Was bedeutet Ihnen der zweite Michelin-Stern?

Reto E. Wild – 12. Oktober 2023
Die Zwillingsbrüder Dominik Sato und Fabio Toffolon gehören zu den grossen Siegern der Michelin-Zeremonie in Lausanne VD: Die 34-jährigen Schaffhauser vom japanischen Restaurant im ­Luxushotel Chedi Andermatt wurden mit einem zweiten Michelin-Stern und dem Titel «Michelin Young Chef» geadelt.

Dominik Sato und Fabio Toffolon (34) sind die erfolgreichsten kochenden Zwillinge der Schweiz. Sato, der 2014 mit der Heirat den Namen seiner Frau, der Patissière Yoshiko Sato, angenommen hat, weil ihr Geschlecht ausgestorben wäre, führte bis Ende April 2023 das Gourmetrestaurant des Congress Hotels Seepark in Thun BE. Er hat einen vierjährigen Sohn (Yuzuki) und eine zehn Monate alte Tochter (Anju). Toffolon ist mit einer Bernerin verheiratet und war bis Ende März 2023 Küchenchef im Restaurant Zum Äusseren Stand in Bern.

Seit Mai 2023 sind «The Twins» für The Japanese Res­taurant im Luxushotel Chedi in Andermatt UR verantwortlich. Der GaultMillau 2024 bewertet das Lokal mit 17 Punkten. Nächstes Jahr dürfte der 18. Punkt folgen. Michelin hat das Restaurant soeben mit zwei Sternen ausgezeichnet. Mit dem Gourmetrestaurant The Japanese by The Chedi Andermatt auf dem Gütsch auf 2344 Meter über Meer betreibt das Hotel das höchstgelegene japanische Restaurant der Welt, um das sich die Zwillingsbrüder ebenfalls kümmern. Es hat neu 16 GaultMillau-Punkte (2023 waren es 15 Punkte) und 1 Michelin-Stern.

Dominik Sato und Fabio Toffolon, der Guide Michelin hat Sie vor einer Woche mit einem zweiten Michelin-Stern ausgezeichnet. Was bedeutet dieser für Sie?
Fabio Toffolon: Wir sind Schweizer aus Schaffhausen und ziemlich cool. Aber letztlich ist es unglaublich, dass wir diesen zweiten Stern erhalten haben.
Dominik Sato: Er macht uns stolz. Damit konnten wir nicht rechnen.
Fabio Toffolon: Als Erstes haben wir die Direktion des Chedi angerufen, die uns in unseren Plänen immer super unterstützt hat.

Sie starteten erst im Mai 2023 im The Chedi Andermatt und arbeiten nun zum ersten Mal über eine längere Zeit gemeinsam in einem Restaurant. Wie ist der Start gelaufen?
Dominik Sato: Super. Die ersten paar Wochen waren mit all den Vorbereitungen und Planungen intensiv. Aber wir haben ein gutes, motiviertes Team.
Fabio Toffolon: Die Kundenkommentare sind mega gut. Die vielen Journalisten und Gourmetkritiker sind durchs Band weg begeistert.

Was machen Sie anders als Ihre Vorgänger?
Fabio Toffolon: Unsere Küche präsentiert sich zeitgemässer, leichter, filigraner und geschmacksintensiver. Wir kochen aufwendiger.

Was haben Sie an der Karte im The Japanese Restaurant konkret angepasst?
Dominik Sato: Unser Vorgänger hat ein modernes Kaiseki-Menü mit gegen 20 Gerichten angeboten. Es hat sich alles sehr gut angehört.
Fabio Toffolon: Doch die Gäste sassen lange vor der Karte und wussten nicht so recht, was sie bestellen sollten.
Dominik Sato: Wir sagten uns, dass wir Kaiseki mit der traditionellen Speisefolge nicht möchten. Für uns musste es ein modernes Omakase-Menü sein. Den Auftakt bilden nun vier Amuse-Bouches, die wir in drei Abläufen servieren. Zur Begrüssung gibt es eine Tomatenessenz, um den Appetit anzuregen, zwei Kleinigkeiten wie Saibling, Kaviar und Shiso-Blüten sowie einen Eierstich mit Parmesan. Erst dann geht es mit dem Sechsgänger los. Den empfehlen wir den Gästen. Nach wie vor haben wir aber auch noch eine separate Sushikarte.

Was sagt The-Chedi-Andermatt-Besitzer Samih Sawiris über Ihre Kochkünste?
Dominik Sato: Er war schon zweimal bei uns und ist begeistert. Er ist stolz, dass wir hier arbeiten. Er hätte allerdings das Essen am liebsten so japanisch wie möglich. Zum Fisch eine geschäumte Beurre blanc zu servieren, ist nicht so sein Ding. Wenn er das nächste Mal kommt, werden wir die Beurre blanc weglassen, sie ist ihm zu frankophil. Wir werden sie durch eine normale Brühe ersetzen.

