Ein Pionier in Sachen Nachhaltigkeit

Oliver Borner – 07. Juli 2022
Wie kaum ein anderes Hotel in der Schweiz setzt sich das Hotel Schloss Wartegg für eine ökologische und soziale Nachhaltigkeit ein. Was in vielen Hotels heute ein Ziel ist, steckt beim historischen Betrieb am Bodensee seit mehr als 20 Jahren in der DNA.

Nachhaltiges Reisen boomt. Laut dem Sustainable Travel Report von Booking.com aus dem Jahr 2021 möchten rund 81 Prozent der Reisenden ökologisch und sozial nachhaltige Unterkünfte buchen, um möglichst ressourcenschonend zu reisen. Dieses Bedürfnis gab im November 2021 einer Gruppe von Hotels in der Schweiz den Anstoss, die Vereinigung «Responsible Hotels of Switzerland» zu gründen. Insgesamt 26 Hotelbetriebe schlossen sich zusammen, um gemeinsam die Leader der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit zu vernetzen und damit dem steigenden Trend des nachhaltigen Reisens nachzukommen.

Ein Mitglied der ersten Stunde ist das Hotel Schloss Wartegg am Bodensee. Das Bio-Hotel setzt sich seit seiner Eröffnung im Jahr 1998 für die ökologische und soziale Nachhaltigkeit in der Schweizer Hotellerie ein und wurde bereits mehrmals dafür ausgezeichnet. Der jüngste Erfolg datiert von Ende Februar 2022. Damals erhielt das Hotel den neugeschaffenen «Historic Hotel Sustainability Award» der Historic Hotels of Europe und wurde damit für sein Engagement im Bereich Nachhaltigkeit geehrt.

Nachhaltigkeit steckt in der DNA

Diese Auszeichnung erstaunt nicht. Das Schloss Wartegg hat sich der Nachhaltigkeit verschrieben, schon lange bevor dieser Ansatz überhaupt zum Trend wurde. Vor 24 Jahren übernehmen die Besitzer Angelika und Christoph Mijnssen eine Ruine und restaurierten das historische Gebäude zu einem Hotel. Dabei setzen sie, insbesondere mit dem zum Schlosspark gehörenden Demeter-Garten, ganz auf die Karte Nachhaltigkeit. «Der Demeter-Garten ist zusammen mit dem historischen Gebäude der Kern des gesamten Konzepts des Schlosshotels Wartegg», sagt Hoteldirektor Richard Butz im Gespräch mit dem GastroJournal. Der gebürtige Ostschweizer leitet seit zehn Jahren das Schloss Wartegg und vertritt den Nachhaltigkeitsgedanken seit jeher mit grosser Überzeugung. «Es ist mir ein grosses Anliegen, dass wir mit dem Schloss Wartegg aufzeigen, dass es einen Weg gibt, nachhaltige Hotellerie zu betreiben», sagt er.

Teile dieser nachhaltigen Philosophie zeigen sich bei der Energieversorgung. Das Hotel besitzt ein eigenes Wasserkraftwerk, welches Strom für die Beleuchtung des Hotels oder den Betrieb der Server produziert. Daneben verfügt das Hotel über eine Lichtsteuerungsanlage, welche die Intensität der Beleuchtung dem Tageslicht entsprechend anpasst und damit hilft, Strom einzusparen. Geheizt wird zum einen mit Erdgas mit mindestens 30 Prozent Bio-Gas-Anteil und zwei Blockkraft-Heizwerken. Zusammen mit der baubiologischen Renovation und den Produkten aus dem Garten erreicht das Hotel einen CO2-Verbrauch von unter 10 Kilogramm pro Gast und Nacht. Zum Vergleich: der CO2-Verbrauch eines konventionellen Hotels liegt laut einer Erhebung des Deutschen Hotel und Gaststättenverbands (Dehoga) aus dem Jahr 2016 im Schnitt zwischen 17 und 47 Kilogramm pro Gast und Nacht.

Daneben steht bei der Möblierung und der Ausstattung des Hotels die Wertigkeit der Materialen im Vordergrund. «Der Sandstein für die Fassade kommt vom Rorschacherberg, das Holz für Bettenrückwände und Möbel beziehen wir aus dem eigenen Schlosspark, die Bettwäsche besteht zu 100 Prozent aus Bio-Baumwolle», zählt Butz auf.

