Tourismus

Forum Seilbahnen Schweiz: Höhenangst in dünner Luft

Peter Grunder – 23. Oktober 2018
Der Branchenverband Seilbahnen Schweiz (SBS) hat aus seiner Generalversammlung eine hochkarätige Austauschplattform gemacht. Das ist notwendig im wahrsten Sinne des Wortes: Die Branche kämpft mit Preisdumpung, und vorab auf Wintersport ausgerichtete Bergbahnunternehmen schweben finanziell weitgehend am Abgrund. Die Branche tut sich aber schwer damit, nüchtern hinzusehen.

Hans Wicki, Ständerat für Nidwalden und Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Engelberg-Titlis, war einer der wenigen, die auf der grossen Bühne die dünne Luft in der Schweizer Bergbahnbranche nicht scheuten und keine Höhenangst zeigten: «Billigangebote sind kein guter, vor allem kein nachhaltiger Weg», sagte Wicki als Hauptredner an der GV von Seilbahnen Schweiz im Verkehrshaus Luzern. Kurz vorher hatte einerseits das waghalsige Saas Fee ein weiteres Stück Kontrolle über die Zukunft seiner Bergbahnen verloren und wird sich jetzt statt mit dem Liebhaber Edmond Offermann mit dem Unternehmer Peter Schröcksnadel herumschlagen – nomen est omen. Und andererseits war das hochfliegende Andermatt-Sedrun am Fussball- spiel Island gegen die Schweiz in Reykjavik auf internationaler Bühne durch Werbung für Tageskarten ab zehn Franken aufgefallen.

Hans Wicki: «Zukunftsträchtige Modelle sehen anders aus»
«Zukunftsträchtige Modelle sehen anders aus», betonte Ständerat Wicki mit Blick auf die mancherorts grassierende Dumpingpolitik, und er meinte dabei nicht nur einzelne Bergbahnunternehmen. Auch mit dem «Swiss Travel Pass» habe er Mühe, spannte der Ökonom Wicki den Bogen weiter: «Leistung muss ihren Preis umsetzen können.» Neben Hans Wicki fielen weitere Persönlichkeiten durch kritische Voten auf: «Die Situation ist offenbar noch nicht schlecht genug, um ernsthafte Massnahmen ins Auge zu fassen», meinte Laurent Vanat, der weltweit wohl renommierteste Bergbahnanalytiker, zu GastroJournal. Im Gegenteil rühme man sich noch besserer Zahlen, ergänzte er mit Blick auf die leidlich guten Frequenzen im letzten Winter. Laurent Vanat blieb auch auf dem Podium kritisch, desgleichen Reto Gurtner, der in der Weissen Arena die touristische Wertschöpfungskette weitgehend in der Hand hat, und Berno Stoffel, Präsident der Walliser Seilbahnen und CEO der Touristische Unternehmung Grächen. Die Kritik geht letztlich dahin, dass vielerorts plausible unternehmerische Ansätze fehlen – insbesondere weil die Verantwortung oft nicht klar ist und die öffentliche Hand ohnehin stützend eingreift, wenn alle Seile reissen. Richard Kämpf, Leiter Tourismuspolitik beim Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, nahm sozusagen dieses unternehmenspolitische Seil auf. Gemeinsam mit Valérie Donzel, Ressortleiterin Regionalpolitik beim SECO, erläuterte er die Politik von Bund und Kantonen. Da war bis 2007 die Investitionshilfe (IHG). Seit 1974 hatte sie eine Umverteilung in strukturschwache Regionen angestrebt. Hinsichtlich Bergbahnen gewährte der Bund exakt 353 IHG-Darlehen im Umfang von 219 Millionen Franken – und seitens der Kantone kamen nochmals gleichwertige Beiträge hinzu. Seit 2008 nun greift die Neuer Regionalpolitik (NRP), die insgesamt auf Wertschöpfung und Arbeitsplätze zielt. Hier sprach der Bund bis 2017 Darlehen von 193 Millionen Franken für 100 Bergbahnprojekte. Dazu kamen ebenfalls wieder entsprechende Beiträge der Kantone, die in Sachen NRP grundsätzlich federführend sind – und im Falle von Genf, Solothurn und Zug auf NRP verzichten. Der Bund positioniert sich ähnlich wie der Kanton Wallis, der mit seinem neuen Bergbahngesetz klare Kriterien an eine Förderung stellt – dies in scharfem Gegensatz zu Kantonen wie Freiburg, Waadt oder Tessin, die ihre Bergbahnen praktisch verstaatlicht haben. Interessant denn auch die inhaltliche Mindeststandards, die der Bund an eine Förderung stellt:
  • Integration in die Strategie der Region / Destination
  • Situationsanalyse der Bergbahnen
  • Strategische Schwerpunktsetzung: Ziele und Prioritäten
  • Einhalten finanzieller Mindeststandards
  • Transparenz bei Verfahren und Anforderungen
  • Regelmässige Aktualisierung der Strategie
Vor solchen Hintergründen verblasste die unselige Dumpingpolitik. Doch angesichts der ernsthaften Auseinandersetzung, die das Forum ermöglichte, fiel umso mehr auf, welch dominierende Funktion ein Bereich hat, der sich gegen schrumpfende Wintersportmärkte und touristische Ganzjahresstrategien spannt: Die Baubranche ist bis hin zur Schneeproduktion in der Szene milliardenschwer verankert. www.seilbahnen.org