Die Zahlen sind erschreckend: 2.8 Millionen Tonnen Lebensmittel, also 300 Kilogramm pro Kopf, werden in der Schweiz jedes Jahr ohne Verwendung weggeworfen. Das entspricht einer Ladung von 150 000 Lastwagen, die hintereinander ein Kolonne von Zürich bis nach Madrid bilden. Ein Drittel aller Lebensmittel geht demnach über die gesamte Lebensmittelkette verloren. Einen grossen Anteil daran haben neben der Verarbeitung die Privathaushalte. 28 Prozent des gesamten Foodwaste fällt dort an. Die Gastronomie folgt mit fast zehn Prozent dahinter. Pro Gast entsteht während eines Restaurantbesuches schätzungsweise zwischen 100 und 250 Gramm Foodwaste.
Der Handlungsbedarf ist mit Blick auf diese Zahlen gross. Das hat auch der Bund erkannt. Im April 2022 unterzeichnete er einen Aktionsplan für die Reduktion der Lebensmittelverschwendung. In seinen 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung bis 2030 will er unter Ziel 12 «die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschliesslich Nachernteverlusten verringern.»
Bewusstsein versus Bereitschaft
Dieses Ziel stand vergangene Woche im Zentrum der Impulsveranstaltung Fokus Food Save im Berner Kongresszentrum Kreuz. Über 100 Entscheidungsträger aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung folgten der Einladung des Vereins United Against Waste (UAW), zu dessen Gründern auch GastroSuisse gehört. Auf dem Programm standen neben der Vereinsversammlung des UAW mehrere Podien und Breakout-Sessions, an denen verschiedene Themen rund um das Thema Foodwaste diskutiert wurden.
Den Einstieg in den Tag macht Verhaltensökonom Luca Geisseler, CEO der FehrAdvice AG, mit einem Input zum Thema Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten in Bezug auf Foodwaste. Dabei hebt er die Wichtigkeit des Bewusstseins und der Bereitschaft, etwas am eigenen Verhalten zu ändern, hervor. Dies sei allerdings schwierig, da das Verhalten des Menschen mehrdimensional sei und von unterschiedlichen Motivationen abhängig ist. In Bezug auf Foodwaste stellt er zudem fest, dass das Bewusstsein, dass Foodwaste schlecht ist, zwar mehrheitlich vorhanden sei, «die Bereitschaft dazu, etwas an seinem Verhalten zu ändern, allerdings weniger». Massnahmen müssen in Zukunft mehr auf die Bereitschaft und weniger auf das Bewusstsein ausgerichtet werden. «Eine Sensibilisierungskampagne ist beispielsweise der falsche Weg, da das Bewusstsein darüber, dass Foodwaste schlecht ist, bereits vorhanden ist», so Geisseler.
Massnahmen einführen und überprüfen
In den anschliessenden Breakout-Sessions ist aus gastronomischer Sicht der Input von Roger Volkart, Inhaber der Recyclingfirma Werec AG in Gundetswil ZH, interessant.
Der Recyclingfachmann führt regelmässig Schulungen in Gastronomie- und Hotelleriebetrieben durch, um die Menge an Abfall einerseits und die Menge an Foodwaste andererseits zu reduzieren. Dabei stellt er immer wieder fest, dass der richtigen Entsorgung in den Betrieben oftmals zu wenig Beachtung geschenkt wird. «Viele haben entweder kein Entsorgungskonzept oder die Mitarbeitenden wissen nichts davon», sagt er. Dabei sei Entsorgung und gerade auch die Vermeidung von Foodwaste ein Frage der Führung. «Wenn der Chef seinen Mitarbeitenden ein klares Konzept vorgibt, vereinfacht das die Umsetzung massgeblich», so Volkart. Dem stimmt Marcel Coray, Bereichsleiter Hotellerie & Service am Kantonsspital Graubünden in Chur, zu. «Es ist wie bei der Hygiene in der Küche. Es braucht ein Konzept mit klaren Vorgaben, die regelmässig überprüft werden». In Bezug auf Foodwaste sollen beispielsweise mehr regionale und langlebige Produkte gekauft oder die Kühlkette eingehalten werden. Regelmässige Messungen im Betrieb zeigen den Wirtinnen und Wirten zudem, wo Foodwaste entsteht und wie es vermindert werden kann. «Diese detaillierten Messungen sind personell aufwändig und müssen für jeden Betrieb individuell geprüft werden», so Coray.
Niederlande als Vorbild
Zum Abschluss der Impulsveranstaltung hält Toine Timmermans, Direktor von Food Waste Free United, ein Inputreferat. Er koordiniert Projekte gegen Foodwaste auf EU-Ebene. Der Niederländer zeigt anhand verschiedener Massnahmen, wie die Foodwastevermeidung in den Niederladen grosse Erfolge feiert. Dank der Vernetzung von zahlreichen Organisationen und der Zusammenarbeit mit Produzenten und Verbrauchern konnte die Verschwendung bei den Konsumentinnen und Konsumenten um satte 29 Prozent reduziert werden. Dafür liefen gross angelegte Aufklärungskampagnen, unter anderem im nationalen Fernsehen. Ein entscheidender Punkt sei zudem der politische Wille. «In den Niederlanden steht die Regierung geschlossen hinter dem Ziel, weniger Lebensmittel zu verschwenden. Das hilft bei der Umsetzung der Massnahmen», so Timmermans.