Die Zeit der Schweizer Gästerekorde ist vorbei

Oliver Borner – 01. November 2023
Nach dem Rekordsommer 2023 erwartet das Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Economics für die Wintersaison 2023/24 nur noch einen leichten Anstieg der Logiernächte.

Im vergangenen Sommer hat die Schweiz mit 23,5 Millionen Logiernächten eine Rekordzahl verzeichnet, und das trotz einer sich abschwächenden Inlandsnachfrage im Vergleich zum sehr starken Vorjahr. Das schreibt BAK Economics in einer gestern veröffentlichten Studie zur Tourismusentwicklung in der Schweiz. Besonders bemerkenswert sei der anhaltende Anstieg amerikanischer Gäste, die deutlich mehr Logiernächte als vor der Pandemie verzeichneten. Trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten sei die Nachfrage aus Europa erstaunlich stabil geblieben. Besonders viele Gäste reisten aus dem Vereinigten Königreich an. Insgesamt steuert der Schweizer Tourismus im Tourismusjahr 2023 auf ein Rekordergebnis zu und wird voraussichtlich erstmals die Marke von 40 Millionen Übernachtungen in einem Jahr überschreiten.

Ausländische Gäste fangen den Rückgang der Inlandsnachfrage im Winter 2023/24 auf

Für den Winter 2023/24 erwartet BAK Economics eine leichte Zunahme der Logiernächte von 0,4 Prozent (+66 000) gegenüber dem Vorwinter. Obwohl die aktuelle Inlandsnachfrage nach wie vor hoch sei, sei doch mit einer gewissen Abschwächung zu rechnen. Dies läge einerseits an der Normalisierung der Reisegewohnheiten, andererseits an der nachlassenden wirtschaftlichen Dynamik. So dürfte die Nachfrage der Schweizer Gäste im Winter insgesamt um 2,2 Prozent sinken (-208'000).

Die Nachfrage aus Europa dürfte die positive Dynamik des Sommers teilweise in den Winter übertragen. Nachdem der vergangene Winter noch schwach war, erwartet BAK Economics eine Annäherung an das Vorkrisenniveau. Es prognostiziert einen Anstieg der Logiernächte aus Europa von 2,2 Prozent (+115'000). Exemplarisch sei der Herkunftsmarkt Deutschland, der in den letzten beiden Sommern klar über den Vorkrisenzahlen lag, jedoch im vergangenen Winter dieses noch nicht erreichen habe.

Bei den Fernmärkten präsentiere sich ein uneinheitliches Bild. China bleibe trotz hohen Wachstumsraten deutlich hinter dem Niveau von vor der Krise zurück. Neben der zögerlichen Erholung von China gebe es auch im restlichen asiatischen Raum Herausforderungen. Anhaltende Visa-Probleme dämpften beispielsweise die Aufholbewegung des ansonsten so dynamischen Herkunftsmarktes Indien. Da sich diese Probleme in absehbarer Zeit lösen sollten und noch erhebliches Aufholpotenzial vorhanden ist, erwartet BAK Economics auch im Winter 2023/24 ein kräftiges Wachstum der Fernmärkte von 5,4 Prozent (+159'000).

Die positive Dynamik im Sommer setzt sich 2024 fort

Für den Sommer 2024 prognostiziert BAK Economics ein Wachstum von 0,7 Prozent (+166'000) auf 23.7 Millionen Logiernächte. Die inländische Nachfrage (-2.2 Prozent) werde im nächsten Sommer abkühlen, jedoch immer noch auf hohem Niveau sein. Der Herkunftsmarkt Europa (-4.6 Prozent) werde die hohen Werte aus dem Sommer 2023 nicht halten können, aber ähnliche Zahlen wie 2019 liefern. BAK Economics vermutet, dass die starke Nachfrage aus den USA  im nächsten Jahr voraussichtlich leicht abkühlen wird, was vor allem auf die unsicheren wirtschaftlichen Aussichten und das Auslaufen der Nachholeffekte zurückzuführen ist. Demgegenüber dürfte aus den anderen Fernmärkten ein deutliches Wachstum kommen. Damit sorgen die Fernmärkte (+13.5 Prozent) für einen kräftigen Wachstumsimpuls. Über den nächsten Sommer hinaus dürften sich alte Muster wieder zeigen. Der Anteil der europäischen Gäste wird abnehmen, während die Fernmärkte an Bedeutung gewinnen. BAK Economics erwartet, dass die inländische Nachfrage sich auf einem hohen Niveau stabilisieren wird.

Der Geschäftstourismus als entscheidender Faktor

Während der Pandemie litten insbesondere die Städte und der Geschäftstourismus unter starken Einbussen. Bei letzterem gab es aufgrund der technischen Fortschritte und des Nachhaltigkeitstrends ernste Zweifel an seiner Zukunft. Heute zeige sich, dass sich dieser Bereich weitgehend erholt hat, heisst es in der Studie. Vor allem Veranstaltungen, bei denen der persönliche Austausch und Networking im Mittelpunkt stehen, verzeichneten ähnliche oder sogar höhere Besucherzahlen als vor der Pandemie. Im Gegensatz dazu bleiben individuelle Geschäftsreisen, die primär dem Informationsaustausch dienen, weiterhin aus. Daher schätzt BAK Economics, dass 5-10 Prozent der Geschäftsreisenden dauerhaft fernbleiben werden.

Dieser Rückgang sei eine Herausforderung für die Städte, in denen Geschäftsreisen für mehr als die Hälfte der Übernachtungen verantwortlich sind. Doch die Städte hätten sich erfolgreich neu positioniert und zögen verstärkt Freizeitreisende an. Die meisten urbanen Destinationen hätten das Vorkrisenniveau bereits wieder erreicht und seien mit den alpinen und übrigen Regionen gleichgezogen. In der Vergangenheit habe der Städtetourismus stärker zugelegt als andere Tourismussegmente, und es sei zu erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt.