Der Fachkräftemangel ist eine grosse Herausforderung für den Schweizer Tourismus. Für die Leistungsträger wird es immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden - insbesondere für die anspruchsvolle Wintersaison. Die Tourismusorganisation Savognin Bivio Albula AG startete deshalb im September des vergangenen Jahres die Kampagne «Auszeit», um die Leistungsträgerinnen und -träger im Tal zu unterstützen.
Die Idee war, die offenen Saisonstellen bei der Bergbahn, der Skischule oder der Gastronomie mit Personen zu füllen, welche sich für mehrere Wochen eine Auszeit von ihrem eigentlichen Job nehmen wollten. Auch Pensionierte und Studierende sollten damit angesprochen werden. Interessierte konnten sich unverbindlich über ein Formular auf der Internetseite bewerben und angeben, für welchen Zeitraum sie zur Verfügung standen. Daneben wurde die Kampagne mit Videos und Bildern auf den sozialen Medien beworben.
Überwältigender Erfolg
Fünf Monate später strahlt Projektleiterin Tanja Amacher, Direktorin der Savognin Bivio Albula AG, übers ganze Gesicht. «Die Kampagne ist ein riesiger Erfolg», erzählt sie. Sie habe innert kürzester Zeit so viele Anfragen bekommen, dass sie einige Personen sogar abweisen musste, weil alle Stellen bereits besetzt waren. «Insgesamt haben sich über 70 Personen gemeldet - mehr, als wir eigentlich gesucht haben», sagt sie. Die Bewerbungen kamen aus allen Gesellschafts- und Altersschichten.
Ein grosser Erfolg, den selbst die Initianten überrascht. «Wir hatten eine zwar die Hoffnung, dass es funktionieren könnte. Aber, dass es so gut laufen würde, damit haben wir nicht gerechnet», so Amacher. Ganz zufällig ist der Erfolg allerdings nicht. Bereits vor vier Jahren lancierte die Tourismusregion eine Kampagne mit dem Namen «Schneepraktikum», in der sie Personen über 60 Jahre suchte, um Ski- und Langlaufpisten oder Trails in der Tourismusregion zu präparieren. «Bereits damals gingen über 200 Bewerbungen ein», sagt Amacher. Dies habe den Leistungsträgern aber die Augen geöffnet und gezeigt, dass eine solche Kampagne funktionieren kann. «Dank dieser Erfahrungen konnten wir die diesjährige Kampagne so schnell und erfolgreich auf die Beine stellen», so Amacher.
Tanja Amacher: «Wir hätten nie mit einem solchen Erfolg der Kampagne gerechnet.»
Sehr gutes Feedback
Der Erfolg spiegelt sich auch bei den Arbeitgebenden wider. «Wir sind sehr zufrieden mit den Personen, die sich bei uns gemeldet haben», sagt Lothar Künzli, Geschäftsführer der Skischule Savognin. Auch dank der Kampagne habe man alle 22 Positionen besetzen und den Touristinnen und Touristen ein gutes Angebot bieten können. «Gemeldet haben sich vor allem Frühpensionierte, welche in Savognin eine Ferienwohnung haben, oder junge Studenten, die für ein paar Wochen einen Job suchten», so Künzli.
Einer dieser Aushilfen ist Urs Engesser. Der 64-Jährige war über 30 Jahre Rega-Pilot und ist Frührentner. Im vergangenen Herbst wurde er durch das Tourismusmagazin «Aktuell» der Region Savognin auf die Auszeit-Kampagne aufmerksam. «Warum nicht?», sagte er sich und bewarb sich als Skilehrer. Nach einem zweitägigen Einführungskurs übernahm er seine ersten Skischüler. «Das war viel Inhalt auf einmal. Ab dann hiess es «Learning by doing, aber es passt», sagt er. Die Skischule sei ein sehr gutes Team, in dem man sich stets unterstütze.
Einen anderen Weg eingeschlagen hat Lorina Gräppi aus dem Berner Oberland. Die 19-Jährige befindet sich nach ihrem Gymi-Abschluss in einem Zwischenjahr. Über Instagram war sie auf die Kampagne aufmerksam geworden und bewarb sich noch am selben Tag. Mittlerweile arbeitet sie in Après-Ski Bar Alpen Chic neben der Talstation der Bergbahnen Savognin. Daneben unterhält sie als Maskottchen Flurin die Kinder im Skigebiet. «Es ist ein cooler Job, auch wenn es manchmal heiss unter dem Kostüm werden kann», sagt sie.
Das Fazit der beiden fällt auf der ganzen Linie positiv aus. «Das Auszeit-Erlebnis im Val Surses kann ich nur weiterempfehlen. Der Ablauf ist unkompliziert und es gibt verschiedene Jobangebote. Eine tolle Möglichkeit, um etwas Neues zu lernen und zu erleben», sagt Urs Engesser. Auch Lorina hat ihren Spontanentscheid nicht bereut: «Ich liebe die Abwechslung und lerne hier neue Menschen und eine wunderschöne Gegend kennen. Ich habe mich definitiv richtig entschieden.»
Lorina Gräppi (l.) und Urs Engesser arbeiten diesen Winter beide im Val Surses. (Bild: zVg)
«Es braucht alle»
Für Tourismusdirektorin Amacher ist klar, wieso die Kampagne ein solcher Erfolg geworden ist. «Es ist schlussendlich ein Gemeinschaftsprojekt. Wir haben es geschafft, alle Leistungsträger - von Skischule über Gastronomie bis Hotellerie - an einen Tisch zu bringen und eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten.» Hätte man das nicht geschafft, wäre die Kampagne wohl nie realisiert worden. Deshalb gibt sie anderen Regionen, welche ebenfalls eine solche Kampagne auf den Weg bringen wollen, einen wichtigen Tipp auf den Weg: «Es müssen alle an einem Strang ziehen, sonst funktioniert es nicht!»
Dem stimmt Skischule-Leiter Lothar Künzli zu und ergänzt: «Ich bin überzeugt, dass die Kampagne die Hemmschwelle für viele Personen gesenkt hat. Viele Personen wären sicher schon lange dazu bereit gewesen, solche Saisonjobs zu machen, hatten sich aber nie getraut, zu fragen», sagt er. Es sei deshalb schön zu sehen, dass sich dies mit dieser Kampagne geändert habe.