«Gebt den Olympischen Spielen eine Heimat», forderte kurz nach den Spielen von Vancouver 2010 die «New York Times». Die neutrale Schweiz biete bezüglich Geografie, Wetter, Erfahrung oder Kapazitäten beste Bedingungen zur Durchführung von Sommer- und Winterspielen, argumentierte eine der wichtigsten Zeitungen der Welt: Austragungen in der Schweiz seien «die beste Lösung, um die olympische Verschwendung zu stoppen, Stabilität zu fördern und den Fokus wieder auf die Athleten zu legen». Und nicht zuletzt könne die Schweiz «die Kosten für Infrastrukturen, Organisation und Unterhalt reduzieren und sie durch regelmässige Nutzung sowie touristische Einnahmen wieder hereinholen». In den letzten Tagen hat hierzulande niemand an diese Forderung erinnert – sie war vor den unsäglichen Winterspielen in Sotschi 2014 formuliert worden und wusste nichts von den bizarren Wintersportübungen in Pyeongchang nächsten Februar und in Peking 2022. Dabei benennt die Forderung der «New York Times», die der Olympionike Charles Banks in Anlehnung an Bill Bradley, einen anderen Olympioniken, formuliert hatte, die beiden umstrittenen Spielbälle Olympias: Geld und Geist. «Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom Stand der Abklärungen Kenntnis genommen und steht dem Projekt des Vereins «Sion 2026» positiv gegenüber», teilte die Schweizer Landesregierung letzte Woche hölzern mit. Doch der Bundesrat meinte auch lustvoll, er freue sich «über diese Bestrebungen», und stellte optimistisch fest, «dass Olympische Winterspiele eine grosse Chance für Sport, Wirtschaft und Gesellschaft in der Schweiz sein können». Ausschlaggebend für den bundesrätlichen Entscheid sei «unter anderem, dass das Projekt ‹Sion 2026› weitgehend auf bestehender Infrastruktur aufbaut und zum Ziel hat, die Spiele nach den heutigen Grundsätzen der Nachhaltigkeit durchzuführen». Zur Nachhaltigkeit gehöre «beispielsweise, dass das Konzept dezentral angelegt ist». Die Wettkampfstätten lägen in verschiedenen Kantonen, die Transporte seien «hauptsächlich mit dem öffentlichen Verkehr geplant», nahm der Bundesrat die Argumente der «New York Times» auf. «Aus Sicht des Bundesrates können die Spiele für das Zusammenleben in der ganzen Schweiz und die wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere in den Berggebieten, einen bedeutenden Fortschritt bringen». Die frohe Botschaft des Bundesrates, garniert mit einem Beitrag von einer Milliarde Franken, kam nicht an:
- Die politischen Parteien wollen weitgehend nicht mitspielen, stellvertretend die Stellungnahme der Partei des zuständigen Bundesrates Guy Parmelin sowie des Präsidenten von Swiss Olympic, Nationalrat Jürg Stahl: «Auf diese Milliarde ist zu verzichten.»
- Die Medien machten ebenfalls nicht wirklich mit: Der Ringier-Konzern, über Agenturen stark mit der Unterhaltungsware Sport verbandelt, hatte Graubündens mehrfach gescheiterte Olympia-Bemühungen noch angetrieben, zeigte sich aber mit Blick auf «Sion 2026» und die ganze Schweiz sehr zaghaft. «Olympia wird schöngeredet», kommentierte die «Neue Zürcher Zeitung», und aus dem Bernbiet tönte es schon fast sarkastisch: «Optimisten gesucht.»
- Selbst in Sportkreisen herrscht wenig Spielfreude. So verlautete Adrian Amstutz, Mitglied im Exekutivrat Swiss Olympic, er sei zwar ein riesiger Sportfan. Mit Blick auf neue Kampfflugzeuge stellte er indes klar: «Aber ich kann mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass wegen der Austragung Olympischer Winterspiele der Kernauftrag des Staates nicht mehr gewährleistet werden kann.»