Tourismus

Beschönigtes Schweizer Selbstbild

Peter Grunder – 20. April 2017
Anfang des Jahrzehnts war die Schweiz laut dem WEF gleich zweimal in Folge das wettbewerbsfähigste Tourismusland der Welt. Nun droht der Absturz aus den Top Ten.

Ernst zu nehmen ist die Schulmeisterei des «World Economic Forum» (WEF) natürlich nicht unbedingt: Alle zwei Jahre beurteilt das WEF nach der Schweizer Notenskala alle Länder der Erde hinsichtlich ihrer touristischen Wettbewerbsfähigkeit. Die Noten unterscheiden sich dabei meist an der zweiten Stelle hinter dem Komma, und überdies ändern sich alle zwei Jahre die Grundlagen, auf denen diese Noten basieren. So hat es bis heuer die Kategorie der «internationalen Offenheit» gar nicht gegeben, und dass die Schweiz hier mit einer mageren 4,13 hinter Panama, Indonesien oder Taiwan auf dem 30. Platz liegt, verwundert an­gesichts von MEI, Minarett- oder Burkaverbot nicht wirklich. Ernst zu nehmen ist aber vielleicht doch, wenn die Schweiz noch 2013 mit einer beeindruckenden Schlussnote von 5,66 das weitaus wettbewerbsfähigste Tourismusland war – und dann bis 2017 mehr als eine ganze Note einbüsste und mit einer schlappen 4,94 noch auf dem 10. Platz steht (vgl. Kasten). Zu denken geben muss auch, wenn in unveränderten Kategorien, auf welche die Schweiz traditionell besonders stolz ist, das Selbstbild wankt: Im Bereich Sicherheit sind wir seit 2013 vom 2. auf den 8. Platz zurückgefallen, bei den natürlichen Ressourcen vom 19. auf den 43., bei kulturellen Ressourcen vom 6. auf den 35. – und dass wir 2013 in Sachen Gesundheit und Hygiene nur auf dem 10. Platz lagen und uns jetzt hinter Griechenland oder Bulgarien gar auf dem 13. wiederfinden, deutet auch eher auf ein beschönigtes Selbstbild hin (vgl. Kasten). Fast will es scheinen, als sei sich das WEF dessen bewusst und packe die Schweiz bei der individuellen Beurteilung behutsam an. Nach wie vor biete das Alpenland in verschiedenen Bereichen «grossartige Rahmenbedingungen», leitet das WEF seine Einzelabfertigung ein. Und tut sich dann recht schwer, den Abstieg zu erklären: Obschon die Nachhaltigkeit weiterhin überragend sei, stehe die Schweiz hinsichtlich ihrer natürlichen und kulturellen Ressourcen immer schlechter da. Zu tun habe das wohl mit der «verringerten Effektivität» des Tourismusmarketings sowie mit den hohen Preisen, und ein negativer Faktor sei die mangelnde Offenheit. Das Fazit: «Die Schweiz könnte Wett­bewerbsfähigkeit zurückgewinnen, indem sie ihre natürlichen und kulturellen Ressourcen besser positioniert und in Wert setzt, und indem sie die Visapolitik lockert.» Ok?!

Top Ten 2013Top Ten 2017
LandNoteLandNote
1.Schweiz5,661.Spanien5,43
2.Deutschland5,392.Frankreich5,32
3.Österreich5,393.Deutschland5,28
4.Spanien5,384.Japan5,26
5.Grossbritannien5,385.Grossbritannien5,20
6.Vereinigte Staaten5,326.Vereinigte Staaten5,12
7.Frankreich5,317.Australien5,10
8.Kanada5,288.Italien4,99
9.Schweden5,249.Kanada4,97
10.Singapur5,2310.Schweiz4,94
Schweiz 2013 und 2017
BereichRang 2013Rang 2017
Natur-Ressourcen19.43.
Kultur-Ressourcen6.35.
Sicherheit2.8.
Gesundheit, Hygiene10.13.
Tourismus-Affinität11.13.
Arbeitsmarkt1.2.
Nachhaltigkeit2.1.
Geschäftsklima17.3.
Preiseimmer letzter Platz
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