Mehr Anreize für die Gastronomie beim Umstieg auf Mehrwegverpackung

Oliver Borner – 16. Februar 2023
Einwegverpackungen sind in der Take-away-Gastronomie nach wie vor beliebter als Mehrwegverpackungen. Der Grund dafür liege oftmals in einer generellen Skepsis gegenüber den Mehrwegverpackungen, sagt Jeannette Morath, Gründerin des Start-Ups reCircle. Dabei lohnt sich ein Umstieg durchaus .

Jeannette Morath, Sie vertreiben mit Ihrem Start-Up reCircle Take-away-Verpackungen, die bei Gastronomiebetrieben zurückgegeben und wiederverwendet werden können. Wie gross ist aktuell die Nachfrage?
Jeannette Morath: Mittlerweile ist die Nachfrage nach unseren Produkten wieder da. Nach Corona gab es einen Knick, weil viele unserer Gastronomiekunden Konkurs anmelden mussten. Ganz rund läuft es aber noch nicht.

Inwiefern?
Mit dem aktuellen Personalmangel verzichten Gastrobetriebe vermehrt auf ein Take-away-Angebot. Und die digitale Lösung für die Lieferung in Mehrwegverpackung wird erst demnächst verfügbar. Hinzu kommen die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise. Die obersten Prioritäten liegen momentan einfach an anderer Stelle als auf Verpackung, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft.

Trotzdem: eine gewisse Skepsis gegenüber Mehrwegverpackungen hält sich. Weshalb?
Das ist richtig. Wir nehmen tatsächlich immer wieder ein generelles Misstrauen gegenüber Mehrwegverpackungen wahr, vor allem, wegen der dazu nötigen Verhaltensveränderung. In der momentanen Lage verstehe ich diese Skepsis allerdings. Die Betriebe hatten in den letzten Jahren viele Probleme, welche sich bis heute weiterziehen. Dieses Jahr zieht die Nachfrage massiv an.

Ein Bedenken, dass die Branche immer wieder anführt, ist die mangelnde Hygiene der Mehrwegverpackungen. Sind diese Bedenken gerechtfertigt?
Die Hygienebedenken sind meines Erachtens unbegründet. Die kantonalen Labore kontrollieren auch unsere Produkte. Es gelten also die normalen Hygienerichtlinien für die Gastronomie. Unsere Produkte wurden mit starkem Fokus auf Hygiene konzipiert. Es gibt keine Wasserrückstände, Ecken, Kanten oder Nuten wo sich Keime ansammeln könnten. Für die Annahme bei Kundenbehältern gibt es ein Hygienekonzept, und der Deckel ist durchsichtig, damit Gastronomen einen Blick reinwerfen können, bevor sie die Verpackung annehmen und abwaschen. Betriebe ohne Abwaschmaschine, wie etwa Foodtrucks bieten ganz einfach «refill» an, das heisst, sie fordern ihre Kundschaft auf, eigene Behälter mitzubringen. Dann müssen sie nicht abwaschen.

Warum hält sich dann diese teilweise ablehnende Haltung gegenüber Mehrwegverpackungen so hartnäckig?
Die Umstellung von Ein- auf Mehrweg ist für die Betriebe und die Konsumierenden eine Verhaltensveränderung. Es braucht eine Schulung beim Personal, an der Kasse und in der Küche. Wir bieten den Betrieben immer unsere Unterstützung bei der Umsetzung an und nach ein paar Tagen ist Mehrweg bereits Routine.

Welche Vorteile ergeben sich für die Gastronominnen und Gastronomen, wenn Sie auf Mehrwegverpackungen setzen?
Langfristig sind sie billiger als Einwegverpackungen. Wegwerfprodukte kosten im Schnitt zwischen 20 und 80 Rappen das Stück, was sich im Gegensatz zu einer wieder verwendbaren Verpackung, die weit über hundert mal benutzt werden kann, einfach nicht rechnet. Gleichzeitig ermöglicht die Verwendung von wieder verwendbarer Verpackung die Bindung der Kunden an den Betrieb, was langfristig mehr Einnahmen generiert. Auch im Kampf gegen Foodwaste hilft die Verpackung: während viele Gäste Essensreste in Einwegpackungen regelmässig wegwerfen, nehmen sie diese bei wieder verwendbaren Verpackungen mit nach Hause. Und es macht einfach mehr Spass, aus einer hochwertigen Verpackung zu essen, als aus einem Einweggeschirr unbekannter Herkunft.

Die Bestrebungen zu mehr Mehrwegverpackungen sind mittlerweile auch Thema in der Politik. Im letzten Jahr wurde eine Motion, die ein Verbot von Einwegverpackungen in der Take-away-Gastronomie verlangte, aber klar abgelehnt. Ist das Mehrweganliegen politisch noch nicht angekommen?
Das würde ich nicht so sagen. Im Frühling soll das Parlament die Kreislaufinitiative, welche die Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken soll, beraten. In einzelnen Kantonen gibt es ausserdem bereits Vorstösse. Ich gehe davon aus, dass die Regeln der EU, wo Plastikverpackungen teilweise bereits verboten wurden, früher oder später auf die Schweiz überschwappen werden.

Das heisst, Sie rechnen mit einem Verbot von Einwegverpackungen in der Schweiz?
Das tue ich in der Tat. Nur denke ich, dass ein Verbot nicht der richtige Weg ist. Es braucht für die Gastronomiebetriebe vielmehr ein Anreizsystem, welches sie motiviert, gerne auf Mehrweg umzustellen.

Als Lösungsansatz will die Branche, allen voran auch GastroSuisse, auf das Recycling von Einwegverpackungen setzen. Inwiefern ist dieser Ansatz zielführend?
Er hat sicherlich seine Berechtigung, wird aber das Problem des Plastikabfalls nicht lösen. Es ist sinnvoller, dort, wo es möglich ist, Einwegverpackungen durch eine Mehrweglösung zu ersetzen. Dass dies nicht überall möglich ist, ist uns ganz klar. Es gilt hier, abzuwägen, wo eine Umstellung Sinn macht und wo nicht. Dafür gibt es schon sehr gute Ökobilanzen.

Machen Sie ein Beispiel.
Wir haben festgestellt, dass das Papier, welches zum Einpacken von Burgern verwendet wird, weder wirtschaftlich oder ökologisch ersetzt werden kann. Hier wird das Papier wohl weiterhin zum Einsatz kommen.

Wie sehen Sie die Zukunft für Mehrwegverpackungen in der Gastronomie?
Wir sehen ein dichtes Netzwerk an Betrieben, die ihren Gästen Essen und Getränke zum Mitnehmen in Mehrwegverpackung anbieten. So ist es sowohl für Gastronominnen und für Gäste bequem und einfach zu nutzen und Mehrwegverpackung wird zur Norm.