Restaurantführer gibt es in der Schweiz wie Sand am Meer in Italien. Wer sich nun die Frage stellt, weshalb Martin Jenni seit 2018 auch noch jedes Jahr einen Guide publizieren muss, demjenigen oder derjenigen nimmt der Autor gleich selbst jeden Zweifel. «Aufgegabelt ist anders, und nimmt auch nicht mehrheitsfähige, zum Teil schräge oder sehr eigenwillige Adressen auf und entdeckt trotz kleiner Entourage- immer wieder Kleinode im Abseits und weitab vom Mainstream», erklärt Jenni. Seit über 14 Jahren schreibt er Bücher über Beizen, Produzenten und Rückzugsorte, die ihre Gäste wie Freunde behandeln. «Wer das Unkomplizierte und Spezielle sucht und keinen Firlefranz will, wird in meinem Guide fündig», erklärt der Journalist.
Auch in diesem Jahr ist es ihm gelungen, über 800 Adressen im «Aufgegabelt» zu vereinen. Geordnet nach Kantonen werden nicht nur Restaurants, sondern auch Einkaufsorte wie Bäckereien, Metzgereien, Märkte und Hofläden präsentiert. Pro Kanton empfiehlt er ebenso mindestens eine Übernachtungsmöglichkeit.
Verteilt werden keine Punkte
Im Beizen- und Einkaufsführer werden Punkte und Noten vergeblich gesucht. «Ich lobhudele nicht und kritisiere nicht anmassend. Vielmehr erzähle ich Kurzgeschichten erlebter Momentaufnahmen.», so Jenni. Dabei werden die Adressen mit Symbolen gekennzeichnet, welche der Leserschaft einen roten Faden durch den Guide bieten sollen. Um ein vollumfängliches Bild zu erhalten, empfehle es sich daher die Texte zu lesen, damit der Gast weiss, mit was er vor Ort zu rechnen könne. Wenn es bei einem Besuch zu einem negativen Erlebnis kommt, schreibe er nicht darüber und der Betrieb finde in seinem Guide keinen Platz. «Ich muss ja nicht über Restaurants schreiben, die mir nicht gefallen oder bei denen ich nicht zufrieden war.», so Jenni.
Neben dem Gastroexperten werden die Betriebe von einem Arzt, einem Kunsthistoriker, einer Unternehmerin, einer Malerin, einer Informatikerin, einer Grafikerin und Kommunikationsberaterin, einem Musiker, ein paar Köchen, zwei Hoteliers und einer Wirtin bewertet. «Alles Menschen, denen der unverfälschte Genuss am Herzen liegt», führt Jenni aus.
«Wir entwickeln uns ständig weiter und haben für viele, für andere Köche unabdingbare Lebensmittel, tolle Alternativen gefunden.», so das Ehepaar Bianchin. (Bild: zVg)
«Taugt das Brot nichts. Taugt die Beiz nichts.»
Das kunterbunt-gemischte Team folgt bei den Bewertungen keinen fixen Kategorien oder Massstäben, sondern bewertet ganz individuell, was da ist. Es gäbe Beizen im «Aufgegabelt», die würden «nur» ein Gericht anbieten und seien trotzdem ein Erlebnis. Gerade weil sie mit einer einfachen Wurst, feinem Käse oder gutem Brot überzeugen.
Die Beiz des Jahres 2024
Die Beiz des Jahres 2024, das ecluse in Biel BE zeichnet sich ebenfalls mit einer einfachen aber guten Küche aus. «Laura Bianchin (34) und Sandro Bianchin (35) sind bärenstark. Als Gastgeber, in der Teamführung, im Wein- und Speiseangebot. Ihre Gerichte fordern die Geschmacksnerven, aber überfordern sie nicht.», schwärmt Jenni. Das glückliche Sieger-Ehepaar ist sehr froh darüber, dass es einen unabhängigen Beizenführer wie jenen von Jenni gäbe, der aufzeige, wie vielfältig die Schweizer Gastronomie sei. «Wir machen vieles anders und doch ist es uns sehr wichtig, ein kulinarisch wertvolles und inspirierendes Erlebnis zu bieten. Das wir dies schaffen, trotz unserem Konzept mit der Kreislaufwirtschaft, macht uns einzigartig», erklären die beiden Gewinner.
Neben der Beiz des Jahres werden ebenfalls der Newcomer, das Lebenswerk, die etwas andere Beiz, unter einem Dach, der Einkaufskorb und neu die horgenglarus Beiz des Jahres ausgezeichnet.
Jenni stellt in seinem Beizen- und Einkaufsführer Nebenschauplätze vor, die vorwiegend nur regional oder lokal bekannt sind. «Dabei geht es mir nicht immer nur um das perfekte Essen, sondern auch um die Atmosphäre oder um die natürliche Herzlichkeit oder Eigenwilligkeit der Gastgeber.», erklärt Jenni. Der Gastronomie-Experte musste sich im neuen Guide von rund 120 Beizen verabschieden und gleichzeitig sind rund 120 neue Beizen hinzugekommen. Es sei ein Leben und Sterben. Zahlreiche schlechte Beizen gibt es nach wie vor und diverse gute Restaurants haben die Pandemie nicht überlebt, bzw. haben auf Grund von den Nachwehen in den letzten Monaten aufgegeben.