Historischer Charme auf 1772 Metern über Meer

Oliver Borner – 31. Oktober 2022
Das Ortstockhaus in Braunwald GL erhält die Auszeichnung «Historisches Hotel des Jahres» 2023. Das 1931 erbaute Berggasthaus verbindet historisches Ambiente mit moderatem Komfort.

Zum ersten Mal überhaupt geht die Auszeichnung «Historisches Hotel des Jahres» in den Kanton Glarus. Der ausgezeichnete Betrieb ist für 2023 das Ortstockhaus oberhalb von Braunwald GL in den Glarner Alpen. Eine Ehre, die bei den Besitzerinnen und Besitzern des Hauses grosse Freude auslöst: «Wir freuen uns sehr, dass dem Betrieb diese Auszeichnung und Wertschätzung zukommen», sagt Marion Steiger (49). Die Architektin übernahm das Haus zusammen mit fünf Freundinnen und Freunden 2015. «Wir wollten dem 90-jährigen Haus, welches der Architekt Hans ­Leuzinger 1931 realisierte, neues Leben einhauchen und dem Erbe Sorge tragen», erinnert sich Steiger. Es war ihnen wichtig, dass das Haus weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich blieb und nicht in private Hände fiel.

Renovation mit viel Herzblut

Weil der Zustand des Hauses marode war, entschied sich das Kollektiv, das Haus gleich nach der Übernahme von Grund auf zu renovieren. In enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege des Kantons Glarus wurde das Haus innerhalb von drei Monaten im Sommer 2016 behutsam saniert und in den heutigen Zustand gebracht. Dabei stiessen die Architekten auf mehrere Herausforderungen. «Alleine der Transport der Baumaterialien und des Personals war eine grosse Herausforderung. Das Ort­stockhaus ist nur zu Fuss oder per Transportseilbahn erreichbar, was eine genaue Planung voraussetzte. Zudem standen wir wegen der kurzen Sommersaison 2016 unter enormem Zeitdruck.» Daneben musste die gesamte Küche, die vor der Renovierung einen Grossteil des Erdgeschosses einnahm, versetzt werden, was einen hohen Aufwand mit sich brachte. Dafür wurde der Eingang an seinen ursprünglichen Ort zurückverlegt und die offene Vorhalle wiederhergestellt. Damit soll der historische Charakter des Hauses erhalten bleiben und neu aufleben.

Dafür gingen die Architekten weiter, als die Denkmalpflege des Kantons forderte. «Wir fanden bei den Ausräumarbeiten alte Fenster mit historischen Scharnieren, nach deren Vorbild wir zusammen mit der Fenstermanufaktur Schmid aus Teufen Replika der historischen Schiebefenster fertigen und ins Gebäude einbauen liessen», so Steiger. Auch mit Linoleum belegte Tischplatten wurden in einer Glarner Möbelmanufaktur nach historischen Plänen nachgebaut.

Historischer Charme bleibt erhalten

Die Leidenschaft für das Historische spiegelt sich im Innenausbau. Die acht Gästezimmer mit zwei bis fünf Betten wurden im Originalzustand belassen und geben den Gästen durch die urchigen Holzwände ein heimeliges Gefühl. Darauf trifft die moderne Technik, die sich in der Beleuchtung und den sanitären Anlagen zeigt. Der Gast erlebt dadurch einen moderaten Komfort in einem historisch-regionalen Ambiente.

Diese Regionalität zeigt sich auch im Service. «Unsere Pächterinnen aus dem Linthal und deren Angestellten empfangen die Gäste mit einem markanten Glarner Dialekt und legen grossen Wert darauf, dass dieser auch zur Geltung kommt», sagt Steiger. So ist die Sprache der Speisekarte nicht nur in Deutsch, sondern in Glarner Mundart geschrieben. Dadurch soll die Verwurzelung mit der Region und mit den regionalen Produkten der einheimischen Bauern erlebbar werden. «Wir wollen dem Gast etwas weitergeben und zeigen, was das Glarnerland zu bieten hat», so Steiger. Das zeigt sich auch beim Essen: Auf der Karte findet sich neben einem kalten Plättli mit Käse und Fleisch von umliegenden Alpen auch ein Fondue aus der Region.

Bekanntheit steigern

Der Erfolg gibt dem Kollektiv recht. Das Berghaus ist insbesondere an den Wochenenden sehr gut besucht und unter der Woche beliebt. Als Gäste kommen vor allem Bergfreunde, welche die Schönheit der Glarner Alpen erleben wollen. «Seit dem 3. Platz beim internationalen Architekturpreis Constructive Alps 2020, der nachhaltiges Bauen in Bergregionen auszeichnet, besuchen uns zudem immer mehr Freunde der Architektur», stellt Steiger fest.

Mit der Auszeichnung «Historisches Hotel des Jahres» erhofft sich Marion Steiger nun eine Steigerung der Bekanntheit des historischen Gebäudes. «Es wäre schön, wenn das Ortstockhaus in der gesamten Schweiz bekannter wird und noch mehr Menschen anzieht, die sich an historischen Bauten und der regionalen Philosophie erfreuen.»