«Wir müssen Leidenschaft für die Berufe wecken»

Oliver Borner – 11. November 2021
Mit der Teilnahme an «rockyourfuture.ch» will das Hotel Schweizerhof in Luzern Jugendlichen die Gastro- und Hotellerieberufe schmackhaft machen. So soll nicht zuletzt das Nachwuchsproblem der Branche angegangen werden.

Ein Blick in die Statistik zeigt: Das Interesse an Berufen in der Gastronomie- und Hotelleriebranche ist in den letzten Jahren stetig zurückgegangen. Alleine in der Gastronomie blieben im Sommer dieses Jahres 1500 bis 1700 Lehrstellen unbesetzt, wie Urs Masshart, Geschäftsleiter der Hotel&Gastro Union, bereits im August gegenüber dem GastroJournal sagte.

Ein neuer Event für die Berufsbildung

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, haben die beiden grossen Branchenverbände GastroSuisse und HotellerieSuisse für diesen Herbst die Kampagne «rockyourfuture.ch» ins Leben gerufen. Dabei erhalten Jugendliche an insgesamt sechs Tagen die Möglichkeit, die Berufe der Gastronomie- und der Hotelleriebranche kennenzulernen. In den vergangenen drei Wochen öffneten zahlreiche Betriebe in der gesamten Schweiz ihre Tore, um dem jungen, potenziellen Nachwuchs einen Einblick in den Berufsalltag zu ermöglichen.

Unter den insgesamt 150 Betrieben ist auch das Fünfsternehotel Schweizerhof in der Stadt Luzern. «Die Förderung des Nachwuchses ist für unser Haus eminent wichtig», sagt Cécile Iten, Mitglied der Geschäftsleitung und Verantwortliche für die Durchführung des Anlasses. Der Betrieb engagiert sich seit Jahren aktiv für die Anwerbung von neuen Lernenden für die Gastronomie- und Hotelleriebranche. «Wir gehen auf Schulklassen zu und ermöglichen ihnen immer wieder Führungen durch unser Hotel», führt Iten aus. Daneben bietet das Fünfsternehaus den Schülerinnen und Schülern Hilfe bei Bewerbungen und mehrmals im Jahr Schnupperstellen an, die auch regelmässig genutzt werden. «Es war für uns daher keine Frage, an diesem Anlass mitzumachen», so Iten weiter. Die Veranstaltung sei neben der Zentralschweizer Bildungsmesse Zebi, die jedes Jahr im November stattfindet, wichtig für die Berufsbildung.

 

Attraktivität muss gesteigert werden

Die Bedeutung drang offensichtlich zu den Nachwuchskräften durch. So fanden sich vergangene Woche insgesamt 14 Jugendliche aus der Deutschschweiz ein, um einen Blick hinter die Kulissen des prestigeträchtigen Hauses zu werfen. Das grosse Interesse kam für die Verantwortlichen etwas unerwartet. «Wir hatten zwar damit gerechnet, dass einige Jugendliche unserem Angebot folgen werden, allerdings waren wir überrascht, dass sich so viele Jugendliche für den Anlass angemeldet haben», gesteht Iten.

Auf dem Programm steht für die Jugendlichen neben einer Hotelführung, welche an diesem Tag unter anderem einen Einblick in die Küche gewährt, ein umfassender Informationsaustausch mit Berufstätigen der Branche. Die Jugendlichen erhalten Informationen zu den vier Berufen, die im Hotel Schweizerhof Luzern als Ausbildung angeboten werden, und können im Betrieb direkt Fragen zur jeweiligen Berufsgruppe stellen. Daneben geben die Lernenden den Interessenten Tipps und Tricks für ihre Bewerbung und Eindrücke aus ihrem Berufsalltag. Dazu gehört ein kurzer praktischer Teil, wo die Jugendlichen zusammen mit Restaurationsfachfrauen in Ausbildung einen Tisch für sechs Gäste decken und die wichtigsten Handgriffe und Utensilien kennenlernen.

