Tourismus

Der Schweizer Tourismus-Verband hinterfragt

Peter Grunder – 13. August 2018
In Freiburg im Uechtland hält der Schweizer Tourismus-Verband (STV) am 17. August 2018 seine 86. Generalversammlung ab. Grund genug für GastroJournal, mit Präsident Dominique de Buman und Direktorin Barbara Gisi Grundsatzfragen zu erläutern: über den STV und seine Rolle im Speziellen und über den Schweizer Tourismus im Allgemeinen.

Der Freiburger Jurist Dominique de Buman präsidiert nicht nur seit längerem den Schweizer Tourismus-Verband (STV), sondern zurzeit als höchster Schweizer auch den Nationalrat. Seine STV-Direktorin Barbara Gisi, Juristin und Betriebswirtschafterin, führt die touristische Dachorganisation seit 2013. GastroJournal: Herr de Buman, Frau Gisi, braucht es den STV überhaupt, kann diese Aufgaben nicht Schweiz Tourismus oder ein Branchenverband erledigen? Dominique de Buman: Weil der Tourismus grundsätzlich eine privatwirtschaftliche Branche ist, die von der öffentlichen Hand gute Rahmenbedingungen für die Betriebe, aber keine Subvention fordert, braucht er eine Dachorganisation, die den ganzen Tourismus repräsentiert und sich für diese Querschnittsbranche einsetzt – vom Mechanismus her ist das ähnlich wie bei der Gesamtwirtschaft und ihrer Organisation economiesuisse. Was Schweiz Tourismus anbelangt, kommt aber dazu, dass es ordnungspolitisch falsch und auch verfassungsmässig ausgeschlossen ist, ST mit Aufgaben zu betrauen, die der STV für die Branche erledigt. ST darf als Bundesunternehmen, das vom Bund mit der Marktförderung beauftragt ist, gar keine federführende, politische Rolle für die Branche übernehmen. Schliesslich, aber nicht zuletzt braucht es den STV auch, weil die Branchenorganisationen einerseits nicht alle Bereiche der Querschnittsbranche Tourismus abdecken, und weil andererseits bei Überschneidungen der STV als gemeinsamen Nenner dient.