Was haben Sie für einen Bezug zu Japan – ausser Dominik Satos Frau Yoshiko?
Dominik Sato: Das Land fasziniert mich. Ich fühle mich dort pudelwohl. Ich habe auch zwei Japanischkurse in der Klubschule Migros besucht. In ein paar Tagen reisen wir zum ersten Mal als Familie nach Japan. Meine Kinder kennen ihre Grossmutter als Folge der Pandemie nur durch Skype. Wir werden die Hafenstadt Aomori vor Hokkaido besuchen, die bekannt für Äpfel, Meeresfrüchte und den besten Thunfisch ist. Am Schluss stehen sicher auch noch Tokio und das Disneyland an.
Fabio Toffolon: Ich war schon dreimal in Japan und bin mega begeistert von der Kultur, der Gastfreundschaft und selbstverständlich vom Essen. Wir als angehende Spitzenköche sehen, was das beste Produkt und die Perfektion ausmachen. Die Köche in Japan holen das Maximum aus jedem Produkt heraus.

Wie ist es zum Engagement in Andermatt gekommen?
Fabio Toffolon: Wir hatten verschiedene Optionen. Zuerst dachten wir, dass das Chedi unsere letzte Wahl ist.
Dominik Sato: Wir hatten zwei weitere gute Angebote, und weil wir sehr ambitioniert sind und unbedingt einen zweiten Michelin-Stern wollten, haben wir zuerst in den anderen Restaurants mehr Potenzial für dieses Ziel gesehen.
Fabio Toffolon: Doch wir spürten in Andermatt das Vertrauen in unsere Arbeit. Wir haben beide schon mit japanischem Einfluss gekocht, aber breiter mit französischen, thailändischen und anderen internationalen Elementen. Wir hat­ten zuerst Angst, wir würden hier zu stark eingeschränkt. Doch nun wissen wir, dass wir das kochen dürfen, was wir wollen. Uns redet niemand drein. Klar, bei jedem Gang muss etwas Japanisches dabei sein. Aber wir kochen bewusst nicht durchwegs japanische Küche. Wir ziehen den Twist mit japanischen Produkten vor.
Dominik Sato: Beim aktuellen Menü setzen wir bei vier Gängen auf die Zubereitung auf japanischer Holzkohle, etwa beim Fisch, beim Fleisch und bei den Krustentieren. So veredeln wir die Gerichte.

Sie sind auch fürs Restaurant auf dem Gütsch The Japanese by The Chedi Andermatt verantwortlich. Wie erfolgt die Abstimmung?
Fabio Toffolon: Unten richtet sich der kulinarische Fokus auf eine ambitionierte Küche. Diesen Monat geht nun Dominik in die Ferien. Dann gehe ich auf den Gütsch, wo wir eine separate Brigade haben und das Restaurant nur mittags geöffnet ist. Ansonsten, wenn auf dem Gütsch nichts läuft, arbeiten wir beide unten.

Wie viele Mitarbeitende haben Sie?
Dominik Sato: Wir haben zwei Sushi-Köche, die auch bei den Vorspeisen und den Apéros mithelfen, eine Auszubildende aus Kasachstan, die sensationell und praktisch selbstständig arbeitet. Meine Frau ist Chefpatissière, arbeitet aber nur am Samstag im Service, weil sie sonst zu unseren Kindern schauen muss. Insgesamt sind wir acht Leute.

Wenn man Sie so reden hört, fühlt sich alles harmonisch an. Kam es auch schon zu Konflikten unter den Brüdern?
Fabio Toffolon: Zwei, drei Wochen lang waren wir uns nicht ganz einig. Wir hatten viele Gäste im Haus, mussten drei Wochen durcharbeiten, und danach lagen tatsächlich die Nerven blank. Mein Bruder fühlte sich kritisiert. Wir sind beide sehr selbstkritisch und wollen bei jedem Gang das Optimum herausholen und treiben uns nun gegenseitig hoch.

Fabio soll mehr Erfahrung in der Mitarbeiterführung und Einsatzplanung haben, Dominik ist bei den Desserts besser.
Fabio Toffolon: Das ist nach wie vor so. Dominiks Frau ist ja Chefpatissière und eine absolute Perfektionistin. Mein Bruder ist dadurch deutlich mehr in Desserts involviert. Und ich schreibe die Dienstpläne.
Dominik Sato: Bei meiner Stelle zuvor als Souschef im Seepark in Thun hatte ich weniger mit Mitarbeitenden zu tun. Fabio wird mir aber demnächst zeigen, wie er das mit den Dienstplänen macht.

Wie schwierig ist es, Mitarbeitende nach Andermatt zu locken?
Fabio Toffolon: Es ist eine Herausforderung, Leute für Andermatt zu motivieren. Uns gefällt es in Andermatt sehr gut. Doch für Junge, die gerne in der Stadt sind, ist das etwas anderes. Deshalb erhofften wir uns für dieses Jahr einen zweiten Michelin-Stern. Der wird nun für eine entsprechende Strahlkraft sorgen – gerade beim Personal.
Dominik Sato: Wir haben ein junges, motiviertes Team übernommen. Den einzigen Transfer, den wir machten, ist Tanish. Sie war meine Lehrtochter im Seepark. Lediglich unser japanischer Sushichef Masaji, den wir sehr schätzen, treibt das Durchschnittsalter mit seinen 64 Jahren in die Höhe.

