Wie und wo holt man die Generation Z ab?

Corinne Nusskern – 20. April 2023
Welches sind die Wünsche und Ansprüche der Generation Z an die Arbeitswelt? Einer, der weiss, wie die Gen Z tickt, wie sie unterwegs ist und wie man sie gewinnt, ist der 29-jährige Yannick Blättler. Er ist Gründer und Inhaber der Unternehmensberatung Neoviso AG in Kriens bei Luzern.

Als Generation Z gelten alle zwischen 1995 und 2010 geborenen Personen. Was es braucht, um diese junge Zielgruppe zu gewinnen, damit setzt sich Yannick Blättler, Gründer und Inhaber der Unternehmensberatung Neoviso in Kriens LU, seit Jahren auseinander. Unternehmenswerte sind bei der Arbeitgeberwahl elementar. Ein gutes Verhältnis im Team, Selbstverwirklichung sowie Streben nach Sinn und Visionen sind für die Gen Z zentral. Die jungen Generationen sind laut einer Neoviso-Master­umfrage mehrere Stunden am Tag auf Social Media unterwegs – da holt man sie ab. Ihre wichtigsten Kanäle: 96 Prozent nutzen Youtube und Instagram, 80 Prozent Snapchat, 59 Prozent TikTok. Facebook? Ist für diese Generation irrelevant.

Yannick Blättler, jeder und jede hat eine Meinung zur ­Generation Z. Doch wer ist diese überhaupt?
Yannick Blättler: Es ist eine junge, entdeckungsfreudige Generation, die vielleicht genau jene Wünsche und Träume auslebt, die ihnen von ihren Eltern während des Aufwachsens mit dem Ansporn «Mach, was dein Herz sagt», impliziert wurden. Heute fordern sie die Arbeitswelt heraus. Es ist eine gute Generation und nicht die letzte, die unsere Gesellschaft hervorbringt (schmunzelt).

Laut der Neoviso-Masterumfrage 2022 sind diese Menschen täglich drei bis sechs Stunden auf dem Smartphone …
Das Smartphone ist die Fernbedienung ihres Lebens. Während andere Generationen versuchen, diese Welt zu begreifen, lebt die Gen Z diese intuitiv. Sie kommuniziert via Snapchat mit Bild und Video Peer-to-Peer, konsumiert TikTok-Memes und versteht diese kulturelle Implikation sofort. Das Instante, Flexible und Klare nehmen sie aus dieser Welt mit. Es definiert ihre Anforderung für alles andere im Leben. Deshalb fühlt sich für sie vieles im realen Leben ineffizient, langweilig oder zu langsam an. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor – auch für die Arbeitswelt.

Viele Betriebe suchen händeringend nach Lernenden. Wo holt man die aktuelle Generation ab?
Neben gängigen Jobportals und der Lehrstellenplattform Yousty.ch ist die Firmenwebsite der Klassiker, um Infos über die ausgeschriebene Stelle, das Unternehmen und das Team zu erhalten. Aber um die Gen Z auf die Website zu bringen, muss ich erst für Aufmerksamkeit sorgen. Die erhalte ich via soziale Medien, indem ich auf Instagram, Snapchat oder TikTok regelmässig etwas poste oder Werbeanzeigen schalte. Wichtig ist es, als Unternehmen sichtbar zu sein. Eine coole und extrem hilfreiche Art ist es, eigene Mitarbeitende auf Social Media verfügbare Jobs posten zu lassen. So erreicht man eine enorme Breite an Leuten, denn jeder Mitarbeitende hat sein eigenes Netzwerk und jeder von dem wieder sein eigenes.

Und wie bringt man sie dazu, sich auch zu bewerben?
Texte sind okay. Wichtiger sind Fotos, Video und multimediale Themen. Am liebsten schaut sich die Gen Z Inhalte in Form von Videos (79 Prozent) und Bildern (68 Prozent) an. Ohne bewegte Bilder erreicht man die Gen Z kaum. Mit einem Video wird der Vibe eines Unternehmens transportiert. Das kommt an. Dieses muss nicht megaprofessionell sein, das Storytelling muss passen und ganz wichtig: Authentizität. Hochglanzpoliertes Zeugs funktioniert nur noch beschränkt. Es muss von Jungen kommen, damit es für Junge funktioniert. Simpel gesagt: So wie ich ein Airbnb buche, so muss es sich anfühlen, wenn ich mich für einen Job bewerbe.

Welche Rolle spielen dabei Eltern und Freunde?
Eltern sind sehr wichtig und reden bei der Wahl des Berufs- oder der Branchenwahl stark mit, aber selten bei der Wahl des Betriebs. Bei Freunden ist es entscheidend, dass die Lehre von ihnen respektiert wird. In dieser Altersphase sind Respekt und Ansehen elementar.

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Yannick Blättler: «Wir alle sind einzelne Individuen mit eigenen Bedürfnissen bezüglich Arbeitsleben. Für die Gen Z funktioniert vieles stärker auf der menschlichen Ebene als auf der finanziellen.» (Foto: Daniel Winkler)

Wie begeistert man die Gen Z spezifisch für die Gastrobranche – wie lässt sich das Berufsbild attraktiver vermarkten?
Man muss viel öfter Geschichten erzählen, was im Hintergrund des Betriebs abläuft. Und zwar nicht in Form eines 125-seitigen Buchs über die Gastronomie (lacht), sondern mit 20-sekündigen TikTok-Videos. Viele sagen, die Jungen lesen kei­­ne Magazine. Falsch, sie lesen – ihr Magazin heisst Insta­gram! Man kann die digitale auch mit der Printwelt kombinieren. Ein Beispiel: Wie würden etwa die einzelnen Artikel des GastroJournals in TikTok-Form aussehen? Man könnte zu jedem Ar­tikel seriöse TikTok-Videos als Teaser machen. Kommen die­se an, ist die Chance gross, dass auch der Artikel gelesen wird.

