So wichtig sind Messen für die Hotellerie und Gastronomie

Isabelle Buesser-Waser – 15. September 2022
Messen und Kongresse entscheiden in diversen Schweizer Städten über Sein oder Nichtsein der Hotellerie und Gastronomie. Doch wie steht es um die Zukunftsaussichten? Das Metier hatte schon in den letzten Jahren vor der Coronakrise zu kämpfen. Ein Blick auf ein spannendes Projekt in Montreux VD.

Das 2m2c ist das Kongresszentrum in der Stadtmitte von Montreux VD. Hochburg für Konzerte, Messen und Konferenzen. Spektakuläre Räume, atemberaubendes Panorama. Montreux Comedy Festival, Klassikfestival Septembre Musical und vor allem das berühmte Montreux Jazz Festival. Und Messen wie etwa die Polymanga mit 40 000 Besuchern innert vier Tagen. Das 2m2c ist entsprechend die tragende Säule des Hotel- und Gaststättengewerbes der Region. Eine wackelige Angelegenheit in Zeiten der Corona-, Ukraine- und Energiekrise? Bereits bevor Brandherde die Welt durchschüttelten, zeigte sich ein Negativtrend in der Messe- und Konferenzbranche. Physische Treffen fielen oftmals digitalisierten Treffen zum Opfer. Manch traditionsreiche Messe starb schon, ehe das Coronavirus ausgebrochen ist und das Reisen weitgehend verunmöglichte. Dennoch: Das 2m2c wird 2023 für 78 Millionen Franken renoviert – ein klares Bekenntnis und ein positives Zeichen für all jene Restaurants und Hotels, deren Existenz von Messen abhängt. Das GastroJournal traf 2m2c-Direktor Rémy Crégut und Jean-Baptiste Piemontesi, den zuständigen Stadtrat, zum Gespräch.

Wie ist das Verhältnis zwischen Geschäfts- und Freizeittourismus in Montreux?
Jean-Baptiste Piemontesi (JBP): Wir führen keine Statistik. Die Tourismusbranche schätzt, dass die beiden Sektoren gleichwertig sind.

Geschäfts- oder Ferienreisende: Welche sorgen für mehr Umsatz?
Rémy Crégut (RC): Laut einer Studie von Ernst & Young von 2013 sind die Ausgaben pro Besucher bei MICE-Events (Anm. d. Red.: das Kürzel steht für Meeting, Incentive, Congress und Events) höher. Professionelle Veranstaltungen, insbesondere Kongresse mit Ausstellungen, tragen wesentlich mehr zum Umsatz des 2m2c bei und sind daher finanziell unverzichtbar.

Welchen Einfluss hat das 2m2c auf die regionale Wirtschaft?
RC: Laut der Studie sorgt das 2m2c für 81 Millionen Franken Umsatz in Montreux. Davon entfallen fast 60 Prozent auf das Hotel- und Gaststättengewerbe. Die Aktivitäten des 2m2c haben auch einen umfassenden Einfluss auf die Arbeitsplätze in der Region. So garantieren sie gegen 250 Vollzeitarbeitsplätze im Gastgewerbe. Das Montreux Jazz Festival und die Fachtagungen, die sich über mehrere Tage erstrecken und ein grosses Publikum anziehen, sind die Veranstaltungen, die den Akteuren des Gastgewerbes in der Stadt die höchsten Einnahmen bescheren. Bei internationalen Kongressen werden die Teilnehmer sogar oft in Nachbarstädten untergebracht, da es in Montreux nicht genügend Betten gibt.
JBP: Nicht nur das Kongresszentrum bietet Konferenzräume an, sondern auch Hotels wie das Montreux Palace verfügen über Räumlichkeiten, in denen Konferenzen abgehalten werden können. All diese Veranstaltungen steigern den Konsum in der gesamten Region erheblich, nicht nur durch die Teilnehmer, sondern auch durch die mitreisenden Ehepartner.

Wie gut erholt sich das 2m2c von der Coronakrise?
RC: Ziemlich gut. Wir haben etwa 90 Prozent des Umsatzes für 2019 erreicht. Ich muss zugeben: Wir hatten auf einen noch stärkeren Aufschwung gehofft, aber aufgrund des Krieges in der Ukraine und des noch nicht ganz ausgestandenen Virus verschieben einige Unternehmen ihre Veranstaltungsprojekte. Wir stellen jedoch fest, dass der Aufschwung bei kulturellen Veranstaltungen enorm ist und dass die Pandemie die Präsenzveranstaltungen nicht umgebracht hat, ganz im Gegenteil.
JBP: Ich möchte anfügen, dass der Wandel hin zu virtuellen Events eher bei kleinen Treffen mit weniger als zehn Personen geschieht. Kongresse und Unternehmensveranstaltungen sind weniger betroffen. Allenfalls ergänzen Firmen ihre physischen Anlässe mit Hybridformen und werden so teilweise virtuell.

Das Gebäude soll 2023 umfassend renoviert werden. Weshalb?
RC: Wir haben vor mehr als zehn Jahren begonnen, über die Renovierung des Gebäudes nachzudenken: in einem ersten Schritt unsere weniger genutzten, veralteten Räume aufzuwerten, und dann in einem zweiten Schritt die Anforderungen der Kantonalen Gebäudeversicherung (KGV) an die Sicherheit zu erfüllen. Da diese Anforderungen umfangreiche und kostspielige strukturelle Anpassungen mit sich bringen, hielt es der Eigentümer für sinnvoll, die Gelegenheit für eine Modernisierung zu nutzen.

