Tourismus

Essay von Martin Nydegger, Schweiz Tourismus

– 10. April 2018
Nächste Woche wird in Interlaken das jährliche Stelldichein der Schweizer Tourismusbranche stattfinden: der Ferientag. Zu diesem Anlass hat Martin Nydegger, der neue Direktor von Schweiz Tourismus (ST) und Nachfolger von Jürg Schmid, in die Tasten gegriffen. Er stellt die Leistungserbringer im Tourismus ins Zentrum, betont aber gleichzeitig die Notwendigkeit von Zusammenarbeit, fordert mehr Flexibilität der Touristiker und erläutert die Rolle von ST.

«Schweiz Tourismus (ST) ist vom Bund und der Branche damit beauftragt, die Produkte und Angebote im Schweizer Tourismus national und international zu bewerben und so ein Reisebegehren auszulösen. Wir stellen in die Schaufenster der Welt, was unsere Partner in der Branche herstellen und anbieten, und sind so auf konkrete, für den Gast fass- und buchbare Angebote angewiesen.

Wir stellen in die Schaufenster der Welt, was unsere Partner in der Branche herstellen und anbieten, und sind so auf konkrete, für den Gast fass- und buchbare Angebote angewiesen.
Doch einfach das reine touristische Inventar in die Welt hinauszutragen, ist oft nicht zureichend. Fundamente unserer täglichen Arbeit sind und bleiben Dienstleistungen und Produkte mit Innovationscharakter. Produktentwicklung oder, Neudeutsch, «Product Development» heisst hier das Zauberwort. Oft muss ich erklären, dass das Product Development bei ST zwar Neues schafft und von Innovation lebt, wie etwa die Grand Tour of Switzer­land oder unsere Alphütten-­Buchungsplattform seit dem letzten Sommer. Aber: ST ist dabei stets auf starke Partner vor Ort angewiesen. Nur in Zusammenarbeit mit den touristischen Leistungsträgern der Schweiz gelingt es uns, den Gäste­bedürfnissen durch konkrete ­Produktinnovationen noch mehr zu entsprechen. So hat ST selbstverständlich für die Grand Tour keine einzige Strasse gebaut, wir haben für den Alphütten-Finder keine Alp­hütte renoviert, sondern attraktiv zusammengestellt, als eigentliche »DJs» des Tourismus nur attraktiv «re-mixed», was die Branche uns zeigt und was bereits zwischen dem Arc Lémanique und der Ostschweiz, zwischen dem Rheinknie und der Magadino-Ebene an touristischen Perlen vorhanden ist.
Nur in Zusammenarbeit mit den touristischen Leistungsträgern der Schweiz gelingt es uns, den Gäste­bedürfnissen durch konkrete ­Produktinnovationen noch mehr zu entsprechen.
ST hat das Potenzial innovativer Produktentwicklung für die ­Tourismusvermarktung bereits vor 15 Jahren erkannt und damals die Abteilung «Enjoy Switzerland» auf das Thema angesetzt. In 12 Jahren konnte Enjoy Switzerland sage und schreibe 29 Destinationen betreuen und gemeinsam mit ihnen touristische Produkte initiieren und vorantreiben. Heute, unter dem neuen Namen «Product Development», bündeln und mixen unsere Expertinnen und Experten auf nationaler Ebene. Die Destinationen und touristischen Leistungsträger sind dabei die wichtigen Sparring­partner von ST. Im direkten Austausch unter Fachleuten entstehen so Ideen, werden die verschiedenen Sichtweisen kontrovers diskutiert und abgewogen und schliesslich Produkte entwickelt. Unsere Produktentwicklung funktioniert unter zwei Bedingungen: Wir betreuen nur nationale Projekte, die nachgewiesenermassen einer Nachfrage entsprechen. Und diese Arbeit geschieht immer in engster Zusammenarbeit mit unserer Marketingabteilung, sprich unseren Kampagnen für den Sommer, den Winter, die Städte und bald auch den Herbst. Aber auch die ST-Märkte sind entscheidend für den Erfolg.
Wir betreuen nur nationale Projekte, die nachgewiesenermassen einer Nachfrage entsprechen.
