Gastronomie

Kunsthaus-Bar Zürich: Gastgeber und Bar mit Stil

– 12. November 2021
Weshalb sich ein Blick auf das Konzept des neusten Stadtzürcher Hotspots lohnt: ein durchgehendes Programm von früh bis spät für ein vielfältiges Publikum – eine ambitionierte Angelegenheit. Ein Glück, dass Christian Gujan für die Leitung des Betriebs gewonnen werden konnte.

«Danke – und schön, bist du wieder da», sagt der Herr in der Ecke, als Christian Gujan (42) ihm den Kaffee aufs Tischchen stellt. Der Gast ist ein Schweizer Künstler, dessen Renommee weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Er kennt Gujan von früher. Vielleicht aus dessen Zeit als Gastgeber im Restaurant Mesa oder im Maison Manesse oder im Rigiblick. Den Kaffee am Morgen hat Gujan aber seit seinen Anfängen in der Gastronomie im Café Merz in Chur nicht mehr serviert. Und vielleicht mag der Bündner nicht so berühmt sein wie sein Gast, in der hiesigen Szene kennen und schätzen ihn aber viele Gäste und Berufskollegen als Gastgeber, Weinkenner, Restaurantleiter und Geschäftsführer. Nach einem Zwischenhalt in Luzern, wo er im KKL das Spitzenrestaurant Lucide führte, ist er zurück in seiner Wahlheimat Zürich. Sein neuer Arbeitsort: die vor drei Wochen eröffnete Kunsthaus-Bar im neuen, spektakulären Bau des britischen Architekten David Chipperfield.

Kaffee und Gipfeli am Morgen, ein gesundes, vegetarisches Mittagsangebot, die Bündner Nusstorte von Gujans Schwester am Nachmittag, Apéro-Drinks nach Feierabend, feine Häppchen zum ungezwungenen Dinner, Drinks und hie und da eine Party mit DJ bis in die Nacht hinein. Die Kunsthaus-Bar ist von 7.30 Uhr bis um Mitternacht geöffnet, einzig am Montag ist sie geschlossen. Sie bietet innen Platz für 60, aussen für 20 weitere Gäste. Nächstes Jahr wird auch der Garten bespielt. Ein Marathon-Programm, das sich der Betrieb zumutet. Mit mehreren Menükarten und unterschiedlichem Publikum – je nach Tageszeit. «Mal schauen, wie sich das einpendelt», sagt Gujan mit der ihm eigenen Ruhe und erwähnt, dass ja auch noch Caterings und Events hinzukämen.

Die beste Tortilla weit und breit

Die Gästestruktur ist vielfältig: vom Niederdorf-Bewohner, der seinen morgendlichen Kaffee geniesst, über die Geschäftsleute, die nach einem schnellen Lunch fragen, die Kunsthaus-Besucherin, die ihre Eindrücke bei einem Tortenstück und einem Glas Champagner sacken lässt, bis hin zum urbanen Paar, das den abendlichen Hunger mit Tortilla an Quitten-Gelee und Brokkoli mit Burrata und Jalapeños stillt und dazu ein paar Gläser vom tollen Offenausschank-­Angebot bestellt. Beim Aufbau der Weinkarte genoss Gujan Freiheiten. Dabei berücksichtigte er viele Schweizer Winzer aus unterschiedlichen Regionen.

Für die Speisen zeichnet Federico Viganò (36) verantwortlich. Der Norditaliener darf sich zum ersten Mal als Küchenchef beweisen und tut dies zum Start vorzüglich. Handwerk gepaart mit kreativen Ideen – die schmackhafte, saftige Tortilla etwa dürfte die beste weit und breit sein. Auch sein veganes Haselnuss-eis verblüfft. Wobei: Wer Viganòs frühere Stationen kennt, dürfte nicht überrascht sein, dass schon seine ersten Gerichte überzeugen. Vor seinem Engagement in der Kunsthaus-Bar arbeitete er unter dem 2018 verstorbenen Jahrhundert-Koch Joël Robuchon, dem japanischen Starkoch Nobu Matsuhisa, dem ehemaligen Noma-Souschef Christian Puglisi sowie zuletzt im Zürcher Sternerestaurant Maison Manesse.

Ein glücklicher Zufall für die Wand

Das Maison Manesse gehört wie die Kunsthaus-Bar zur Miteinander GmbH. Das Zürcher Gastro-Unternehmen gewann die Ausschreibung zur Bar gegen zahlreiche Mitbewerber. Anders als in ihren sonstigen Betrieben wie eben im Maison Manesse oder bei von der Miteinander GmbH geführten Veranstaltungen wie dem Illuminarium, dem Rundfunk.fm oder dem Streetfood Festival zeigt das Unternehmen in der Kunsthaus-Bar nicht viel von seinem Flair für die passende Inszenierung. Das ist auch nicht nötig. Für das spektakuläre Interieur waren die Macher des neuen Kunsthaus-Baus zuständig. Meterlanger, dunkelgrüner Samt ziert die Wand hinter der Bar und glänzt tagsüber durch das Licht, das die grossen Fensterscheiben durchdringt. Der fast zwölf Meter lange, helle Tresen aus Krastaler Marmor bietet Kontrast. Moderne Designerlampen hängen von der elf Meter hohen Decke hinunter. Keine Bar in Zürich ist höher. Die Sitzflächen der Barhocker sind im selben Grün bespannt wie die Wände.

Das optische Highlight aber ist das imposante Wandbild neben dem Tresen. Wie es der Zufall wollte, passte Max Ernsts 415 Zentimeter breites und 531 Zentimeter hohes Werk «Pétales et jardin de la nymphe Ancolie» exakt; es füllt die Wand und rundet das Ambiente stimmungsvoll ab: geschwungene Formen, florale und abstrakte Motive in gelben, grünen und roten Tönen auf blauem Hintergrund. Das Gemälde stammt aus vpn 1934 und zierte einst die Wand der Mascotte-Bar am Bellevue. Seit 1965 schlummerte es im Lager des Kunsthauses und wurde nun restauriert.

Wo bleibt das übliche Canapé?

Der Mittagsservice läuft auf Hochtouren. Zur Auswahl stehen ein reichhaltiger Gemüsesalat mit Rucola, Kräutern, Burrata und Nüssen (21 Franken), eine vegetarische Lasagne mit Soja-Bolognese (24.–) sowie ein Buchweizenrisotto mit Wurzelgemüse und Birne (27.–). Für den Aufpreis von 6 Franken gibt es zur Vorspeise einen Wirz-Mais-Fenchelsalat oder eine Kürbis-Chilisuppe. Die Bar ist voll. Jeder frei werdende Tisch ist gleich wieder besetzt.

Der eine oder andere Gast ist überrascht. Wo bleibt das übliche Sandwich, das Canapé, das sich Schweizer Museumsbesucher gewohnt sind? «Unser Service ist gefordert und muss ab und zu eine Frage beantworten», weiss Mischa Dieterich, einer der vier Partner der Miteinander GmbH. «Unser Konzept ist modern – passend zum Haus.» Mit dem Start ist er sehr zufrieden. «Ich bin überrascht, wie viel Kaffee wir den ganzen Tag hindurch servieren. Mir selbst schmeckt das Essen sehr, ich fühle mich in der Bar sehr wohl.»

Und je länger der Tag dauert, umso mehr ist auch Christian Gujan in seinem Element. Er nimmt sich Zeit für seine Gäste, erklärt Gerichte, empfiehlt Wein, sorgt für schöne Momente. Wie früher in den Sterne- und Punkterestaurants. Gastgeber bleibt eben Gastgeber.