Gastronomie

Wenn ein Teller in den Gastraum schwebt

Corinne Nusskern – 14. November 2021
Bewegte Inhalte sorgen auf einer Website stets für mehr Traffic. Das neuste Tool ­dafür: Drohnenfilme – dynamische, auf den Betrieb und seine Ausrichtung abgestimmte Kurzvideos.

Der Blick geht steil an der Fassade hoch, schweift durch das Fenster des Zürcher Restaurants Kronenhalle direkt in die Küche, fokussiert auf ein Bataillon Kupferpfännchen vor hantierenden Köchen, schwenkt dann rasant zu den Fleischstücken auf der Grillplatte und endet nach diversen Zwischenstationen beim Chef am Pass. 40 Sekunden Dynamik ohne einen einzigen Schnitt, gefilmt mit einer eine GoPro-Kamera, die auf einer 20 mal 20 Zentimeter kleinen Drohne sitzt, lediglich 230 Gramm schwer.

Umgesetzt haben den Imagefilm die drei jungen Männer von House of Drones in Zürich. Moritz Werfeli (28) ist Schweizer Meister im Drohnenfliegen, Koch und Absolvent der Hotelfachschule Belvoirpark, Robin Schibli (26) Informatiker und Drohnentechniker und Laurin Göller (26) Drohnen-Ingenieur mit Elektrotechnikstudium. Er hat die Drohne gebaut. «Sie zeigt die Sicht einer Biene, die durch die Küche fliegt», erklärt Göller. «Klassische Filmteams können dies nicht. Nicht mal, wenn sie für das schnelle Gleiten aufwändig Schienen legen würden.» Die Drohne filmt da, wo sonst keine Kamera hinkommt. Auch den Wechsel von aussen nach innen ohne einen Schnitt (One-Shot) schafft nur die Drohne.

 Mit dieser Art von Filmtechnik erschliessen sich für Gastronomen völlig neue Möglichkeiten: etwa um ihre Website aufzupeppen oder die Social-Media-Ka­näle zu füttern. «Man kann erst von oben über den Betrieb gleiten, dann von aussen hinein oder vice versa fliegen», erklärt Göller. «Der Koch macht einen coolen Move? Das kann man locker mitnehmen!» Oder die Kamera fokussiert auf den Teller, während ihn der Kellner von der Küche in den Gastraum trägt.» Der Durchschnittspreis für einen solchen Drohnenfilm liegt bei 2000 Franken.

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Von der Drohne gefilmt: Action am Pass (Screenshot)..

In anderthalb Stunden abgedreht

Es funktioniert vom Buurestübli bis zum Gourmetrestaurant. Gefährlich ist der Drohnenflug dank selbst gebautem Propellerschutz nicht, so kommen weder Umwelt noch Drohne zu Schaden. Zudem wird niemand von der Arbeit abgehalten, der Film ist in knapp anderthalb Stunden abgedreht. Sollen im Film Gäste zu sehen sein, rät Göller wegen des Datenschutzes zu Showgästen. Die Drohnen-Crew bespricht vor Ort das inhaltliche Konzept, macht einen Probelauf, wer wo stehen oder gehen soll, der zweite Durchlauf wird bereits gefilmt. Ein dritter Durchlauf folgt manuell mit einer GoPro für den Ton, um Tellergeklapper oder Küchengeräusche aufzunehmen, die hinterher zur Musik unterlegt werden.

Danach wird der Film stabilisiert, Ge­schwindigkeiten werden angepasst. Nach etwa einer Woche ist der Film fertig. «Im Notfall auch in drei Tagen», sagt der Drohnen-Ingenieur. Dies passiert in ihrer Garagenwerkstatt. Etwa 15 flugfertige Drohnen hängen an den Wänden, alle von ihm programmiert und gebaut. Auf dem Tisch liegt ein Schraubenzieher. Im Hintergrund zischeln drei 3D-Drucker, die diverse Teile für die Drohnen drucken.

 

QR Code V2

Schauen Sie das ­Drohnen-­Video vom ­Restaurant Belvoirpark Zürich an. Scannen Sie dazu den ­QR-Code.

Wie kam Göller, der aus Rheinheim (D) an der Schweizer Grenze stammt und ab 2010 in Seedorf UR aufwuchs, auf die Drohne? «Ich habe für die Maturaarbeit meine erste Drohne gebaut. Es gab damals nur einen Programmiercode, der die Drohne steuert. Alles drum herum musste ich aus Modellbaukomponenten zusammenbasteln. Ab da war ich voll infiziert, und als noch das Filmen dazu kam, gab es keinen Weg zurück.»

Die Kronenhalle war Anfang 2020 ihr erster Auftragsgastrofilm. Es folgten das Hotel Lenkerhof in Lenk BE, das Hotel des Balances in Luzern, das Restaurant Noah in Zuchwil SO und zuletzt das Restaurant Belvoirpark in Zürich im Sommer 2020 (siehe QR-Code). Neben diesen drehte House of Drones auch Werbefilme. Technisch ganz vorne mit dabei sind sie mit ihren Livedrohnen für Auto- und Motorsport, die direkt ins TV-Studio übertragen.

 

Laurin Goeller

Drohnen-Ingenieur Laurin Göller: «Diese kleine Drohne gilt offiziell als Spielzeug und ist ideal für Indoor-Filme – oder um von draussen nach innen zu fliegen.»

Ihre selbst designten und produzierten Drohnen verkaufen sie auch, doch die Handhabung sowie das Bedienen via First Person View, bei der man mithilfe einer Brille aus der Sicht des Piloten steuert, will geübt sein. Theoretisch erreichen einige Drohnen heute eine Flughöhe von 2000 Metern, gesetzlich erlaubt sind jedoch lediglich 150 Meter.

«Spinnst Du?»

Für die Gastro-Videos gibt es filmisch kaum Grenzen. Nur die Flugzeit und Reichweite sind bei der kleinen Drohne auf drei Minuten limitiert. Göller empfiehlt, einen Film auf eine bis maximal anderthalb Minuten zu begrenzen: «Ist er zu lang, klicken die Leute weg. Auf einer Website muss er auch nicht zwingend bildschirmfüllend sein, er kann genauso gut im Slider laufen.»

Drohnen haben nicht immer den besten Ruf. «Ja und nein», sagt Göller. Leute, die nicht wüssten, dass es möglich sei, mit einer Drohne durch Innenräume zu fliegen und zu filmen, sagen oft zu ihm: «Spinnst Du?» Er lacht. «Bekommt man jedoch Zeit, um es zu erklären, finden es plötzlich alle cool.»

houseofdrones.ch