Ein gutes Arbeitsklima erzeugen

Der ökologische Faktor ist für den erfahrenen Hotelier allerdings erst die halbe Miete. «Es ist mir wichtig, dass in diesem Haus die soziale Komponente einen hohen Stellenwert hat», sagt er. So setzt sich die Hotelführung aktiv dafür ein, dass Entscheidungen in Absprache mit den Mitarbeitenden im Team getroffen werden und ein familiäres Umfeld im Betrieb herrscht. «Dafür gehen wir gezielt auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden ein und bieten ihnen auch flexible Arbeitszeiten an, um Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Die Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden steht für uns an oberster Stelle», sagt Butz. Daneben setzt sich das Hotel aktiv für die Ausbildung von Lernenden ein und bietet im Garten eine Arbeitsstelle für beeinträchtige Personen an.

Bio-Küche mit vegetarischem Fokus

Eine grosse Rolle in der Philosophie des Hotels spielt auch das hauseigene Restaurant. «Das Restaurant und die Küche geben die Grösse des Hotels vor», sagt Hoteldirektor Butz. Klein, aber fein ist somit das Motto. Die Küche ist mit 13 GaultMillau-Punkten bewertet und mit der Bio-Knospe zertifiziert. Die Produkte für die Gerichte kommen entweder aus dem eigenen Garten oder von regionalen Bio-Lieferanten. Die Weinkarte besteht aus einer grossen Auswahl an Schweizer Weinen, wovon ein Grossteil die Bio-Knospe träg. Auf eine Weinauswahl aus Übersee wird bewusst verzichtet.

Chef in der Küche ist Simon Romer. «Mich hat die Philosophie und das Konzept des Betriebs sofort angesprochen», sagt der 38-Jährige, welcher nach diversen Engagements im Ausland und in der Schweiz im April 2021 vom Hotel Bad Horn in Horn TG auf das Schloss Wartegg kam. Als er das erste Mal den grossen Demeter-Garten gesehen hat, sei für ihn klar gewesen, dass er an diesem Ort arbeiten wolle. «Meine Grossmutter hatte früher ebenfalls einen grossen Garten und kochte mit eigenem Gemüse und Kräutern. Für mich war dieser Garten hier auf der Wartegg damit wie ein Nachhausekommen», sagt Romer.

Diese Begeisterung spiegelt sich in der Küche des gebürtigen Ostschweizers. «Das Gericht muss bei mir Hand und Fuss haben und vor allem gut schmecken. Das Aussehen hat bei mir nur zweite Priorität.» Deshalb experimentiert er gerne mit den zahlreichen Wildkräutern wie Schafgarbe oder Bärlauch, die im Schlossgarten wachsen. «Ich will meinen Gerichten eine spezielle Note verleihen und dem Gast ein Erlebnis bieten, das er vielleicht so nicht erwartet hat», sagt Romer.

Dabei rückt er vermehrt auch vegane und vegetarische Menüs in den Fokus. «Ich bin mit vegetarischen Gerichten aufgewachsen und habe den fleischfreien Genuss damit immer sehr geschätzt», begründet Romer diesen Schritt. Zudem habe die Nachfrage nach vegetarischen Gerichten generell zugenommen. «Im Schnitt sind 40 Prozent aller Gerichte, die wir servieren, vegetarisch», schätzt der Küchenchef. So sei es, gerade mit der Nähe zum Garten, naheliegend, vermehrt auch vegetarische Menüs anzubieten. Was auf den Tisch kommt, hängt dabei oftmals vom Garten im Schlosspark ab. «Der Garten bestimmt grundsätzlich, wie die Speisekarte aussieht», sagt Romer. Damit lassen sich nicht nur lange Transportwege, sondern auch zusätzliche Kosten einsparen.

Alles wird verwendet

Trotz der grossen Nachfrage nach vegetarischen Gerichten ist ein Umstieg auf eine rein vegetarische Küche für Romer kein Thema. «Wir wollen mit unserer Küche alle Gäste abholen. Und dazu gehören auch diejenigen, die gerne Fisch und Fleisch essen», sagt er. Das Fleisch stammt vom regionalen Metzger, der Fisch liefert ein befreundeter Fischer vom Bodensee. Auch hier gilt: das Angebot bestimmt, was im Restaurant serviert wird. «Wenn ich an einem Tag kein Entrecôte in Bio-Qualität bekomme, steht es nicht auf der Speisekarte», sagt Romer. Ein Ausweichen auf herkömmliche Ware lässt die Bio-Zertifizierung der Küche nicht zu. 

