. Davon sollen auch künftige Generationen profitieren können. «Wir wollen die Genossenschaft und die Stiftung langfristig weiterführen, damit sich mit der Zeit eine Art Familientradition bei der Führung des Saals etabliert.» Dennoch gibt Flury zu bedenken, dass ohne weiteren Einsatz und finanzielle Mittel ein Überleben des Saals kaum möglich sein wird. «Wir müssen ständig dranbleiben und auch die finanziellen Mittel haben, um mögliche Herausforderungen in Zukunft meistern zu können.»