Casimir Platzer, wie fühlen Sie sich kurz vor dem Platzmachen für einen neuen Präsidenten von GastroSuisse?
Casimir Platzer: Ich fühle mich gut wie immer. Und ich bin gespannt, wer die Wahl gewinnen wird. Grundsätzlich finde ich es positiv, dass die Delegierten zwei Kandidaten zur Auswahl haben. Massimo Suter steht für Kontinuität, während Beat Imhof eher Veränderungen herbeiführen wird. Statuarisch könnte ich dieses Amt drei weitere Jahre ausüben, aber auf diese Zusatzschleife will ich verzichten. Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Ich gehe lieber jetzt, wenn es die Leute bedauern, als in drei Jahren, wenn hinter vorgehaltener Hand gesagt wird: «Es ist höchste Zeit, dass er weg ist.» Nun soll jemand Neues kommen und eine neue Ära einläuten.
Wie gross war Ihr wöchentlicher Aufwand für den Verband in Stunden?
Wie viele Stunden ich für den Verband arbeitete, habe ich nie gezählt. Zwischen Mitte Juli und Anfang August sowie über die Weihnachtstage war es jeweils etwas ruhiger. Die Arbeit hat sich hauptsächlich auf den Frühling, Herbst und Winter konzentriert, als mein Terminkalender mit vielen Anlässen, Konferenzen und Versammlungen gefüllt war. Wenn ich ab Anfang Juli nur noch 120 statt 180 Prozent arbeite, stört mich das nicht.
Wie kommen Sie auf 120 Prozent?
Neben der Leitung unseres Betriebs in Kandersteg werde ich ab Anfang Juli den Vorsitz des Präsidiums von GastroSocial übernehmen. Und ich bin im Vorstand des Gewerbeverbands und des Arbeitgeberverbands. Ich werde aber auch diese Engagements sukzessive abgeben. Meine nächste Herausforderung ist, bei uns im Hotel die Position des Direktors zu besetzen, wobei sich eine gute Lösung abzeichnet. Der Ausfall unseres Direktors seit Januar hat mich in den letzten paar Monaten zusätzlich beansprucht. Meine Frau und ich führen das Belle Epoque Hotel Victoria nun schon seit 35 Jahren. Wir mussten übrigens schon damals für gute Fachkräfte kämpfen. Von unseren Kindern will niemand übernehmen. Wir wollen aber die Nachfolge regeln, denn wir möchten nicht bis 80 arbeiten müssen...
Sie sagen es selbst: Zehn Jahre als Verbandspräsident von GastroSuisse sind eine lange Zeit. Welche Bilanz ziehen Sie?
2020 bis 2022 war geprägt von der Pandemie. Etwas Vergleichbares gab es vorher noch nie. Kürzlich habe ich meine Antrittsrede gelesen, als ich 2014 gewählt wurde. Ich sprach von Herausforderungen der Branche. Erster Punkt: Die Reputation von GastroSuisse und des Gastgewerbes, zweitens die Sozialpartnerschaften und das Verhältnis zu den Mitarbeitenden. Dritter Punkt: Netzwerken im Gastgewerbe und im Tourismus und viertens der Ausbau von Dienstleistungen im Verband. Nun, in diesen zehn Jahren hat GastroSuisse an Ansehen und Bedeutung gewonnen. Unsere Auftritte und die Einflussnahme in Bundesbern haben dazu beigetragen. Das konnten wir während der Pandemie noch stärken. Mit dem Fünfpunkteplan respektive Avanti schauen wir, dass die Reputation der Berufe besser wird. Es ist allerdings nicht so, dass wir in diesem Bereich vorher nichts gemacht haben.
Und die anderen Punkte?
Beim Thema Sozialpartnerschaft ist viel passiert. Obwohl sich das Schweizer Stimmvolk dagegen ausgesprochen hat, gibt es in einzelnen Kantonen staatlich festgelegte Mindestlöhne. Die Gewerkschaften und teilweise unsere Sozialpartner verfolgen hier eine Doppelstrategie. Sie handeln mit uns Bedingungen aus, die sie dann auf gesetzlich festgelegtem Weg umgehen wollen. Deshalb ist die Motion Ettlin «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» aktueller denn je. Dazu gehört das Verhältnis zu den Mitarbeitenden. Wir müssen in unserer Branche die Anstellungsbedingungen so attraktiv wie möglich gestalten. Der Verband kann unterstützend wirken. Aber letztlich liegt die Verantwortung bei jedem einzelnen Unternehmer. Unsere Branche ist sehr heterogen, sie reicht vom Kebabstand bis zum Fünfsternehotel. Da gibt es keine Lösung im Sinn von «one size fits all».
Was zählen Sie zu den grössten Erfolgen Ihrer Arbeit?
