Gastronomie

«Einige Foodtrucks stehen am Abgrund»

Oliver Borner – 23. März 2021
Für Andreas Seiler, Präsident des Foodtruck-Verbands Schweiz, ist die Behauptung, Foodtrucks seien kaum von der Pandemie betroffen, ein weit verbreiteter Irrglauben. Im Interview spricht er über die aktuelle Situation in der Branche, Öffnungsschritte und Hoffnungen für die Zukunft.

Andreas Seiler, seit Monaten ist die Gastronomie im Lockdown. Wie geht es der Foodtruck-Branche momentan?
Andreas Seiler: Wie die meisten Gastronomiebetriebe leiden auch viele Foodtruck-Betreiberinnen und -betreiber unter der momentanen Situation. Einige können zwar arbeiten, allerdings ist die Branche weit entfernt von einem normalen und geregelten Betrieb. Die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen bestimmen momentan das Tempo. Wir als Verband haben daher auch alle Hände voll zu tun.

Das erstaunt einigermassen, da die gängige Meinung ist, Foodtrucks könnten ihr Essen auch in Zeiten der Pandemie einfach auf der Strasse verkaufen.
Das ist ein weitverbreiteter Irrglauben. Klar leben Foodtrucks auch vom Take Away-Geschäft beispielsweise in der Mittagspause, das ist aber für viele nur die halbe Miete. Die meisten sind auch im Catering- und Eventbereich aktiv, da diese Sparten sehr gute Umsätze bringen können. Da diese Einnahmen zurzeit praktisch ganz fehlen, wird für viele Foodtruckbetreiberinnen und -betreiber die Luft langsam aber sicher dünn. Kommt hinzu, dass der Take Away-Betrieb im Moment auch nicht so lukrativ ist, wie viele glauben. Wie gut das Geschäft mit Take Away läuft, ist sehr vom Standort abhängig. Zudem arbeiten im Moment viele Menschen nicht vor Ort im Büro, was die Nachfrage von Mittagsmenüs über die Strasse reduziert.

In der ‚stationären‘ Gastronomie spricht GastroSuisse davon, dass etwa jeder fünfte Betrieb bereits für immer schliessen musste. Wie sieht die Situation bei den Foodtrucks aus?
Dazu haben wir keine genauen Zahlen. Allerdings gehen wir davon aus, dass es dank der tieferen Fixkosten und den nicht ganz komplett, zumindest bei einigen, ausfallenden Einnahmen nur wenige sind, die ihr Geschäft aufgegeben haben und noch müssen, hoffen wir zumindest fest! Das heisst aber eben nicht, dass es allen Betreiberinnen und Betreibern gut geht. Viele sind weiterhin auf Härtefallentschädigungen angewiesen.

Was ist aus der Sicht des Verbands momentan die grösste Herausforderung für die Foodtrucks?
Eine der grössten Herausforderungen ist für uns momentan, dass viele Gastronominnen und Gastronomen, die eigentlich von der stationären Gastronomie kommen, oder auch viele ohne gastronomische Vorkenntnisse, ein Foodtruck-Business aufziehen wollen. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, viele stellen sich diesen Einstieg allerdings viel zu einfach vor. Das führt dazu, dass eine Vielzahl ohne durchdachtes Konzept und so schnell und so günstig wie möglich ins Business einsteigen will, was natürlich auch in der Foodtruck-Branche nicht einfach so geht. Ein weiteres Problem ist, dass die Entschädigungen nicht überall ankommen.

Wie meinen Sie das?
Es gibt Foodtruck-Unternehmer, die sich letztes Jahr richtig ins Zeug gelegt haben und weitere Umsatzquellen suchten, wie zum Beispiel Delivery oder Geschenkkörbe, so dass jetzt für die Härtefallentschädigung so zu sagen 'zu viel' Umsatz gemacht wurde. Natürlich reicht der Mehrumsatz bei weitem nicht, nur sehr entscheidend ist, dass der Gesamtumsatz jetzt über der Härtefallgrenze liegt. Einerseits haben wir also viele etablierte Foodtruck-Konzepte, die vor dem Abgrund stehen und andererseits extrem viele, die in die mobile Gastronomie einsteigen wollen, weil es von aussen erfolgreich aussieht. Es ist eine sehr herausfordernde Zeit für alle. Die Motivation hoch zu halten, ist für viele schwierig.

Die Politik streitet seit Wochen über weitere Öffnungsschritte. Wie steht der Verband dazu?
Mit Blick auf die momentane Situation befürwortet der Verband grundsätzlich weitere Öffnungsschritte, vor allem in der Gastronomie. Die Home-Office-Pflicht soll wieder in eine Empfehlung gewandelt werden, damit das Tagesbusiness wieder erstarkt. Für uns ist klar, dass wir einerseits lernen müssen, mit dem Virus leben zu können und andererseits eine Abschottungstaktik mit Lockdown nicht den gewünschten Erfolg bringt. Die Menschen müssen aus unserer Sicht wieder arbeiten dürfen, damit sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Schäden vermieden werden können. Dafür braucht es unserer Meinung nach eine Perspektive für alle Betriebe und die Gesellschaft.

Wie blickt der Verband in die nahe Zukunft?
Momentan ist die Lage natürlich sehr schwierig einzuschätzen. Wir hoffen aber, dass sich die Branche mit baldigen weiteren Öffnungen ein wenig stabilisieren kann, denn bei vielen wird die Luft und auch die Geduld knapp. Sobald wieder Events möglich sind, sobald man sich wieder ohne Einschränkungen treffen darf, gehe ich davon aus, dass viel Nachholbedarf besteht, die Leute in die Restaurants strömen und die Nachfrage für Caterings in die Höhe schnellt.