Tourismus

Bei den Bergbahnen spricht man über Kampfpreise statt über die Existenz

Peter Grunder – 25. Oktober 2017
Ein Grossteil der Schweizer Bergbahnen mit Winterbetrieb würde längst nicht mehr laufen, wenn die Marktkräfte wirken könnten. Aber weil die Bahnen Motoren ihrer tourismusabhängigen Destinationen sind, werden sie mit vielen Abschreibern und mit viel öffentlichem Geld am Leben erhalten. Da spielt es dann wohl auch keine Rolle mehr, dass sich die Branche einen ruinösen Preiskampf liefert.

Das Sommerhalbjahr dürfte für die Schweizer Bergbahnen überdurchschnittlich ausfallen. Bis Ende ­August zählten die Unternehmen laut Seilbahnen Schweiz (SBS) ­gegenüber dem Vorjahr 14 Prozent mehr Gäste – und der Transport­umsatz lag 12,8 Prozent über 2016. Daraus ist leider nicht abzuleiten, dass es den Schweizer Bergbahnen gut geht – ganz im Gegenteil: Mit Ausnahme einer Handvoll Bahnen, die national oder international hervorragend positioniert sind, vollführt nämlich ein Grossteil der Bergbahnunternehmen, die auch im Wintergeschäft tätig sind, einen riskanten Hochseilakt. Eher taktischer Natur ist dabei die ruinöse Preispolitik, die auch «Seilbahnen Schweiz» zu einem Hochseilakt zwingt: «Die Tourismusfachwelt beobachtet gespannt, wie der Markt auf die neuen tiefpreisigen Saisonangebote reagiert.» Im Zentrum stehe die Frage, «ob das Ziel der Anbieter erreicht wird, mittels tiefer Saisonabopreise unter dem Strich nachhaltig mehr Einnahmen zu generieren». Eine rhetorische Frage. Denn strategisch wird es einerseits mit Blick auf die Schneesicherheit: Sie ist in mittleren Lagen selbst mit Beschneiung nicht mehr gegeben, in letzter Zeit war es öfters zu warm zum Schneien. Andererseits hat der klassische Wintersport enorm an Reiz verloren. Das führt zu Kampagnen wie «GoSnow», mit denen Interessegruppen die jungen Leute wieder an den Schneesport heranführen wollen (vgl. GJ40). Natürlich glaubt in der Bergbahnszene insofern niemand ernsthaft daran, dass Dumping ein Teil der Lösung ist: «Das macht man nur mit dem Rücken zur Wand», kommentierte ein recht erfolgreicher Bergbähnler gegenüber GastroJournal. Und auch der Bruch von Seilbahnen Schweiz mit dem Verband öffentlicher Verkehr ist weniger Befreiungsschlag als Zeichen von Verdrängung – sinnigerweise kommt der neue Direktor von einem Hilfswerk. Dass man nicht hinsehen mag und auf weiteren Nebenschauplätzen wie Mineralölsteuern Aktivismus entfaltet, ist allerdings verständlich: In einer normalen Volkswirtschaft stünden vom Hasliberg bis zum Torrenthorn und vom Saanenland bis ins Oberengadin ein Grossteil der Bergbahnen still. Weil die Bergbahnen aber Kern des umsatzstarken touristischen Wintergeschäftes sind, wurstelt man sich weiter. Die Kantone Freiburg, Waadt und Tessin haben immerhin klargemacht, dass es um ein öffentliches Gut geht, und die Bahnen praktisch verstaatlicht. Eine breite Diskussion findet allerdings nicht statt – auch hier fürchtet man wohl zurecht die harte Wirklichkeit.