«Im Unternehmertum kommt es immer wieder zu Betriebsblindheit»

Reto E. Wild – 16. Juni 2022
Seit wenigen Tagen ist auf Sat.1 Schweiz die zweite Staffel von «Grill Club» zu sehen. Das GastroJournal war bei den Dreharbeiten am Jurasüdfuss dabei und hat sich mit Koch Sandro Zinggeler über seine Projekte unterhalten – unter anderem den kulinarischen Podcast Makrele Blau. Zudem: weitere Podcasts in der Übersicht.

Sandro Zinggeler, weshalb haben Sie sich als erfolgreicher Jungkoch 2015 für den Schritt in die Selbstständigkeit entschieden?
Sandro Zinggeler: Meine Leidenschaft ist das Essen und Trinken. Ich stellte aber fest, dass mich mein Weg durch die Sternegastronomie von dieser Leidenschaft wegdrängte. So kam ich zum Entscheid, etwas anderes zu machen. Und wie der Zufall so spielt, fragte mich ein Bekannter, ob ich «Secret Dinner» aufbauen möchte. Jeder Anlass beginnt mit einer Einladung, bei der nur Uhrzeit und Treffpunkt feststehen. Alles Weitere ist geheim. So bin ich in die Selbstständigkeit gerutscht. Daraus sind Events und andere Projekte entstanden.

Wieso fühlten Sie sich von der Spitzengastronomie weggedrängt?
Gegen oben wird es immer enger und nicht freier und kreativer. Je mehr Sterne das Restaurant besass, desto mehr fühlte ich mich eingeengt. Ich hatte einst den Traum, ebenfalls drei Sterne zu erreichen und bester Koch zu werden. Es gibt den schnellsten 100-Meter-Läufer. Aber Genuss ist subjektiv und lässt sich nicht rastern. Ich möchte mich jedoch auf den Gast konzentrieren und das Essen und die freie Gastronomie zelebrieren. Das ist mir wichtiger, als mich in einem System unterzuordnen.

Geht das finanziell auf? Was ist Ihre wichtigste Einnahmequelle?
Bis vor Corona waren das Events und Catering. Mein Ziel war, ein kulinarisches Erlebnis zu bieten, worüber die Leute noch lange reden – unabhängig vom Ort. Die Mund-zu-Mund-Propaganda war mein wichtigstes Marketingtool. Das «Secret Dinner» hat beispielsweise eine grosse Community. Ich wurde gefragt, ob ich das auch privat mache, und kam so zu neuen Projekten. Mit meinen Auftritten im Fernsehen gingen ebenfalls neue Türen auf. Networking und Socialising halfen zusätzlich. Ich musste nie Werbung schalten.

Und wie sieht es heute aus?
Mein Hauptstandbein ist, kreative Konzepte für die Gastronomie und Rezepturen für Magazine zu schreiben. Der Podcast und mein Outdoor-Kochbuch «Feuer und Glut» sind weitere Elemente, die zum grossen Kuchen beitragen. Das alles ist jedoch sehr aufwändig. Jetzt muss ich viele Projekte organisieren, die ich während der Coronakrise aufgleiste. Dann bin ich zusätzlich bei Chocofoil involviert. Dank einer Technik ist es möglich, Regenbogeneffekte ohne Zusatzstoffe auf die Schokoladenoberfläche zu bringen.

Und Sie sind beim «Grill Club» dabei, dessen zweite Staffel am 2. Juni 2022 startete. Wie erlebten Sie die Grillreise durch die Schweiz?
Fernsehproduktionen wie der «Grill Club» führen dazu, dass ich schöne Ecken und Örtchen in der Schweiz entdecke. Ein wichtiger Teil der Sendung ist das Kochen auf dem Feuer. So wird jedes Gericht zum Unikat.

Was haben Sie entdeckt, was für unsere Leserschaft wertvoll ist?
Den Honigwein Met! Der ist mega interessant und hat eine breite Geschmackspalette. Damit lässt sich etwa das Fleisch über Nacht einlegen. Der Met ist aber auch als Begleitung zum Essen passend. Der Wein ist nicht einfach süss, sondern eher trocken und intensiv. Beeindruckt war ich genauso vom Reisanbau im Maggiadelta im Tessin, den ich so nur durch meine Reisen in Asien kannte.

Seit dem 1. März 2022 haben Sie mit Makrele Blau Ihren eigenen Podcast. Was sind die Eckdaten?
Bei uns dreht sich alles um die Kulinarik, moderiert von den Luma-Gründern Lucas Oechslin und Marco Tessaro und mir. Wir zelebrieren den Genuss mit spannenden Gästen aus der Kulinarik, wollen aber nicht alles so ernst nehmen. Deshalb ist der Podcast bewusst nicht zu fachmännisch geführt. Klamauk gehört auch dazu. Er darf polarisieren und soll hie und da die Hörer zum Lachen bringen. In der Regel haben wir zwei Folgen pro Monat. Die Beiträge sind 90 Minuten bis zwei Stunden lang.