GJ33 de Buman Dominique de Buman: "ST darf als Bundesunternehmen, das vom Bund mit der Marktförderung beauftragt ist, gar keine federführende, politische Rolle für die Branche übernehmen."
Barbara Gisi: Es gibt zahlreiche übergeordnete Aufgaben, welche die einzelnen Branchenverbände nicht vertreten können: von der parlamentarischen Gruppe Tourismus bis zu strukturellen Finanzierungsfragen, von Schweiz Mobil bis zur Nachhaltigkeitscharta, vom Qualitätsprogramm für den Schweizer Tourismus über die Schneesportförderung und bis zur Standortförderung. Dabei setzt der STV jedoch jeweils auf die Branchenverbände mit ihrer Nähe zu den Unternehmen und mit ihren grossen Ressourcen. Warum gibt es denn immer wieder Zweifel an der Existenzberechtigung des STV? Gisi: Alle Mitgliederorganisationen stehen in einem Wettbewerb und sind zuerst ihren Mitgliedern verpflichtet. Deshalb begleiten grundsätzliche Vorbehalte den STV seit jeher. Das führt unter anderem dazu, dass dem STV systematisch ausreichende Mittel fehlen, weil die Ressourcen bei den Branchenverbanden liegen. Gemessen an den Aufgaben, müsste der STV mehr Ressourcen haben. Aber die Branchenverbände als tragende Mitglieder tun sich schwer damit, den STV zu alimentieren, und die breite Mitgliederbasis hat nicht die finanziellen Mittel, um den STV zu tragen. Insofern strecken wir uns ständig und seit langem nach der Decke. Das schwächt die Stellung der Tourismusbranche in der Öffentlichkeit und in der Politik, was wiederum dem STV zum Vorwurf gemacht wird – ein Teufelskreis, der kaum zu durchbrechen ist. GJ33 Gisi
Barbara Gisi: "Alle Mitgliederorganisationen stehen in einem Wettbewerb und sind zuerst ihren Mitgliedern verpflichtet. Deshalb begleiten grundsätzliche Vorbehalte den STV seit jeher."
de Buman: Bezeichnend ist hier auf einer anderen Ebene, dass das Tourismusland Schweiz trotz mehrfacher Anläufe nie ein nationales Tourismusgesetz zustande gebracht hat, und zwar nicht zuletzt wegen einem verbreiteten Unwillen der Tourismusbranche. Hätten wir wie andere Länder eine straffere Organisation, wäre ein solches Gesetz längst Tatsache. Nun liegt es mir zwar fern, nach Gesetzen zu rufen, und ich habe Respekt vor diesen Verbänden und Unternehmen, die ohne gesetzliche Grundlage auskommen wollen. Allerdings wäre mit einem nationalen Tourismusgesetz vieles einfacher und weniger teuer, es gäbe weniger Doppelspurigkeiten, der Bund hätte weniger Einfluss auf die Branche als zurzeit, und die Position der touristischen Betriebe wäre insgesamt stärker. Allerdings ist es der Politik und der Öffentlichkeit angesichts von Rekordfrequenzen schwer zu vermitteln, dass die touristischen Unternehmen vielerorts Mühe haben, dass ein Grossteil der Bergbahnen nur dank Unterstützung über die Runden kommt und etwa zwei Drittel der Schweizer Hotels und Restaurants rote Zahlen schreiben? de Buman: Als Präsident von Seilbahnen Schweiz stelle ich immer wieder fest, wie anspruchsvoll und unterschiedlich die Situation der Bergbahnbranche ist. Natürlich will niemand Subvention. Aber es will auch niemand, dass die Wintersportanlagen in den Stationen verschwinden, denn sie sind zusammen mit dem Gastgewerbe die Motoren der Regionen und unverzichtbar. Gisi: Die Bergbahnen und das Gastgewerbe bieten viele Arbeitsplätze und wirken auf diese Weise der drohenden Entvölkerung der Bergregionen entgegen. Das zu vermitteln, ist tatsächlich nicht einfach, wenn die Beherbergungsstatistik der Hotellerie Rekordzahlen ausweist, obschon diese Statistik nur einen kleinen, interpretierungsbedürftigen Ausschnitt der touristischen Gesamtlage abbildet – und wir als STV seit dafür 2004 kämpfen müssen, überhaupt Statistiken zu haben. Weitere Ausschnitte der Querschnittsbranche Tourismus zu zeigen, ist deshalb umso wichtiger, entsprechend setzt der STV hier einen Schwerpunkt und tut sein Möglichstes. So gab es zuletzt unter anderem differenzierte und umfassende Stellungnahmen zum harten Franken, zum Bergtourismus oder zur Standortförderung – und das jeweils in Zusammenarbeit mit den Branchenverbänden.
GJ33 Gisi Barbara Gisi: "Die Schönheiten und die Attraktivität des Schweizer Tourismus dazustellen, ist die Aufgabe von ST und darf sie sein – unsere Aufgabe jedoch ist die politische Knochenarbeit."
de Buman: Die Schwierigkeiten beginnen schon damit, dass viele in der Politik, in der Öffentlichkeit und sogar in der Branche gar keinen Unterschied machen können zwischen ST und STV. Dies obschon die Unterschiede wie gesagt wesentlich und politisch klar sind. Doch auch die zahllosen touristischen Akteure sind nicht einfach einzuordnen: Destinationen, die ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle verfolgen und deshalb nicht über einen Leisten geschlagen werden können. Bergbahnen, wo es ebenfalls unzählige Geschäftsmodelle gibt, verschiedenste Finanzierungen, Organisationsformen, Trägerschaften, Kundschaften und klimatische Voraussetzungen. Gisi: Auch deshalb ist der STV unverzichtbar, und auch deshalb braucht er vor allem von der Branche grundsätzliche Unterstützung und genügend Ressourcen, um zuhanden der Politik und der Öffentlichkeit die Komplexität des Tourismus als Wirtschaftsfaktor klarzumachen. Die Schönheiten und die Attraktivität des Schweizer Tourismus dazustellen, ist die Aufgabe von ST und darf sie sein – unsere Aufgabe jedoch ist die politische Knochenarbeit.
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