Das Engagement hat für das Hotel Schweizerhof Luzern einen simplen Hintergrund: «Es ist uns wichtig, dass wir an diesem Anlass die Leidenschaft und die Vielfältigkeit der Branche hervorheben», sagt Iten. Dies sei insbesondere für die Berufe der Branche, welche die grössten Nachwuchsprobleme haben, zentral. Dazu zählen die Ausbildungen zur Köchin/zum Koch oder zur/zum Restaurationsfachfrau respektive -mann. «Hier stellen wir seit Jahren einen Rückgang des Interesses fest», sagt Iten. Das hänge allerdings weniger mit dem Beruf an sich, sondern vielmehr mit den Umständen drum herum zusammen. So hätten die beiden Branchen mit teilweise unattraktiven und unregelmässigen Arbeitszeiten strukturelle Probleme, die sich nur schwer lösen liessen. Auch im Hotel Schweizerhof Luzern ist für den kommenden Sommer noch eine Lehrstelle als Köchin/Koch frei.

Mehrwerte näherbringen, der erste Eindruck zählt

Daher braucht es neben der Initiative der Branche für die Jugendlichen auch das Überzeugungsvermögen der einzelnen Betriebe. «Man muss als Betrieb den Jugendlichen den Mehrwert dieser Berufe näherbringen», ist Iten überzeugt. Dieser Mehrwert umfasse nicht nur die vielen Freundschaften, die innerhalb der Branchen entstehen und ein Leben lang halten, sondern auch den stetigen Austausch mit den Gästen und das Kennenlernen neuer Kulturen und Bräuche. Der erste Eindruck, den man den Jugendlichen an den Bildungstagen vermittelt, sei enorm wichtig. «Man muss kurz und pointiert sein und die Jugendlichen gleich mit dem ersten Eindruck packen», verrät Iten. Nur so könne man Emotionen wecken und den einen oder anderen zu einer Lehre in der Branche motivieren.

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Eine Restaurationsfachfrau zeigt den Jugendlichen, wie im Hotel Schweizerhof ein Tisch gedeckt wird. (Bild: Daniel Winkler)

20 Prozent kommen zum Schnuppern

Das Hotel Schweizerhof geht selbst mit gutem Beispiel voran. Pro Jahr bildet der Betrieb sieben Lernende aus. Darunter je zwei im Bereich Koch/Köchin, Restaurationsfachfrau/-mann, Hotelfachfrau/-mann und jeweils eine Lernende oder einen Lernenden im Bereich Hotelkommunikation. «Mehr Lernende können wir aufgrund der anspruchsvollen Ausbildungen und der dazugehörenden Betreuung nicht aufnehmen» sagt Iten. Insbesondere im Bereich der Hotelkommunikation, wo die Lernenden unter anderem in den Bereichen Küche, Hauswirtschaft und Service ausgebildet werden, wird nur eine Lehrstelle pro Jahr angeboten.

Das Interesse für diese Ausbildung ist um einiges grösser als für alle anderen angebotenen Branchenberufe. Das zeigt sich auch bei «rockyourfuture.ch». Von den insgesamt 14 Jugendlichen können sich mehr als drei Viertel eine Lehre in der Hotelkommunikation vorstellen. Ob sich letztlich dann auch wirklich alle für diese Berufsrichtung entscheiden, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. «Aus unserer Erfahrung melden sich etwa 20 Prozent all derer, die einen Bildungstag bei uns besucht haben, für eine Schnupperlehre an», sagt Cécile Iten. Diese dauert im Hotel Schweizerhof, anders als bei vielen anderen Betrieben, insgesamt fünf Tage. «Die meisten Jugendlichen brauchen Zeit, um überhaupt von einer Schnupperlehre zu profitieren», so Iten. Das Hotel will den Interessierten in den fünf Tagen einen möglichst authentischen Einblick in die jeweiligen Berufsgruppen bieten und ihnen die Chance geben, so viel wie möglich aufzusaugen. Erst dann steige die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand für eine Lehre im Gastgewerbe entscheidet. Dabei ist jede Bewerbung für eine Lehrstelle auch für die Betriebe Gold wert. «Wenn nur schon ein Bruchteil der 20 Prozent Schnupperlernenden eine Lehre in der Branche beginnt, ist das bereits ein Erfolg», sagt Iten.