Sie kamen dank André Jaeger früh in Kontakt mit der japanischen Küche und erfuhren bei Christian Bau mehr über Techniken und Produkte.
Dominik Sato: Ja, wir haben beide eine Kochlehre in Schaffhausen absolviert. Fabio war in der Beckenburg und ich im Gmaandhuus in Neunkirch, das damals 14 GaultMillau-Punkte hatte. So sammelten wir früh Erfahrungen mit der Gourmetküche, wobei wir mit den Eltern nie Punkte- oder Sternelokale besuchten.
Fabio Toffolon: Die Fischerzunft von André Jaeger war für uns unbezahlbar. Aber unter der Woche gab es im Rahmen der Blauburgunderwoche ein Angebot, das fast ein Schnäppchen war. Dieser Besuch weckte bei uns das Interesse für die Sterneküche.
Dominik Sato: Als wir erstmals mit der Sternegastronomie in Berührung gekommen waren und André Jaegers Kochkunst kennenlernten, war das für uns ein gewaltiger Sprung. Fabio und ich durften für einen Monat in der Fischerzunft ein Praktikum absolvieren. Das war unsere erste gemeinsame Zeit in der Küche – wenn auch nur kurz.

Und was haben Sie bei Christian Bau gelernt?
Dominik Sato: Alles! Er ist ein absoluter Perfektionist und gehört für mich zu den zehn besten Köchen der Welt.
Fabio Toffolon: Ausserhalb von Japan ist Christian Bau unerreicht. Das reicht vom ersten Snack bis zu den Friandises. Er prüft jedes Detail. Das war für mich die härteste Zeit, sowohl von der Zahl der Arbeitsstunden als auch psychisch. Viele Angestellten kamen nicht mehr zur Arbeit, weil sie mit dem Druck nicht klargekommen sind.

Jetzt haben Sie es in der Hand: Was sind Ihre Ziele für nächstes Jahr?
Fabio Toffolon: Das Ziel war ganz klar ein zweiter Michelin-Stern. Unser Handicap war, dass wir vom
12. Mai bis jetzt nur fünf Monate Einführungszeit hatten. Dass wir es trotzdem schafften, freut uns umso mehr.
Dominik Sato: Und wir möchten im GaultMillau 2025 18 GaultMillau-Punkte erreichen. Im neuesten GaultMillau haben wir 17 Punkte. GaultMillau-Chef Urs Heller war begeistert.

Was muss noch besser werden?
Dominik Sato: (schaut den Bruder an)
Fabio Toffolon: Beim Ambiente könnten wir noch was herausholen. Und wir suchen einen Restaurantleiter, einen richtigen Gastgeber, der das Team führen kann.

Sie haben von langen Arbeitsstunden bei Christian Bau gesprochen. Wie verbringen Sie Ihre Freizeit in Andermatt?
Fabio Toffolon: Im Sommer gehen wir gerne in Seedorf am Urnersee baden. Und weil meine Frau Bernerin ist, gehen wir regelmässig nach Bern.
Dominik Sato: Und im Winter freuen wir uns aufs Snowboarden und auf die Zeit mit unseren Familien.

Wie oft sind Sie gemeinsam unterwegs?
Dominik Sato: Sehr oft. Wir gingen kürzlich zusammen nach Brunnen zum Abendessen.
Fabio Toffolon: Für Dominiks Frau sind wir wohl zu oft zusammen (lacht). Wir unternehmen kürzere Ausflüge, duellieren uns beim Tischtennis oder auf der Fifa-Konsole.
Dominik Sato: Als Kinder nahmen wir beim Schaffhauser Laufcup teil, später waren es Läufe über zehn Kilometer.
Fabio Toffolon: Wir waren in der Jugi und im Turnverein sehr engagiert.

Haben Sie heute Zeit für Sport?
Dominik Sato: Mit dem Engagement in der Gastronomie ist das Sportliche in den Hintergrund gerückt. Ich ging schon länger nicht mehr laufen, hatte aber immer Spass daran, bis ich Probleme mit dem Fuss bekam.
Fabio Toffolon: Wir haben uns zu wenig langsam an den Laufsport herangetastet, waren wohl zu ehrgeizig. Wir sind ohnehin mega ehrgeizig, aber nicht verbissen. Derzeit ist die Arbeit allerdings zu intensiv für den Laufsport. Wir haben auch viele Medientermine. Das ist wichtig. Der ZFV hätte den Äusseren Stand in Bern, wo ich bis Ende März 2023 arbeitete, wohl nicht schliessen müssen, wenn wir medial mehr gemacht hätten.