Ist das nicht zu lang?
Ich versuche, dies ein wenig zu straffen. Aber wir möchten den Gast nicht nach 90 Minuten rauswerfen. In der ersten Sendung war Spitzenkoch Silvio Germann dabei, in einer Folge der Spitzenwinzer Martin Donatsch. Am 12. Juni besuchte uns Tiziano Marinello. Wir kommen auf 2000 Hörer pro Folge und 1000 Abonnenten, was für einen Podcast in der Schweiz, der erst im Aufbau ist, gute Werte sind.

Wie soll es mit Makrele Blau weitergehen?
Wir sind daran, weitere spannende Gäste zu gewinnen, erhalten nun aber auch immer mehr Zuschriften von Persönlichkeiten, die sich mit uns austauschen wollen. In einem Jahr sollte Makrele Blau ein gern gehörter Podcast werden – seitens Gastronomie und Gästen, die sich für das Essen und das Trinken interessieren. In Zukunft möchten wir mit Liveevents unsere Reichweite steigern.

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Die Dreharbeiten zur Episode 6, die am 7. Juli ausgestrahlt wird: Auf seiner Reise entlang dem Jurasüdfuss erhält Sandro Zinggeler (rechts) sein Fleisch direkt aus der Reifekammer. Zum geschmacksintensiven Dry Aged Rib Eye Steak wartet ein vollmundiger Met (Foto: Daniel Winkler)

Wieso ist Ihr Podcast für Gastronomen interessant?
Im Unternehmertum kommt es immer wieder zu Betriebsblindheit. Dessen sind sich die Gastronomen und Hoteliers manchmal nicht bewusst. Lernen ist ein Grundpfeiler eines erfüllten Lebens. Es ist mega wichtig, dass man sich öffnet und Dinge auch von aussen betrachtet. Verschiedene Ansichten bringen uns weiter. Denken Sie nur an den Fachkräftemangel: Es gibt verschiedene Wege und Lösungen. Wir möchten dies mit einer Lockerheit zum Hörer tragen.

Wie nehmen Sie die Herausforderungen der Branche wahr?
Wir haben ein Mitarbeiterproblem. Wer möchte schon 16 Stunden für einen Hungerlohn arbeiten? Und dann sieht der Nachwuchs auf Instagram Bilder von Leuten, die am Luxuspool auf Mykonos liegen. Es fragt sich, wie sich die Sternegastronomie in nächster Zeit definieren möchte. Der alte weisse Mann wird mehr und mehr aus der Gastronomie verschwinden. Sie steht vor Quantensprüngen. Sie wird noch mehr auf den Gast hören, der sich zwangsläufig verändert – durch emotional geführte Debatten über Nachhaltigkeit und Ernährung. Das Regionale wird derzeit stark zelebriert, was für mich nur folgerichtig ist. Zudem wird sich die Dogmatik mit dem Lager der Veganer und jenem der Carnivoren entspannen.

Was sind Ihre nächsten Projekte?
Ich arbeite an einem Start-up mit einem coolen Team und einer Vision. Es ist bereichernd für mich, da mitzuhelfen und aufzubauen, was derzeit allerdings noch nicht spruchreif ist. Ich bin überzeugt, dass das Jungunternehmen viel Aufmerksamkeit erhalten wird. Und mit dem Podcast wurde unser Baby geboren, das sehr viel Spass macht. Im Sommer kommt es bei mir zu vermehrten Firmenanlässen mit Showkochen. Sie sehen, mir wird es nicht langweilig. Und trotzdem finde ich manchmal Zeit, um zu surfen.

Podcast unsplash vinicius amnx amano vl sARMHTkQ

Das Ohr isst mit

Kulinarik hören, geht das? Ja! Auch wenn Gastro-­Podcasts in der Schweiz nicht sehr breit aufgestellt sind. ­Während der eine Tipps und Impulse serviert, kredenzt eine andere Foodnews, und ein Dritter kocht mit Humor Interviewgäste aus. Eine Auswahl.