Welche Rolle spielen Fringe Benefits, welche sind gefragt?
Fringe Benefits sind cool für die Rekrutierung. Sie kommen aber eher nach der Lehre zum Tragen. Erst dann nehmen die Jungen richtig wahr, was sie bedeuten. Was ankommt: eine 30-Franken-Beteiligung am Handyabo, Weiterbildung, re­gel­mässige Teamevents oder ab und zu eine Runde zahlen. Ich rate allen Führungskräften, ihre Benefits zu überprüfen.
Sie sind vielleicht für 40-Jährige okay, aber fragt mal die 20-Jährigen!

Rund 30 Prozent der Lehren in der Gastronomie wer­den abgebrochen. Wie könnte man da Gegensteuer geben?
Es gibt vier Faktoren, die megawichtig sind: Anerkennung, Flexibilität, eine vielversprechende Zukunft und eine nahbare Führung. Fehlt einer dieser Punkte, ist die Chance grösser, dass jemand die Lehre abbricht. Nahbare Führung bedeutet auch, psychologische Sicherheit zu geben, Probleme anzusprechen. Zu überprüfen, ob das Tempo für die Lernenden genug schnell oder zu langsam ist. Im ersten Lehrjahr sind zu Beginn viele überfordert. Da sollte man das Tempo erst drosseln und danach wieder anziehen.

47 Prozent der Gen Z sorgen sich um ihre mentale, 28 Pro­zent um ihre körperliche Gesundheit. Woher kommen diese krassen Zahlen?
Dies ist einerseits auf die ständige Erreichbarkeit zurückzuführen, dabei aber nicht permanent reagieren zu wollen, sowie darauf, die vielen Einflüsse, Angebote und Informationen verarbeiten zu müssen. Andererseits sorgen sich viele um die Arbeitsbelastung. Darüber muss man reden, proaktiv Strategien vermitteln, wie sie sich anders organisieren können. Resilienz und Selbstmanagement sind grosse Themen. Die Jungen haben heute megaviele Möglichkeiten, parallel dazu aber einen hohen Leistungsdruck. Es ist ein Trugschluss, da einfach weniger zu arbeiten, das Handling der Arbeit ist viel wichtiger!

Wo können Berufsbildende oder Vorgesetzte da ansetzen?
Indem sie psychologische Sicherheit bieten, proaktiv fragen, wie es geht. Und den Lernenden und jungen Mitarbeitenden nahelegen, sich zu melden, wenn etwas nicht gut ist. Man kann dazu Tools wie die Moodtalk-Software einsetzen. Die Mitarbeitenden füllen dort kurze Umfragen aus, die man nachher real bespricht. Führungspersonen sind heute stärker gefordert als früher, das Verständnis hat sich vom hierarchischen hin zum emotionellen Führen, Coaching und Support verändert.

Ist diese Generation Z wirklich so anders – und fühlen sie sich selbst auch anders?
Die meisten würden sagen, sie seien anders und tickten anders als ältere Generationen. Ich glaube eher, es ist ein anderer Kontext. Vieles bleibt sich gleich, und jene Dinge, die anders sind, denen sollte man sich bewusst sein. Der aktuelle Arbeitsmarkt spielt den Jungen in die Hände, und sie nutzen ihn, um ihre Träume auszuleben. Diese Schnelligkeit und das Ungeduldige im Kopf: In diesem Bereich müssen sich die Bildung wie auch die Unternehmen anpassen. Man denke nur an ChatGPT und künstliche Intelligenz, da werden wir uns in Zukunft ganz neue Fragen stellen müssen.

Können wir nicht alle von der Gen Z viel lernen, um verkrustete Strukturen grundsätzlich zu überdenken?
Beide können voneinander lernen, «Closing the gap between generations» ist unsere Firmenmission. Ich wünsche mir, dass Ältere für Neues offen sind, sich einlassen. Spannend wäre es zum Beispiel, die Vermarktung des Restaurants jungen Mitarbeitenden in die Hände zu geben, sie machen zu lassen und dabei nur die Leitplanken vorzugeben. Auch die Gen Z liebt coole Gastroerlebnisse. Sie erzählen, vermitteln und vermarkten diese jedoch digital. Da ist die Branche oft zu wenig innovativ, sei es, um mehr Gäste zu gewinnen oder um die Leute in die Branche zu holen.

Die Babyboomer gehen langsam in Pension, und damit bis zu 20 Prozent der Arbeitnehmenden. Eine gute Ausgangslage für die Gen Z. Wie sieht die Arbeitswelt in Zukunft aus?
Es wird sich einiges ändern! Die Gen Z bringt mehr Spass in die Arbeitswelt, die noch stärker technologisiert wird. Sie arbeitet explorativ und probiert schnell neue Sachen aus. Es wird wahrscheinlich auch weniger gearbeitet. Nicht weil sie faul sind, sondern weil sie weniger arbeiten können. Am Ende spielt der Wettbewerb, weniger Leute heisst weniger Ressourcen. Jedes Unternehmen, jeder Arbeitgeber muss sich überlegen, wie er attraktiv bleibt. Gewisse Restaurants werden schliessen müssen. Es lohnt sich, auf das «Employer Branding» (Arbeitgebermarkenbildung, Anmerkung der Redaktion) zu achten, die Art der Rekrutierung sowie die Kultur im Betrieb, damit man gut aufgestellt ist und ein gutes Team hat. Dann findet man auch genügend gute Leute in der Zukunft.

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Quelle: Neoviso, Kriens