 

Positives Fazit – auch bei den Initianten

Vor diesem Hintergrund zieht der Hotel Schweizerhof Luzern ein positives Fazit zur ersten Ausgabe von «rockyourfuture.ch». «Das Angebot ist generell auf sehr grosses Interesse gestossen, was uns sehr freut», bilanziert Iten. Man will in den kommenden Wochen eine Bilanz ziehen und mit Blick auf die Zukunft mögliche Änderungen im Angebot ausarbeiten. «Das kann beispielsweise ein Ausbau im praktischen Bereich oder generell eine Verlängerung des Angebots auf zwei oder drei Tage sein», sagt Iten. Auch eine komplette Neuausrichtung schliesst sie nicht aus. So oder so werde es im Hotel Schweizerhof Luzern in den nächsten Jahren im Rahmen von «rockyour future.ch» weiterhin ein Angebot für Jugendliche geben.

Bei den Teilnehmenden kam der Bildungstag gut an. «Mir persönlich haben der Rundgang durch das Haus und die Einblicke in die einzelnen Berufsgruppen sehr gefallen», sagt Livia Isenegger, die sich für eine Lehre als Hotelkommunikationsfachfrau interessiert. Das freut nicht zuletzt die Initianten von GastroSuisse und HotellerieSuisse. «Dieses Feedback deckt sich mit den Eindrücken, die wir aus den Betrieben und von den Jugendlichen selbst erhalten haben», sagt Elian Schmid von HotellerieSuisse. Ihr Fazit fällt positiv aus. «Wir sind grundsätzlich zufrieden mit der Umsetzung und dem Feedback zur ersten Ausgabe des Events». Das Ziel sei es gewesen, gegen aussen zu zeigen, dass die Branche nach monatelangem Stillstand für ihre Mitglieder und für den Nachwuchs da ist und sie nicht im Stich lässt. «Dieses Ziel haben wir erreicht», so Schmid.

Dennoch sehen die Initianten für die nächsten Jahre Verbesserungspotenzial für den Event. So gab es in einzelnen Betrieben erstaunlicherweise nur sehr wenige oder teilweise gar keine Anmeldungen. «Wir haben vor dem Event tatsächlich mit mehr Anmeldungen gerechnet», gesteht Schmid von HotellerieSuisse. Der Verband war davon ausgegangen, dass sich mehr Schulklassen und weniger Einzelpersonen für den Event anmelden würden. Dass es nun gegenteilig herausgekommen ist, sei eine wichtige Lehre für die künftigen Anlässe. In diesem Zusammenhang müsse unter Umständen über eine Anpassung der Daten diskutiert werden. «Wir müssen eingestehen, dass die Daten in diesem Jahr nicht optimal gewählt waren», sagt Schmid. Für die Zukunft ziehen die Verbände daher eine Verschiebung der Bildungstage auf zwei Wochenende in Betracht.

Erfolg mit rund 400 Jugendlichen

Dem pflichtet Richard Decurtins, Leiter Nachwuchsmarketing bei GastroSuisse, bei. Er gibt aber zu bedenken, dass parallel noch viele andere Berufswahlveranstaltungen stattfinden und die Zahl der Anmeldungen mit Vorsicht zu beurteilen sei. «Viele Jugendliche haben pro Jahr nur eine sehr kleine Anzahl an Berufsbildungs- oder Schnuppertagen zur Verfügung und müssen sich deshalb genau überlegen, welche Veranstaltungen sie besuchen», sagt Decurtins. Dass sich unter diesen Umständen immer noch rund 400 Jugendliche angemeldet haben, sei daher als Erfolg anzusehen. Es zeigt, dass das Interesse für die Berufe der Gastronomie und der Hotellerie nach wie vor vorhanden ist.


Die nächste Ausgabe von «rockyourfuture.ch» findet voraussichtlich im Frühling 2022 statt. An welchem Datum, ist noch nicht definiert.