Text Corinne Nusskern

Hosting the Host (Schweiz)
Akustische Kulinarik vom Feinsten. Gastronomie­experte, Hotelier und Genussaktivist Andrin Willi produziert die Igeho-Podcasts und spricht mit erfolgreichen Gastgeberinnen und Gastgebern aus der Branche über Aktuelles, Trends, Veränderungen und alles andere. Und dies fundiert, persönlich und mit Schalk. Nach Bindella, Wiesner, Caminada und Co. ist im Juni Tourismusversteher Jürg Schmid zu Gast. Willi spricht mit dem Ex-Direktor von Schweiz Tourismus und dem Präsidenten von Graubünden-Ferien über den Alpentourismus und Workation. Hosting the Host – bitte weitermachen! Danke.

igeho.ch und über Apple Podcasts oder Spotify 

Soil to Soul Podcast (Schweiz)
Nochmals Andrin Willi, andere Gäste und Themen: Etwa Fermentista Franziska Wick, die die Verbindung zwischen Boden, Bakterien und Bauch erklärt, aber auch den hexenden Erdmann Stefan Wiesner, der für ein gutes Leben plädiert, oder Rechberg-Küchenchef Carlos Navarro, für den der Teller schon beim gesetzten Samen beginnt. Halbstünder zum akustischen Reinziehen.

sotoso.com und Spotify

Tisch Frei (Schweiz)
Ist Philipp Schwander wirklich ein Schnäppchenjäger? Paolo Domeniconi und David Daniel finden es während eines gemeinsamen Essens im Zürcher Accademia del Gusto heraus. Und erfahren dabei vom ersten «Master of Wine» der Schweiz viel über Weinhandel, Anbaumethoden und Scharlatane. In einer anderen Episode besuchen sie mit Spitzenkoch Marcus G. Lindner den «Ziegel Oh Lac» in der Roten Fabrik Zürich oder gehen mit dem österreichischen Schauspieler Gottfried Breitfuss Knödel essen. Die zwei Non-Gastronomen servieren flapsig-frische, anregende und fundierte Unterhaltung.

tischfrei.ch und über Apple Podcasts oder Spotify

Parlez-vous Plü (Schweiz)
Es gibt keinen guten Pinot noir in der Schweiz! Winzer Martin Donatsch lacht und sagt: «Die Bündner Herrschaft gehört zu den fünf besten Pinot-Regionen der Welt.» Da hakt Moderator und Entertainer Maximilian Baumann nach. Und das macht er gut, mal locker, mal tiefgründig. Auch wenn Meta Hiltebrand ebenso zu Gast war, Parlez-vous Plü ist kein reiner Gastro-Podcast, auf dem Gastsessel sitzen auch mal Ex-Miss- Schweiz Melanie Winiger oder Sänger Seven. Auch ­Baumann ist kein reiner Gastronom, macht aber mit Freundeskreis immer wieder als Pop-up-Gastronom Furore. Parlieren Sie weiter, Herr Baumann!

grandcasinobaden.ch und über Apple Podcasts oder Spotify

Fiete Gastro (Deutschland)
Man mag ihn oder eben nicht: den Hamburger Koch und TV-Entertainer Tim Mälzer, gern auch Küchenbulle genannt. Zusammen mit Moderator Sebastian Merget plaudert er sehr persönlich und gewohnt direkt mit querbeeten Gästen von Matthias Winkler (CEO der Sacher-Group) über Tim Raue, Cornelia Poletto bis zur Schauspielerin Iris Berben. Das ist mal leichtfüssig und auch mal malzig derb – aber auf jeden Fall perfektes Unterhaltungsprogramm während des Jar­dinières­-Schnippelns oder des Gemüsetournie­rens.

fietegastro.podigee.io und über Apple Podcasts oder Spotify

Küchenherde (Deutschland)
Hier finden sich Dutzende von Podcasts, linear gebüschelt nach Themen wie Gastgeber, Digitalisierung, Nachhal­tigkeit, Rekrutierung oder Ausbildung. Der Anspruch lautet stets: weiterkommen. Die Oberhand behält hier der erfahrene Gastronom und Hotelfachmann Markus Wessel. Er führt Interviews mit Sterneköchen, Experten und Branchenkennern und fragt ganz aktuell: «Roboter im Gastgewerbe – Fluch oder Segen?»

kuechenherde.com/gastronomie-podcast/ und über Apple Podcasts oder Spotify 

Dieters Weinbar (Deutschland)
Der Podcast des Weinmachers Dirk «Dieter» Würtz (Weingut St. Antony) und des Radiomoderators ­Andreas Kunze ist aus Corona geboren. Nach der ersten Frage: «Was wollt ihr trinken?», wird eine Flasche geöffnet und mit Gästen über Wein, Champagner und Genussthemen geplaudert. Ob das nun Weinkenner, Winzerinnen, Gastronominnen, Detektive oder Versicherungsmakler sind, hier findet alles Platz, was das Leben auch neben dem Kelch leichter macht. Ganz nach dem Motto: «Zufällig habe ich gerade einen 2020er-Riesling Aufbruch vom Weingut Jakoby-Mathy zur Hand.»

st-antony.de/podcast/ und über Apple Podcasts oder Spotify