Tourismus

Völlig unterschiedliche Berufe

Peter Grunder – 19. Juli 2017
Die extreme Wandlung übergeordneter und fremdfinanzierter Tourismusorganisationen ist zwar augenfällig, aber kaum ein Thema. Eine Ursachenforschung.

Wer im Internet «Kurdirektor» eingibt, bekommt gegen 70 000 Einträge serviert, «Tourismusmanager» bringt es auf weniger als 50 000 Treffer, der «Verkehrsdirektor» noch auf gut 12 000. Destinationsmanager allerdings bringen es auf satte 1,75 Millionen Einträge. Das ist zwar der Internationalität des Begriffs und des Berufsfeldes geschuldet. Aber die unterschiedliche Verbreitung hat auch damit zu tun, dass der Kurdirektor eine aussterbende Gattung ist.

Allerdings trügt dieser Eindruck: In Stationen mit starken Unternehmen, die über eigene Verkaufsabteilungen verfügen, ist der Kurdirektor noch immer gefragt. Denn hier geht es weniger darum, als Destinationsmanager den Unternehmen unter die Arme zu greifen und ihnen auf die Märkte zu helfen (vgl. Kasten DMO). Vielmehr muss der Kurdirektor in Tourismusorten mit starken Akteuren darauf achten, niemanden zu bevorzugen oder zu übervorteilen, Dass touristische Jobprofile etwas mit dem touristischen Umfeld zu tun haben, ist offensichtlich (v.l.): Bergün, Luzern, Ascona und Interlaken. sondern allen einigermassen gerecht zu werden – Zermatt oder Interlaken sind solche Fälle. Ähnliches gilt aber auch in Gebieten, wo Tourismus nebenher läuft: Auch hier haben Tourismusmanager oft mehr auf die Befindlichkeiten der wirtschaftlichen und politischen Akteure zu achten als auf eine Professionalisierung des Destinationsmanagements – Anschauungsunterricht bietet hier zurzeit St. Gallen.

Der Tourismusdirektor wird an solchen Orten im besten Fall zum Moderator und Koordinator, im schlechtesten ist er wahlweise «Hofnarr oder Laufbursche», wie es ein langjähriger Direktor gegenüber GastroJournal einmal ausdrückte.

enorme Unterschiede im Berufsfeld gibt es zwischen ländlichen und städtischen Regionen. Während es in Städten eher darum geht, mit Anspruchsgruppen gemeinsame Positionen zu finden, gilt es auf dem Land, mit einzelnen Persönlichkeiten klarzukommen. Systemisch macht das allerdings keinen Unterschied: Wo auch immer Tourismusorganisationen sind, haben sie einerseits via Kurtaxen den Gästen zu dienen, andererseits den Anbietern (vgl. Kasten). Wie namentlich das St. Galler Modell des Destinationsmanagements zeigt, ist das durchaus kein Spagat, sondern ein stabiler Schienenstrang. Jede Region und jeder Betrieb ist für bestimmte Gäste geeignet. An der Destinations- Management-Organisation (DMO) ist es nun, einerseits auf diese Eignungen und mögliche Produkte hinzuweisen, und andererseits bei deren Vermarktung zu helfen.

Nicht leiden sollten darunter die Organisationen vor Ort, die in der Regel über Kurtaxen finanziert sind. Sie haben sich darum zu kümmern, dass sich die Gäste vor Ort wohlfühlen. Und das betrifft vorab Leistungen, die ein einzelner Unternehmer nicht erbringen kann, die Gäste aber erwarten – und im besten Fall überraschen.

Angebot und Produkt
Angebote sind im Gegensatz zu Produkten nicht in Wert gesetzt, kosten also quasi nichts: Ein See oder ein Berg sind Angebote, doch erst wenn Schiffe oder Bahnen fahren und Gäste dafür zahlen, werden Produkte daraus. Im Einzelnen schaffen diese Produkte Einzelbetriebe, in touristischen Wertschöpfungsketten sind DMO gefragt. Kurvereine
Weil Einzelbetriebe nicht übergeordnete Angebote wie Wanderwege oder Kurorchester bezahlen wollten, entstanden schon im 19. Jahrhundert Tourismusorganisationen. Sie kümmerten sich um die Gäste vor Ort und wurden durch Kurtaxen dieser Gäste finanziert. Dieses System ist immer noch verbreitet und sinnvoll, denn zufriedene Gäste sind entscheidend.
DMO
Destinations-Management-Organisationen (DMO) kümmern sich im Gegensatz zu Kurvereinen nicht um die Gäste, sondern um die Anbieter – und sind also auch nicht mit Kurtaxen finanziert, sondern etwa aus Beherbergungsabgaben, Beiträgen oder eigenen Erträgen. DMO helfen den Unternehmen bei der Schaffung und Vermarktung von Produkten.