Das intelligente Abfallbehältersystem des Zürcher Startups Kitro SA öffnete dem Gstaader Luxushotel Alpina die Augen. Hoteldirektor Tim Weiland (40), seit dem 1. November 2018 im Saanenland, erklärt: «Wir realisierten, wie viel Brot wir weggeworfen hatten und entschieden uns deshalb, einen Bäcker anzustellen, statt jeweils extern Brot vorzubestellen. So konnten wir unseren Lebensmittelabfall reduzieren.» Die Frage blieb trotzdem: Wie kann das Hotel überzähliges Brot verwerten? Die Idee der «Zero Waste Pasta» entstand, die nach dem Rezept von Sternekoch Martin Göschel (49) aus 400 Gramm Hartweizenmehl (Typ 00), 600 Gramm vom Vortag getrocknetem Ruchbrot (Resten), drei Eiern und 380 Gramm Wasser hergestellt wird. Im Hotel werden die hausgemachten Casarecce mit Tomaten, Buffalo Burrata, Basilikum, Taggiasca-Oliven und Pinienkernen perfekt al dente zubereitet und kosten in der Alpina Lounge & Bar, eines von vier Alpina-Restaurants, 34 Franken. «Viele Gäste liessen sich von unseren Workshops inspirieren und kochten das Gericht zuhause nach», sagt Weiland. Und genau darum geht es dem Hotel mit diesen Nachhaltigkeitsoffensiven: Sie sollen unter den Kunden – darunter viele einflussreiche Manager und Unternehmer – sowie den 150 Mitarbeitenden für ein Bewusstsein sorgen.
Pasta aus altem Brot als Renner
Diese Pasta, letzten Sommer eingeführt, entwickelt sich unter den Gästen zum Renner. «Die Gäste lieben sie», sagt Spitzenkoch Göschel. Richtig Erfolg hat diese aber erst, seit sie auf der Menükarte speziell hervorgehoben wird. Die Casarecce, wie kleine Schriftrollen um sich selbst gewickelt, haben nun Zuwachs erhalten: die Zero Waste Pizza. Dazu Göschel: «Mit meinem Team haben wir schon lange an einem Sauer- und Pizzateig-Rezept gearbeitet. Über diesen Prozess sind wir auf unser geriebenes Brotmehl gestossen, welches vom Sauerteigbrot stammt. So ist schliesslich ein sehr guter und säuerlich schmeckender Pizzateig entstanden.» Der mit 18 GaultMillau-Punkten und einem Michelinstern dekorierte Mannheimer Spitzenkoch verspricht, der Pizzateig gehöre zu den Besten von Gstaad. Die Pizza wird mit Sommertrüffel, Gstaader Bergkäse von Ueli Bachs Hof, Sauerrahm und Schnittlauch veredelt. Der Preis: 250 Franken! 200 Franken fliessen in das Projekt Smiling Gecko von Hannes Schmid, der Kinder und Familien in Kambodscha unterstützt, das besonders unter der Pandemie leidet.
Die spezielle Pasta wird aus altem Brot hergestellt. (Bild: GastroJournal)
Inzwischen wird im diskret-modernen Hotel mit nur 56 Zimmern und Suiten auch der eigene Alpina-Honig bei allerdings maximal jährlich 150 Kilogramm produziert. Und Göschel möchte Molke, vielerorts nur ein Abfallprodukt, in der Küche verarbeiten. «Daraus werden wir nach mehreren Tests etwas machen. Was es ist, verrate ich noch nicht.»
Eine andere Massnahme ist bereits umgesetzt: Martin Göschel hat die Vakuumiermaschine in den Keller verbannt und arbeitet seit rund einem Jahr mit einer in Portugal produzierten und kompostierbaren Folie. «So können wir Klarsichtfolien im dreistelligen Kilobereich einsparen.» Er bewahrt Lebensmittel neu in Mehrwegdosen aus Metall auf und kann diese luftdicht verschliessen. Interne und externe Hygienekontrollen hätten dieser Innovation ein gutes Zeugnis ausgestellt. Inzwischen könne der Betrieb durch die neuartige Folie auch Geld sparen, doch der Hauptgrund für die Veränderung sei der Beitrag für eine nachhaltigere Welt. Gerade die jungen Mitarbeitenden stünden begeistert hinter dieser Offensive. Eine solche Aktion helfe, Angestellte ans Haus zu binden, glaubt Göschel.
Nachhaltigkeit beschränkt sich im Alpina nicht nur auf die Gastronomie. Zwei Beispiele: Die Finken, die für einen der grössten Abfallberge in einem Hotel sorgen, bestehen meist aus einer Plastiksohle und werden im Schnitt mehr als einmal pro Nacht benötigt. Deshalb hat das Hotel eigene «Sleepers» aus 100 Prozent Schurwolle eingeführt, die laut Direktor Weiland das zehnfache des bisherigen Modells kosten, aber eben auch zu einem grüneren Planeten beitragen. Die Kosmetiklinie Acqua di Parma mit ihren Plastikbehältern wurde durch Duschmittel von Pure Herbs ersetzt, die in eigenen Behältern abgefüllt werden.
«Luxus stand immer für Verschleiss, Verschwendung und Übermass. Mit diesen Initiativen zeigen wir, dass es auch anders geht», betont der Deutsche, der in Haiti, Nairobi und Kapstadt aufgewachsen ist. Mitverantwortlich für dieses Gedankengut sind Marcel Bach und Jean-Claude Mimran, die Besitzer des Fünfsternehotels.
Einen ausführlichen Bericht über News aus dem Gstaader Hotel publiziert das GastroJournal am 5. August 2021.