Wir gehören heute zu den einflussreichen Branchenverbänden in der Politik und Wirtschaft. Hier haben wir einen grossen Schritt vorwärts gemacht. Der Verband steht gut da. Er ist auf operativer Ebene stabiler und besser organisiert als noch vor zehn Jahren, als es mehrfach Direktorenwechsel gab. Daniel Borner hat als langjähriger Direktor für Stabilität gesorgt, die nun Pascal Scherrer fortführt. Das ist eine gute Grundlage für meinen Nachfolger, den Verband mit den nötigen Anpassungen und Ideen erfolgreich weiterzubringen.
Was war für Sie die grösste Niederlage?
Ein Wermutstropfen ist die schwierige Situation bei der Hotelfachschule Zürich. Das tut mir weh. Ich versuchte, für meinen Nachfolger etwas Gutes zu hinterlassen. Aber wir haben noch keine Patentlösung. Es braucht viel Arbeit und die richtigen Entscheidungen für die Zukunft. Selbstverständlich stehe ich zur Verfügung, wenn das gewünscht ist.
Wieso hat GastroSuisse bei der Hotelfachschule Zürich nicht früher reagiert?
Die Probleme starteten vor meiner Zeit. Das Gebäude der Schule wurde vor zehn Jahren eröffnet und kostete 32 Millionen Franken. Hier wurde mit zu grosser Kelle angerichtet. Die finanzielle Last des Gebäudes ist heute enorm. Die kann man mit einem Schulbetrieb kaum auffangen. Klar, im Nachhinein ist man immer schlauer.
Generell heisst es in den Medien und teilweise innerhalb der Kantonalverbände, der Platzer entscheide allein. Dabei geht vergessen, dass die Präsidentenkonferenz die Entscheide unter Einbezug aller Kantone fällt. Wieso ist es nicht gelungen, diesen Unterschied klarzumachen?
Die Minderheiten, die laut schreien, hört man viel besser. Das ist in allen Bereichen so, beispielsweise auch bei der Diskussion um vegane Angebote oder beim Thema Gender. In den Präsidentenkonferenzen habe ich immer wieder gefragt, wie sie das in den Kantonen sehen. Die Antwort war stets, dass ein tiefer einstelliger Prozentsatz der Mitglieder das anders sieht. Bei 20 000 Mitgliedern ist das völlig normal.
Sie werden an der Delegiertenversammlung zum Ehrenpräsidenten von GastroSuisse vorgeschlagen. Wie gross ist Ihre Genugtuung?
Das ist für mich eine riesengrosse Ehre. Als ich davon hörte, war ich gerührt. So einen Titel gibt es nicht oft. Er ist aber auch eine Alterserscheinung. Und so alt fühle ich mich nicht...
Vor Jahren sagten Sie in einem Interview mit dem GastroJournal, wenn die Europarität oder der Schneemangel eintreten, müsse die Branche fähig sein, schnell zu reagieren. Nun sind viele weitere Herausforderungen dazu gekommen wie steigende Preise vom Olivenöl bis zur Energie. Wie optimistisch schauen Sie in die Zukunft?
Die Branche hat immer wieder bewiesen, dass sie sehr krisenresistent ist. Wir können uns anpassen und mit Krisen umgehen. Aber ja, wir stehen vor grossen Herausforderungen in einer Branche mit eng kalkulierten Preisen – aufgrund des Wettbewerbs.
Was empfehlen Sie Ihrem Nachfolger bei GastroSuisse?
Beim Netzwerken muss der Verband dranbleiben. Sonst wird er schnell vergessen. Die Pandemie hat gezeigt, welche gesellschaftliche, kulturelle und soziale Bedeutung des Gastgewerbes hat. Wir müssen darauf achten, dieses Bewusstsein in der Bevölkerung zu verankern. Zusätzlich ist das Image über die Anstellungsbedingungen in der Branche viel schlechter als in der Realität. Die meisten Mitarbeitenden haben deutlich höhere Löhne als der Mindestlohn. Das müssen wir hervorheben. Die allermeisten der rund 260 000 Mitarbeitenden arbeiten sehr gerne in der Branche. Aber auch hier ist es so: Jene, die laut schreien, werden besser gehört als die Zufriedenen. Wenn wir bei der Wertschöpfung alles einbeziehen, sorgt das Gastgewerbe für rund fünf Prozent der Wirtschaftsleistung. Und weil die Branche ein regelrechter Jobmotor ist, arbeiten praktisch acht Prozent des gesamten Arbeitsmarkts im Gastgewerbe!
Lesen Sie dazu die nächste Ausgabe des GastroJournals vom 13. Juni mit vielen Bildern aus der Karriere des Präsidenten von GastroSuisse.