Die Initiative der ­Produktinnovation «First Ski Expe­rience» beispielsweise kam von unserem Marktleiter China und Direktor Asien-Pazifik Simon Bosshart, weil die asiatischen Gäste einen sanften Einstieg in den Schnee benötigten. Heute haben bereits elf Tour Operators das Angebot in ­deren Programm aufgenommen. Mit grosser Freude kann ich so auch für 2018 von einigen Juwelen aus dieser Küche erzählen: In der Sommerkampagne zum Thema Velo hat die Produktentwicklung innovative Spuren hinterlassen. Auf zwei Rädern verkehrsfreie Passstrassen rauf- und runterheizen – «Ride the Alps». Sich mit organisiertem Gepäcktransport und Unterkunft quer durch die Schweiz auf eine ausdauernde Velotour aufmachen – «Top Cycling Tours». Auch für die Städtekampagne könnt Ihr gespannt sein, liebe Partnerinnen und Partner in der Tourismusbranche! Soviel sei verraten: Ungewöhnliche Unterkünfte und authentische städtische Gaumenfreuden werden im Mittelpunkt stehen. Und in Kürze werden wir mit der Produktentwicklung für oenotouristische Angebote starten, die wir in einer strategischen Kooperation mit Swiss Wine Promotion vereinbarten. Eine Disziplin «Product Development» gibt es als solche im Tourismus kaum zu lernen. Unsere Fachleute der Produktentwicklung sind im Projektmanagement erfahren und verfügen über ein breites Marketingverständnis. Hinzu kommt die Fähigkeit, verschiedene und unterschiedliche Leistungs­träger und Regionen gemeinsam für ein Projekt zu motivieren, dieses zu begleiten und erfolgreich umzusetzen.
Eine Disziplin «Product Development» gibt es als solche im Tourismus kaum zu lernen.
Diese Kenntnisse und Fähigkeiten dürften an unseren Tourismusschulen noch stärker aufgenommen und im Sinne einer Aus- oder Weiterbildung ­gelehrt werden. In einzelnen Destinationen und Regio­nen sind bereits Personen mit der Produktentwicklung beauftragt, in anderen fehlen diese Rollen noch, und die Aufgaben können noch nicht zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt werden. Das Tourismusmarketing soll hier sinnvoll ergänzt werden: genauer gesagt, das «P» für «Produkt» in unserer Formel «PPPP – Produkt, Preise, Promotion, Placement». Ich möchte deshalb die Branche dazu aufrufen, gemeinsam an der an ­Bedeutung gewinnenden Produktentwicklung zu partizipieren. Dies tun wir zusammen mit den ­innovativen Produkten unserer Partner, aber auch mit dem Know-How von gescheiten Köpfen und fürs Product Development zuständigen Personen da draussen im Schweizer Tourismus. Investieren Sie in Qualität und Nachhaltigkeit durch Produktentwicklung. Ich freue mich auf unsere gemeinschaftlichen ­Erfolge.» Martin Nydegger Martin Nydegger ist auf einem Bauernhof im Seeland aufgewachsen, lernte zuerst Landmaschinenmechaniker, holte auf dem zweiten Bildungsweg ein Diplom als Executive MBA und hängte in Samedan das Diplom zum Tourismusfachmann HF an. Als Tourismusdirektor in Schuls verdiente er ­erste Sporen ab, 2005 wechselte er zu Schweiz Tourismus nach Amsterdam, kam 2008 in die Zentra­-le nach Zürich und wurde als Ge­schäftsleitungs­mitglied für die Unternehmensentwicklung zuständig. Der inzwischen 47-Jährige hat einen schulpflichtigen Sohn und ist in festen Händen. Ferientag in Interlaken Im Herbst 2016 trat Daniel Sulzer die Nachfolge von Stefan Otz als ­Direktor der Tourismusorganisation Interlaken (TOI) an. Nächste ­Woche nun wird Sulzer, der im Berner Oberland stark verankert ist, sich und seine Destination auf der nationalen touristischen Bühne präsentieren: am Schweizer Ferientag, der gegen 1500 Tourismusprofis aufs «Bödeli» zwischen Thuner- und Brienzersee führen wird. Der Ferientag, früher eher eine Selbstbespiegelung und Bauchnabelschau, hat sich zu einer äusserst dicht besetzten Plattform für den Austausch unter Profis entwickelt. Zwar sind da nach wie vor gesellige Anlässe wie die Synergie Night oder danach das Jogging mit Daniel Sulzer. Im Zentrum aber steht Wissensvermittlung auf höchstem Niveau: In 40 «Breakout Sessions» werden Profis informieren – vom druckfrischen Tourismus Monitor Schweiz bis zum Gastfreundlichkeits-Report. Feiern wird man auch, und nicht einmal sich selbst: Der «Prix Bienvenu» zeichnet Beherberger aus, die bei Gästen besonders gut ankommen.