Tourismus

«Swissness» ist seit Anfang Jahr Gesetz

Peter Grunder – 02. Februar 2017
Seit Anfang Jahr ist «Swissness» gesetzlich ­geregelt. Es ist in Theorie und Praxis eine Leidensgeschichte, die noch nicht vorbei ist.

Als vor gut zehn Jahren politische Vorstösse von links und rechts Bern erreichten, fanden manche, es gehe ja nur darum, die Schweizer Uhren­industrie zu schützen, und sprachen von einer «Lex Hayek». Andere dagegen meinten, es gehe doch ums Zementieren der geschützten Werkstatt und Hochpreisinsel der Schweizer Landwirtschaft. Als der Bundesrat schliesslich 2009 soweit war, ging es seiner Meinung nach darum, «dass der Wert der ‹Marke Schweiz› auch für die Zukunft erhalten bleibt». Das war zu lesen in der sogenannten «Swissness-Vorlage», der bundesrätlichen «Botschaft zur Änderung des Markenschutzgesetzes und zu einem Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen». Seit Anfang 2017 ist das revidierte Gesetz nun in Kraft, und vorderhand muss es als abschreckendes Beispiel dienen:

  • Bundesbern hat ein Gesetz von rund 65 000 Zeichen geschaffen – es hier abzudrucken, würde nahezu 10 Zeitungsseiten beanspruchen.
  • Bundesbern hat ein Gesetz geschaffen, das viele namhafte und traditionsreiche Schweizer Unternehmen seit Jahren beschäftigt und verunsichert – und weiterhin beschäftigen und verunsichern wird.
  • Bundesbern hat ein Gesetz geschaffen, bei dem weder die Konsequenzen noch der Vollzug abschätzbar sind – und bei dem erst Gerichtsverfahren und Urteile von Justizbehörden in der Schweiz und im Ausland nach und nach Klarheit schaffen werden.
Stellvertretend für eine ganze Branche äusserte sich letzte Woche Andreas Hug, in vierter Generation Geschäftsleiter des gleichnamigen Familienunternehmens, das seit 1877 mit Schweizer Backwaren erfolgreich ist: «Die Vorlage grenzt an eine Nötigung der Lebensmittelindustrie durch Politik und Behörden.» Dabei hatten es wohl alle gut gemeint: «Schweizer Produkte und Dienstleistungen geniessen im In- wie im Ausland einen hervorragenden Ruf», hatte der Bundesrat in seiner Botschaft vorausgeschickt: «Parallel zum Erfolg der ‹Marke Schweiz› sind auch die Missbräuche stark angestiegen.» Das habe unter anderem «zu Klagen aus der Wirtschaft sowie von Konsumentinnen und Konsumenten geführt». Die theoretischen und die praktischen Knacknüsse benannte der Bundesrat dabei gleich selbst: «Wie viel ‹Schweiz› muss in einem Produkt oder einer Dienstleistung sein, damit ‹Schweiz› drauf stehen darf?» Vieles sei hier offen und trage der wirtschaftlichen Realität zu wenig Rechnung; ausserdem würden «Missbräuche weder in der Schweiz noch im Ausland genügend rigoros verfolgt». Die Regeln, die ein Produkt oder eine Dienstleistung «schweizerisch» machen, waren aber vom Kaffee bis zu den Haselnüssen kaum zu fassen. Dies, weil verschiedenste Interessen die Gesetzgebung beeinflussten. Vor allem aber ist «Swissness» letztlich etwas Ideologisches und Mythologisches, das sich juristisch nicht wirklich fassen lässt. Aber vielleicht bringen guter Wille und Kompromissfähigkeit auf Dauer doch mehr als Juristenfutter und Produzentenärger.