Tourismus

International Report on Snow & Mountain Tourism: miserables Zeugnis für die Schweiz

Peter Grunder – 27. April 2018
Der druckfrische "2018 International Report on Snow & Mountain Tourism" von Laurent Vanat unterstreicht den Paradigmawechsel im Wintersport. Das klassische Geschäftsmodell, das sich in den letzten zwei Generationen namentlich in den Alpen extrem entwickelt hat, ist ein Auslaufmodell. Der Ausstieg fehlt hierzuberge jedoch schwer: Viel Kapital ist gebunden, viel Arbeit damit verbunden – und wenige Alternativen sind in Sicht.

Es sei erfreulich festzuhalten, dass die Zahl der weltweiten Pistentage zum ersten Mal seit drei Jahren einen Aufwärtstrend zeige. Dies hält Laurent Vanat einleitend in seinem jüngsten «International Report on Snow & Mountain Tourism» fest. Allerdings sei es «viel zu früh», sich auf diese Erholung zu verlassen, bremst Vanat gleich allfällige Begeisterung: «Immer noch zeigen die meisten Märkte ein sehr reifes Profil, und die grundsätzlichen Themen der Industrie bleiben dieselben: die Demografie mit einem Rückzug der Baby-Boomer und die schleppende Erneuerung der Gästebasis.» Zentrale Herausforderungen bleiben laut Vanat «der weltweite Wettbewerb im Ferien- und Freizeitbereich, die Erhöhung der Zahl wiederkehrender Gäste sowie neue Lösungen beim Lernen des Pistensports», Insofern gelte es «vorsichtig und aufmerksam» zu bleiben und auch in ganz neuen Dimensionen zu denken: Alle westlichen Märkte realisierten inzwischen, dass die Nachfrage nicht gestiegen sei, obschon die Bevölkerung zugenommen habe. Das betreffe weltweit alle klassischen Anbieter, und die leichte Erholung sei den relativ neuen asiatischen Märkten zu verdanken – «der Markt boomt natürlich in China, wo 57 neue Resorts im Jahr 2017 aus dem Boden geschossen sind». Im allgemeinen Teil, mit dem Vanat die Portraits von 67 Wintersportländern anreichert, wirft er ein besonderes Augenmerk auf den Preiskampf in der Schweiz. Zwar nennt er keine Namen, aber die Adressaten sind ebenso klar wie die Konsequenzen: «Hinsichtlich von Saisonpässen haben westliche Märkte mit einige disruptiven Geschäftsmodellen begonnen», stellt Vanat fest. Indem er den Modebegriff «disruptiv», der eine rasche Verdrängung bezeichnet, neben «grosse Konsolidierungs-Manöver in Nordamerika» sowie «sehr grosse Pistengebietserweiterungen mit neuen Bahnen in Österreich» stellt, ergibt sich die Hilflosigkeit der Schweizer Preiszertrümmerer: Sie haben gegen die halbstaatliche Konkurrenz in Österreich geringe Chancen, und ihnen droht das Schicksal nordamerikanischer Strukturbereinigung, Eine bittere Ironie ist hier die aktuelle Entwicklung in Saas-Fee: Die kühnen Initianten der Preislotterie explodieren zurzeit disruptiv nach innen und hinterlassen bis hin zur Skilegende Pirmin Zurbriggen nur Verlierer. Aus Schweizer Sicht ebenfalls beunruhigend ist die Entwicklung osteuropäischer Destinationen. Resorts in Bulgarien, Rumänien oder der Slowakei werden künftig zusätzlich auf europäische Skitouristen zielen, die in der Schweiz bislang satte 46 Prozent der Nachfrage ausmachen (siehe unten). In seiner Beurteilung der Schweiz weist Vanat auf die grosse Bedeutung ausländischer Gäste hin: Deutsche, britische, französische, italienische und holländische Gäste seien wichtig, kämen aber immer weniger und würden durch neue Gäste namentlich aus Spanien, Russland und Asien nicht aufgewogen. Vanats Fazit mit Blick auf die Schweiz fügt sich wörtlich an frühere Ausgaben des Reports an: Die Zukunft sei «immer noch unklar» und beunruhige die Wintersportunternehmen.Dennoch seien bis jetzt «keine ernsthaften Massnahmen getroffen worden, um die Folgen der demografischen Veränderung in der Kundenbasis zu antizipieren.» 67 Wintersportländer 67 Länder in der nördlichen und südichen Hemisphäre bieten wenigstens ein Pistengebiet mit Bahn oder Lift – und diese Länder deckt der Genfer Laurent Vanat in seinem «International Report on Snow & Mountain Tourism» ab. Der Bericht erscheint seit 2009 jährlich und ist kostenlos im Internet verfügbar. Link: «International Report on Snow & Mountain Tourism» 400 000 000 Pistentage Weltweit liegt die Zahl der Pistentage (Ersteintritte) seit Anfang des Jahrhunderts stabil bei rund 400 Millionen pro Jahr. Am meisten profitieren davon die Alpen, hier fallen zurzeit 43 Prozent aller Skitage an. Nordamerika folgt mit 21 Prozent, Westeuropa mit 11 Prozent, Osteuropa und Zentralasien mit 9 Prozent. In Asien liegen 15 Prozent der Nachfrage, und praktisch nur hier nehmen die Frequenzen zu – jedoch ausgehend von tiefen Werten. 2 500 000 in La Plagne Mit gegen 2,5 Millionen Pistentagen ist das französische La Plagne weltweit das weitaus höchstfrequentierte Schneesportresort. Dahinter folgt eine ganze Gruppe von Resorts mit rund 2 Millionen Frequenzen in Österreich, Südtirol und Frankreich. Aus Schweizer Sicht ist hier Samnaun mit Ischgl dabei, aus Übersee nur das kanadische Whistler. 22 956 000 in der Schweiz Die Schweiz zählte 2016/17 knapp 30 Millionen Pistentage, 54 Prozent von Schweizer Gästen. Samnaun, das mit Ischgl ein Resort bildet, holte mit gut 2 Miillionen am meisten Eintritte, gefolgt von Zermatt mit gut 1,5 und einer Gruppe mit rund 1 Million: Adelboden-Lenk, Davos-Klosters, St. Moritz, Verbier und Jungfrauregion.