Ein kleines Bergdorf im Südtessin wird zum Hotel

Redaktion – 16. Juni 2021
Am südlichsten Zipfel des Tessins erfindet sich ein Bergdorf mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe neu. Scudellate, am Fuss des Monte Generoso, wandelt sich zu einem ungewöhnlichen Hotel um.

Zuhinterst im Valle Muggio eröffnet in Scudellate am 22. Juni 2021 ein spezielles Hotel: Ein «Albergo diffuso», auf Deutsch «verstreutes Hotel». Es ist das erste dieser Art im Tessin, wie es in einer Mitteilung von heute Mittwoch heisst. Das bereits bestehende Dorfrestaurant wurde komplett renoviert und fungiert neu als Rezeption, Speisesaal und Mini-Hotel. Ein ehemaliges Schulhaus gleich gegenüber wurde zum Gästehaus mit vier Mehrbettzimmern umgebaut und in der Nähe entsteht ein etwas gehobeneres Bed&Breakfast, das nächstes Jahr eröffnen wird. So können bis zu 30 Gäste im Dorf übernachten, später gar gegen 50. Für das Bergdorf, das kaum noch 20 ganzjährige Bewohner zählt, bedeutet die Eröffnung des Albergo diffuso eine komplette Neuausrichtung.

Grosse Herausforderung

Das Projekt ist auch für die Schweizer Berghilfe nicht alltäglich. «Ich wurde von der Geschäftsstelle vorgewarnt, dass da ein grosses Projekt käme», erinnert sich der fürs Tessin zuständige Berghilfe-Experte Aurelio Casanova. Er selbst wohnt zwar im Kanton Graubünden, spricht aber fliessend Italienisch. Zur Berghilfe kam er vor drei Jahren, kurz nach seiner Pensionierung als Ingenieur und Geometer. Casanova ist einer von aktuell 32 ehrenamtlichen Experten und Expertinnen, die jedes Projekt vor Ort im Berggebiet prüfen. So kann die Berghilfe pro Jahr 500 bis 600 Projekte mit über 30 Millionen Franken Spendengelder unterstützen.

Leben ins Dorf zurückbringen

Den Anstoss zum Albergo diffuso hatte Oscar Piffaretti gegeben. Seine Eltern führten das Dorfrestaurant in zweiter Generation. Doch sie und das Gebäude wurden langsam alt. «Aber ich konnte mir nicht vorstellen, das Restaurant einfach aufzugeben», sagt er, «der Ort ist zu schön. Es ist meine Heimat». Doch der Betrieb alleine hätte wenig Überlebenschancen gehabt. Es fehlten zusätzliche Übernachtungsmöglichkeiten. Im ehemaligen, zu einem Lagerhaus umgebauten Schulhaus sah Piffaretti eine Chance. Zusammen mit seinem Arbeitskollegen Claudio Zanini gründete er die Stiftung «Fondazione per la salvaguardia dell'alta Valle di Muggio». Diese erhielt das Baurecht für das Schulhaus und liess es zu einem Gästehaus umbauen. Zudem wird ein paar Häuser weiter ein Gebäude in ein Bed&Breakfast umgebaut.

Projekt schafft wichtige Arbeitsplätze

«Wir wissen aus Erfahrung, dass der Tourismus ein guter Weg ist, um Wertschöpfung in abgelegene Gebiete zu bringen», sagt Casanova. «Zentral dabei ist, dass
Übernachtungen generiert werden können.» Ziel der Stiftung Schweizer Berghilfe ist es, langfristig belebte Berggebiete zu haben. Das geht aber nur, wenn die Menschen in den Bergen ein Auskommen finden. Mit dem speziellen, zukunftsfähigen Projekt Albergo diffuso in Scudellate werden mindestens vier dringend benötigte Arbeitsplätze geschaffen.