Caminada: Gourmet aus dem Garten

– 17. Juni 2021
Mit dem Restaurant Oz setzt der Dreisternekoch neue Massstäbe: Vegetarisch essen auf diesem Niveau – ein Novum in der Schweiz.

Die Caminada-Familie erhält Zuwachs: Im Oz – Rätoromanisch: heute – verzichtet der Dreisternekoch vom Schloss Schauenstein in Fürstenau GR komplett auf Fleisch, Fisch und Seafood. «Ich will nicht zum Vegi-Guru werden», hält Andreas Caminada (44) fest. «Ein schöner Hummer aus vertretbarer Herkunft, das darf auch mal sein. Es geht ums Mass.» Doch die Freude am eigenen Garten ist so gross, dass er diesem nun ein eigenes Restaurant widmet. Auf dem Schlossareal ersetzt das Oz die Remisa, die lange als Lokalität für Gruppenanlässe diente. So beauftragte Caminada das Architekturbüro Gasser Derungs mit der Umgestaltung.

Ein Tresen mit zwölf Plätzen und in der Mitte kocht Timo Fritsche (36). Der Deutsche arbeitete davor im Schloss und in der Casa Caminada, daneben half er intensiv bei der Pflege des Gemüsegartens. Fritsche: «Zu Spitzenzeiten sind es mittlerweile rund 700 Sorten, die bei uns wachsen, wenn ich alle Kräuter mitzähle.»

Wie geht Gourmet auf Vegetarisch?

Ein Gourmetmenü ohne Fisch, Fleisch und Seafood, zahlreiche Gerichte sind gar vegan – das fordert selbst Spitzenköche heraus. Wie interpretiert man die klassische Menüabfolge, wenn manch altbekannte Komponente wegfällt? Caminada: «Es geht darum, die gesamte Geschmackspalette abzurufen, eine Dramaturgie zu entwickeln, ein Sättigungsgefühl zu erzeugen. Süss, sauer, scharf, rauchig, erfrischend, sättigend, helle und dunkle Geschmäcke. Letztlich müssen wir einfach gut kochen.»
Klingt logisch, klingt simpel, ist es aber höchstens beim Apéro, den es bei schönem Wetter im Kiesgarten des Restaurants mit Blick auf die Berge gibt. Zum Glas Champagner serviert Restaurantleiter und Sommelier Giuseppe Lo Vasco (29) frisches und eingelegtes Gemüse und eine Mayonnaise zum Dippen, dann Spargel mit einem Croustillant an einer Estragoncrème.

Tierische Komponente im Gang fünf

Dann startet das Menü am Tresen – mit einem der besten Gerichte des Abends: grüne Erdbeere, Basilikumsorbet, Staudensellerie-Granité. Erfrischend, säuerlich, fruchtig. Es folgen herbe Kräuter aus dem Garten an einer leichten Vinaigrette. Dann ein süss-saures Erbsengericht mit Brunnenkresse, das Erbsenhumus dazu saugt der Gast direkt aus der gegrillten Schote. Die erste tierische Komponente gibt es im fünften Gang: 24 Stunden lang trocknet Fritsche Peperoni bei einer Temperatur von 80 Grad Celsius im Kombidampf. Dadurch erhält das Gemüse seine fleischartige Textur. Die Peperoni kombiniert er mit einem Frischkäse aus Andeer GR und rundet das Gericht mit einer Sauce aus Kapuzinerkresse ab – Vegi auf allerhöchstem Niveau, versehen mit der klaren Handschrift Caminadas.

Das Menü besteht wahlweise aus neun oder zwölf Gängen für 189 respektive 224 Franken. Spätestens nach einem Gespräch mit Fritsche über die einzelnen Gerichte und den Aufwand dahinter ist klar: ein fairer Preis für dieses einzigartige, originale Dinner.

Die letzten Gänge scheinen logisch: Schweizer Käse mit einer zuerst gedörrten und dann eingelegten Rosmarin-Aprikose, ein erfrischendes Pre-Dessert mit Rhabarber und Kopfsalat und zuletzt eine geeiste Brombeerkugel mit Kefir und Fichtennadeln. Doch welches Gericht war denn nun der Hauptgang? Welche waren die Zwischengerichte? Das spielt im Oz – zumindest für den Gast – keine Rolle. Dieser wird überrascht, verwöhnt und bestens unterhalten. Er ist beim Zubereiten und Anrichten unmittelbar dabei, hört Geschichten direkt vom Koch und geniesst, was mehrheitlich direkt vor dem Haus gewachsen ist.

Einmal mehr setzt Caminada neue Massstäbe. Wann ziehen die nächsten Spitzenköche mit einem reinen Vegi-Restaurant nach?