Tourismus

Zur Zukunft des alpinen Tourismus: zum Beispiel Adelboden

Peter Grunder – 02. November 2017
Zwar sind die Zahlen wieder besser. Aber der alpine Tourismus steckt in einer Krise und in einem Wandel. Betroffen davon sind Menschen und Dörfer. Zum Beispiel in Adelboden.

Als Schulkind schon habe sie Hotelfachassistentin werden wollen, erzählt Pia Zryd-Burn, alteingesessene Adelbodnerin und zusammen mit Esther Reimann Gastgeberin in der Alten Taverne: «Ich wollte um Menschen herum sein und mit Gästen von ausserhalb zu tun haben.» Zwar schnupperte die Tochter eines Bauunternehmers vor Ort im Hotel Beau-­Site als Hofa, doch nach dem ­Welschlandjahr wurde eine kaufmännische Ausbildung mit dem Branchenschwerpunkt Reception daraus. Es folgten verschiedene Saisonstellen ausserhalb und der bernische Wirtekurs, dann konnte sie in Adelboden bei Familie Loretan im Hotel Adler als Receptionistin anfangen, wurde Chef de Reception und Direktionsassistentin: «Das habe ich sehr genossen, wir waren ein gutes Team, ich durfte viel Verantwortung tragen, und ich wurde Teil dieser gastgewerblichen Familie, die es in den touristischen Bergdörfern gibt.» Dieser Zusammenhalt habe sich inzwischen etwas verloren, findet Pia, man gehe im Gastgewerbe eher eigene Wege. Vielleicht hänge es zwar auch mit einer anderen Wahrnehmung zusammen, meint sie zweifelnd, schliesslich ist sie seit 1996 gemeinsam mit Esther Reimann selbstständig – zuerst zehn Jahre lang in der ersten Apéro-Bar in Adelboden, und seit 2011 in der Alten Taverne, die als Speise- und Kultur­lokal positioniert ist. Obwohl die Mutter dreier praktisch erwachsener Söhne und Frau des bildenden Künstlers und ehemaligen Spitzensportlers Björn Zryd stark und selbstbewusst wirkt, scheinen sie Zweifel zu begleiten. «Die Abhängigkeit vom Tourismus ist eine Tatsache, aber vielleicht verdränge ich das.» Wohl sehe sie, wie sich der Tourismus enorm entwickelt und in den letzten Jahren verändert habe. «Es ist unverbindlicher geworden», findet sie, «die Gäste sind weniger lang und weniger oft hier, dafür hat der Tagestourismus stark zugenommen». Natürlich sorge sie sich um die Zukunft des Wintersportes, der für Adelboden von grosser Bedeutung ist, natürlich sehe sie die heikle, aber unverzichtbare Funktion von Mäzenen, natürlich die zunehmende Internationalisierung mit ihren Risiken und Chancen. Aber eine aktive Rolle bei der touristischen Ausrichtung Adelbodens habe sie nie wahrnehmen wollen. «Ich bin ein Teil des Angebotes», bringt sie es nüchtern auf den Punkt. Politisch etwas zu bewegen sei schwer, überdies finde sie es fragwürdig, andere von den eigenen Standpunkten zu überzeugen. Insofern konzentriert sie sich auf ihren Garten: Die Alte Taverne ist ein Bijou, und die Kooperation mit den ­Restaurants Alpenblick und Hohliebestübli, die ebenfalls auf hohem Niveau von Adelbodner Familien geführt werden, lässt Weitblick erkennen. Insofern schaut Pia Zryd-Burn durchaus über den Tellerrand hinaus, und ziemlich bewusst setzt sie professionell und mit Herzblut ein Gegengewicht zum Unverbindlichen im heutigen Tourismus: «Manchmal staunen die Gäste, wenn man sie wiedererkennt», verdeutlicht sie, «aber sie schätzen es auch und freuen sich». Zwar werde man sich vielerorts vom traditionellen Wintersportgeschäft verabschieden müssen, zwar würden in Zukunft wohl auch weniger Menschen in den touristischen Bergdörfern ein Auskommen finden. Aber die Landschaft mit ihren Dörfern blieben Trümpfe, und gerade Adelboden sei stark darin, «die Gäste nicht als Touristen wahrzunehmen, sondern als Menschen». Diese Qualitäten seien wertvoll, und insofern sehe sie auch eine Zukunft für den alpinen Tourismus: «besuchen und geniessen.»