Tourismus

Schweizer Destinationen im Vergleich

Peter Grunder – 20. Februar 2018
Seit bald zwei Jahrzehnten messen und vergleichen die Wirtschaftsforscher von BAK Basel Economics unter anderem den Wettbewerb im Tourismus. Oft gelangen die Resultate aber nicht an die Öffentlichkeit, weil Auftraggeber wie zum Beispiel Destinationsmanagementorganisationen sich nicht in die Karten blicken lassen wollen. Aber es gibt Ausnahmen wie das "Internationale Benchmarking Programm für den Schweizer Tourismus – die Daten für die Projektphase 2016-2017 liegen vor.

«Die Performance des Tourismusstandortes Schweiz fällt im Untersuchungszeitraum unterdurchschnittlich aus», hält der druckfrische, frei verfügbare Schlussbericht zur Wettbewerbsfähigkeit der alpinen Destinationen nüchtern fest (vgl. Kasten). «Der Schweizer Tourismussektor konnte die Zahl der Hotelübernachtungen nur leicht steigern und hat somit Marktanteile gegenüber den Nachbarländern verloren», führt das knapp 200 Seiten umfassende Papier weiter aus. Der Bericht weist damit auf eine systemische Schwäche hin, die GastroJournal von ­allem Anfang aufgestossen ist: Der Fokus liegt nämlich auf Hotelübernachtungen. Dies obschon andere Beherbergungsformen seit jeher von grosser Bedeutung sind – und im Zuge potenter Märkte wie Indien oder Arabien und neuer Plattformen wie Airbnb noch zugenommen ­haben. Zwar verteidigen sich die Autoren: «Im Bereich der Parahotellerie und insbesondere im Bereich der Zweitwohnungen ist die Datenlage dünn bis sehr dünn.» Der Mangel bleibt freilich bestehen, und er ist bei der Einordnung der Resultate zu berücksichtigen: Stationen wie Adelboden, die wenig Hotellerie, aber eine starke Parahotellerie, eine gute Gastronomie und leistungsfähige Bergbahnen haben, fallen teilweise durch die vorliegenden Raster. Bei den Auftraggebern der Studie – den Kantonen Bern, Graubünden, Wallis, Waadt und Tessin sowie Luzern Tourismus – dränge man indes zu einer Verbesserung: Es sei nur «eine Frage der Zeit», bis die Parahotellerie einfliesse, heisst es beim BAK Basel Economics. Das Kind sei jedenfalls nicht mit dem Bade ausgeschüttet: Der Schlussbericht zum «Internationalen Benchmarking Programm für den Schweizer Tourismus: Projektphase 2016–2017» bleibt ein Füllhorn an wertvollen Informationen. So hat die Schweizer Hotellerie zwischen 2000 und 2016 quantitativ nur 3.8 Prozent gewonnen, während allein die umliegenden Länder Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich volle 23 Prozent zulegen konnten. Ein «wichtiger Grund dafür» sei zwar «die für die Schweiz negative Entwicklung des Wechselkurses», hält die Studie fest. Aber «auch bezüglich der Auslastungszahlen und der Erwerbstätigenzahlen im Gastgewerbe» falle «die Schweiz hinter die Performance der Vergleichsländer zurück». Eindrücklich in Szene setzt sich der Städtetourismus als «Motor des insgesamt schwächelnden Tourismussektors in der Schweiz» – und der alpine Raum als sein Bremsklotz: Die grossen Schweizer Städte konnten ihre Logiernächte seit Anfang des Jahrhunderts um über 40 Prozent steigern. Im Gegensatz dazu haben die Hotelübernachtungen der alpinen Feriengebiete im gleichen Zeitraum um knapp 14 Prozent nachgegeben. Ursache für die schwierige Wettbewerbssituation in den Alpentälern sei freilich nicht nur das hohe Preisniveau des Schweizer Tourismus: Die Preise im Gastgewerbe lagen 2016 laut der Untersuchung satte 35 Prozent über den Preisen der Vergleichsländer. Eine weitere «relative Schwäche» betreffe das Beherbergungsangebot: «Zum einen ist die Schweizer Tourismuswirtschaft vergleichsweise klein strukturiert und verfügt über weniger Betten pro Betrieb als die Vergleichsländer», halten die Autoren fest. Zum anderen sei zwar die Luxushotellerie sehr gut aufgestellt, was letzte Woche in GastroJournal auch der Accor-Gründer Paul Dubrule bestätigt hat. Aber mehr als jedes zweite Hotel in der Schweiz sei nicht klassiert, «zehn Prozentpunkte mehr als beim Hauptkonkurrenten Österreich». Dies könne «auf ein Qualitätsdefizit in gewissen Marktsegmenten hindeuten» – ein Steilpass fürs Qualitäts-Programm des Schweizer Tourismus (GJ06). Trotz solcher Schwächen beurteilt der Bericht «die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Tourismuswirtschaft generell als sehr erfreulich» – dies mit Blick auf die regelmässigen touristischen Wettbewerbsvergleiche des «World Economic Forum» (GJ16/2017). In der Waagschale liegen demnach «sehr tourismusfreundliche Rahmenbedingungen, hervorragende Infrastruktur, eine hohe ökologische Nachhaltigkeit und eine hohe Umweltqualität». Die Besten Richard Kämpf, heute Leiter Tourismuspolitik beim Bund, hatte vor bald 20 Jahren beim BAK Basel die touristischen Messinstrumente mitentwickelt. Der sogenannte «BAK Topindex» vergleicht Destinationen nach Nachfrageentwicklung, Auslastung und Ertragskraft, nachfolgend die besten alpinen Destinationen zurzeit – und die Ränge bei früheren Messungen. Destination Note 2011 2007

  1. Kleinwalsertal 5,1 4. 8.
  2. Grossarltal 5,1 1. 6.
  3. Seiser Alm 4,9 10. 12.
  4. Oberstorf 4,9 12. 11. 5.
  5. Luzern 4,9 6. 5.
  6. Achensee 4,9 7. 7.
  7. Wilder Kaiser 4,7 33. 24.
  8. Tux-Finkenberg 4,7 5. 9.
  9. Leogang Saalf. 4,6 20. 58.
  10. Kitzbühel 4,6 25. 16.
  11. Gröden 4,6 8. 14.
  12. Serfaus 4,6 2. 3.
  13. Tannheimer Tal 4,6 10 38
  14. Zillertal 4,5 20. 19.
  15. Salzburg 4,5 16. 4.
Die Bedeutung Der Schlussbericht zum «Internationalen Benchmarking Programm für den Schweizer Tourismus: Projektphase 2016-2017» ist im Internet verfügbar und schafft auf fast 200 Seiten einen umfassenden Überblick zur Lage des Tourismus im Alpenraum.Ein besonderes Augenmerk richtet der Bericht unter anderem auf die wirtschaftliche Bedeutung der Branche. Die Autoren beklagen dabei einleitend, «genaue Kennzahlen zum Beschäftigungseffekt des Tourismussektors liegen zwar nicht vor». Aber es gebe «Angaben zum Gastgewerbe als Kernbranche des Tourismus». Demnach arbeiten im gesamten Alpenraum «gut 7 Prozent aller Beschäftigten im Gastgewerbe». Aus diesem Anteil sowie verschiedenen Studien rechnet «BAK Economics» hoch – und «geht davon aus, dass im Alpenraum geschätzte 15 Prozent der Beschäftigten ihre Arbeitsstelle direkt oder indirekt dem Tourismus verdanken». Link (PDF)
Der ganze Schlussbericht