«Der Job hat mir sehr viel gegeben»

Oliver Borner – 06. Juni 2024
Emil Bolli ist seit 28 Jahren Koch der Schweizer Fussballnationalmannschaft. Mit der Europameisterschaft 2024 bestreitet er mit der Nati sein letztes grosses Turnier.

Seit 1996 ist Emil Bolli als Koch für das leibliche Wohl der Schweizer Fussballnationalmannschaft zuständig. Nach knapp 30 Jahren im Dienst beendet der mittlerweile 70-Jährige Schwyzer seine Tätigkeit nach der Europameisterschaft im Sommer. Das GastroJournal konnte vor der Abreise nach Deutschland mit ihm über seine letzte grosse Fussballreise sprechen.

Emil Bolli, nach der EM 2024 ist für Sie Schluss als Koch der Schweizer Fussballnationalmannschaft. Welche Gefühle hegen Sie mit Blick auf Ihren Abschied?
Ich gehe mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Einerseits tut es weh, eine solch lange Tätigkeit aufzugeben. Andererseits ist es schön, mit einem grossen Turnier einen würdigen Abschluss zu haben.

 

Warum haben Sie sich für diesen Schritt entschieden?
Ich werde in diesem Jahr 70 Jahre alt und mache das bereits seit fast 30 Jahren. Irgendwann ist genug.

 

Seit 1996 waren Sie an praktisch jedem grossen Turnier der Nationalmannschaft mit dabei. Wie kamen Sie zu diesem Job?
Die Mannschaft ass und übernachtete damals bei meinem Arbeitgeber, dem Hotel Bern. Weil die Verantwortlichen mit allem rundum zufrieden waren, wurde ich angefragt, von da an bei den Auswärtsspielen dabei zu sein. So nahm das Ganze seinen Lauf.

 

Warum haben Sie damals zugesagt?
Wer würde das nicht? (lacht) Ich war schon immer ein grosser Fussballfan und liebe das Reisen und das Kochen. Mit dem Job konnte ich alles miteinander kombinieren. So einfach ist das.

 

Inwiefern haben sich die Essgewohnheiten und das Menü während ihrer Zeit verändert?
Grundlegend. Früher rannten die Spieler zwischen sechs bis acht Kilometer pro Spiel. Heute sind es bis zu zwölf Kilometer. Das hatte grosse Auswirkungen auf die Zusammenstellung des Menüs.

 

Was ist heute in Bezug auf das Menü anders als vor 28 Jahren?
Früher gab es meistens ein Menü. Heute stellen wir den Spielern ein ganzes Buffet zur Verfügung. Grundsätzlich ist das Menü energielastiger und fettarmer, aber auch mediterraner geworden. Beispielsweise durch den Einsatz von Olivenöl.

 

Wie sieht ein typisches Menü aus?
Ein typisches Menü besteht aus Salat, Suppe, Fleisch oder Fisch. Dazu eine Auswahl von drei bis vier verschiedenen Kohlenhydraten wie Reis, Teigwaren, Kartoffeln oder Polenta. Zusätzlich Gemüse und/oder Früchte und zum Schluss ein nicht zu süsses Dessert.

 

Was ist auf dem Teller Tabu?
Zucker. Entweder wird er ganz weggelassen oder durch Honig ersetzt. Wir verzichten zudem oftmals auf Milchprodukte. Rahm wird beispielsweise durch Kokosmilch ersetzt.

 

Welche Herausforderungen gehen damit für die Küche einher?
Es ist sicherlich nicht immer ganz einfach. Gerade wenn wir neben den «normalen» Gerichten auch laktosefreie oder glutenfreie Alternativen bieten müssen.

 

Apropos Herausforderungen: Wie herausfordernd ist jeweils die Beschaffung von Lebensmitteln vor Ort?
Das kommt ganz auf das jeweilige Land an. Im Normalfall mache ich mir im Vorfeld zwei Wochen vor Ort ein Bild von den Einkaufsmöglichkeiten und Lieferanten. Das meiste beschaffen wir daher vor Ort. Wenn wir was mitnehmen, sind es Gewürze, Birchermüesli oder Schokolade.

 

Wie ist das in diesem Jahr in Deutschland?
Das ist, soweit ich weiss, ganz ähnlich abgelaufen. Ich habe dieses Jahr nicht mehr die alleinige Verantwortung für die Küche. Mein Nachfolger, Francesco Baraldo Sano, hat als Küchenchef das Ruder bereits übernommen und sich eingearbeitet.

 

Die Übergabe ist also bereits vollzogen?
Ja. Ich bin für das letzte Turnier nur noch als Unterstützung in der zweiten Reihe dabei.

 

Bis Ende Juni sind Sie noch dabei. Welche Erinnerungen werden Sie aus ihrer Laufbahn mitnehmen?
Sehr viele positive. Ich habe viele nette Menschen kennengelernt und Freundschaften geschlossen. Wir sind zu einer grossen Familie zusammengewachsen und schätzen einander sehr. Zudem konnte ich dank des Nationalteams in viele Länder reisen, verschiedene Kulturen kennenlernen und zahlreiche Küchen von innen sehen.

 

Was werden Sie nach Ihrem Abschied vermissen?
Die vielen Bekanntschaften und Freunde - und natürlich den Fussball.

 

Was wünschen Sie der Nati für die EM und wie weit kommt das Team?
Ich wünsche dem Team ein gutes Turnier mit spannenden Matches. Ich hoffe natürlich, dass die Schweiz die K.O.-Phase erreicht. Danach ist alles möglich,