Bei der Zubereitung des Fleisches setzt Romer ganz auf das Prinzip von Nose-to-tail. Sprich: alles wird verwendet. «Das bedeutet für uns, dass wir mit Kombinationen von Fleischstücken arbeiten. So bieten wir beispielsweise zweierlei vom Rind an, wobei Geschmortes und Kurzangebratenes miteinander kombiniert wird», so Romer. Damit lässt sich Foodwaste auf ein Minimum reduzieren. Das kommt bei den Gästen an. «Das Feedback ist sehr gut. Das spüren wir besonders bei der generellen Frequenz im Restaurant». Vor allem der Mittagsservice habe gegenüber dem letzten Jahr angezogen.

«Nachhaltigkeit darf, nein, sie muss etwas kosten»

Das Konzept auf Schloss Wartegg hat auch seinen Preis. Eine Nacht im Hotel kostet inklusive Frühstück je nach Zimmer und Saison zwischen 135 und knapp 400 Franken. «Wir sind uns bewusst, dass wir im Vergleich mit anderen, konventionellen Hotels nicht günstig sind», sagt Hoteldirektor Butz. «Aber: Nachhaltigkeit muss etwas kosten». Schliesslich sei das Hotel nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet, sondern investiere jeden Franken entweder in die Infrastruktur oder in die Mitarbeitenden. «Zudem stellen wir fest, dass die Gäste bereit sind, für unser Konzept Geld zu bezahlen», sagt Butz. Das zeigt sich unter anderem in der hervorragenden Buchungsquote von über 90 Prozent und dem Feedback auf den Online-Bewertungsseiten. 

Dennoch bereitet die aktuelle Preisentwicklung in allen Bereichen dem Direktor schlaflose Nächte. «Die Energiekosten sind in den letzten Monaten explodiert und werden uns hohe Mehrkosten bescheren», sagt er. Man habe darum die Preise um ein paar Prozentpunkte anheben müssen, was sich bereits beim Feedback niedergeschlagen habe. «Wir befinden uns daher momentan auf einem schmalen Grat in der Preisgestaltung. Wir werden sehen, wie sich dies in den nächsten Wochen und Monaten entwickelt».

Neue Projekte sind in Planung

Allen aktuellen Widrigkeiten zum Trotz blickt das Hotel der Zukunft mit Zuversicht entgegen und packt mehrere Projekte gleichzeitig an. Neben einer neuen Remise für die Gärtner ist vor allem die Energieversorgung ein grosses Thema. «Die beiden BHKWs sind in die Jahre gekommen. Wir setzen uns mit Blick auf unseren Nachhaltigkeitsanspruch daher mit neuen Lösungen auseinander», sagt Butz. Im Gespräch sei eine Wärmeluftpumpe als Ersatz für die beiden Blockheizsysteme. Zudem soll auf der neuen Remise eine Solaranlage zusätzlich Strom für das Hotel produzieren. «Eigentlich hätten wir gerne eine Solaranlage auf dem Hoteldach, dies ist aber wegen des Denkmalsschutzes nicht möglich».

All dies hängt auch mit den zahlreichen Labels zusammen, welche das Hotel seit Jahren für seine nachhaltige Philosophie trägt. «Die Gäste schauen, egal ob bewusst oder nicht, in der Regel zuerst auf die Labels, wenn sie ein nachhaltiges Hotel suchen», sagt Butz. Die Labels seien daher neben den Bewertungen ein sehr wichtiges Tool, um gegenüber anderen Hotels konkurrenzfähig zu bleiben. «Da die Anforderungen für die Labels sehr hoch sind, müssen wir uns stetig weiterentwickeln, um den Standards gerecht zu werden». Dies sei zwar mit hohen Kosten verbunden aber: «Wir wollen diese Philosophie, die hier über die letzten knapp 25 Jahre aufgebaut wurde, weiterführen und möglichst viele Menschen daran teilhaben lassen», so Butz.