Congres Montreux NR DSC2125 WEB v2

Die riesige Fensterfront des 2m2c, die dem See zugewandt ist, stellt aufgrund des erhöhten Erdbebenrisikos in der Region eine Gefahr dar. Sie muss bei der Modernisierung ersetzt werden (Foto: Nicolas Righetti)

Das Projekt wird nun konkret. Es ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit und zahlreicher Wendungen.
RC: Nach Sicherheits- und Werterhaltungsarbeiten im Jahr 2012 haben wir 2018 eine Renovierung in Höhe von insgesamt 87 Millionen Euro angekündigt, die zu einem Drittel aus dem Gemeindehaushalt, zu einem Drittel durch ein zinsloses Darlehen des Kantons und zu einem Drittel durch eine neue Tourismusabgabe finanziert wird. Das Projekt wurde vom Gemeinderat genehmigt, und um ein Oppositionsreferendum zu vermeiden, wurde es im Februar 2019 einem spontanen Referendum unterzogen. Das Nein gewann um wenige Stimmen, und aufgrund eines Verfahrensfehlers wurde die Abstimmung im August 2019 für ungültig erklärt. Um die politischen Spannungen um die Renovierung abzubauen, wurde das Projekt angepasst und das Budget nach unten korrigiert. Im September 2020 wurde erneut abgestimmt und mit überwältigender Mehrheit angenommen. Wir werden also im August 2023 nach dem Montreux Jazz Festival mit den Bauarbeiten beginnen. Ziel ist es, im Mai 2025 fertig zu sein. Das Festival wird also 2024 in einer anderen Form stattfinden müssen, aber dieser Zeitplan wird es ermöglichen, die Verluste für die Region im Zusammenhang mit diesem Spitzenevent in Grenzen zu halten.

Wie wirken sich die Projektpläne auf die Buchungen des 2m2c aus?
RC: Seit 2018 bewerben wir uns nicht mehr als Ausrichter von Kongressen, da die Verträge mehrere Jahre vor der Veranstaltung unterzeichnet werden müssen und verzeichnen deshalb in diesem Segment Umsatzeinbussen. Wir werden jedoch bald damit beginnen können, unsere Räumlichkeiten für Kongresse nach 2026 anzubieten.

Wie arbeitet das 2m2c mit den Gastronomen der Region zusammen?
RC: Da wir vor Ort kein eigenes Gastronomieangebot haben, arbeiten wir mit den Lokalen in Montreux zusammen, um tagsüber einen Catering-Service anzubieten. Wir stehen auch in Kontakt mit ihnen, um die Teilnehmer am Abend auf verschiedene Lokale zu verteilen.

Welche Änderungen sind im Rahmen des Renovierungsprojekts geplant?
RC: Das Ziel der Renovierung ist es, das Gebäude zu einem ECA-konformen, sicheren, flexiblen und lebendigen Ort zu machen. Das Projekt wird veraltete Techniken erneuern, die architektonische Einheit der beiden Gebäude aus verschiedenen Epochen wiederherstellen und die Anzahl der Eingänge und Verkehrswege erhöhen, um die gleichzeitige Nutzung der verschiedenen Räume zu erleichtern. Die Struktur wird gleich bleiben, aber modernisiert werden, und die Räume, die den Erfolg des 2m2c ausmachen, wie das Auditorium Stravinski, werden erhalten bleiben.

Abgesehen von sicherheitstechnischen Arbeiten: Welche Neuerungen sind geplant, um das Gebäude zu modernisieren?
RC: Wir möchten den Raum zu einem lebendigen Ort mit einer starken Identität machen, die auf dem musikalischen Erbe der Stadt basiert. Im Rahmen einer Strategie zur Entwicklung der Tourismuswirtschaft der Gemeinde arbeiten wir an einem Gastronomieangebot und einem interaktiven Kulturangebot, die das ganze Jahr über für die Öffentlichkeit zugänglich sein könnten.
JBP: Die Türen des 2m2c sollen immer offen sein, sowohl für die Einwohner von Montreux als auch für Besucher, selbst wenn keine Veranstaltungen stattfinden. Das Angebot soll zu einem eigenständigen Ziel werden. Wir stellen uns ein Bühnenerlebnis mit allen Vorbereitungen auf der Backstage-Bühne vor, das durch Virtual Reality verstärkt wird. Das Verkehrsbüro, Kulturschaffende, Hoteliers und Gastronomen sind in den Modernisierungsprozess eingebunden.

Wie sieht die langfristige Tourismusstrategie aus?
JBP: Unser Ziel ist es, dass die Stadt zwölf Monate im Jahr attraktiv ist. Wir brauchen also eine Strategie und Angebote, die es ermöglichen, die Anlässe über das ganze Jahr zu verteilen. Veranstaltungen wie das Montreux Jazz Festival, der Musikalische September, das Montreux Comedy Festival, der Weihnachtsmarkt, MICE-Events sowie die Attraktivität des Sees und der Landschaft in der warmen Jahreszeit lassen die Stadt von April bis Dezember leben. Nun geht es darum, auch Veranstaltungen von Januar bis März anzuziehen. Darüber hinaus streben wir eine nachhaltigere Tourismusentwicklung an. Unser Ziel ist es, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer zu verlängern und uns als Reiseziel für deutschsprachige Touristen aufzuwerten.