Hotellerie

«Tote Stunden gibt es überall»

Désirée Klarer – 20. April 2017
Die Arbeit eines Nachtportiers unterscheidet sich von jener des Rezeptionisten vor allem in einem Punkt: Er hat mehr Verantwortung – und er ist wach, wenn alle anderen schlafen.

Das Wort Portier stammt aus dem Französischen und leitet sich aus dem lateinischen Wort «Porta» ab, welches «Tür» bedeutet. Es deutet auf die Tätigkeit des Portiers hin, die darin besteht, auf Kommende und Gehende zu achten, sie hinein- oder hinauszuleiten, und Auskünfte zu geben. Werner Huber von der SIZU-AG in Zürich, die als einzige Firma der Schweiz eine Ausbildung zum Nachtportier anbietet, sagt dazu: «Früher hatten viele Leute das Gefühl, der Nachtportier sei irgendein ‹Dubbel›, der in der Nacht an der Rezeption sitzt und lediglich die Türe auf und zu macht.» Es sei jedoch schon damals so gewesen, dass der Nachtportier auch noch Getränke auffüllen oder Räumlichkeiten reinigen musste. Seither sind die Anforderungen an diesen Beruf konstant gestiegen. Vorbei die Zeiten, in denen er dem Gast beim Check-In nur den Schlüssel übergeben musste. Heute muss er häufig sowohl den Check-In als auch den Check-Out von A-Z selbst durchführen, die Abrechnungen der Kellner erledigen, den Tagesabschluss machen, für die Sicherheit sorgen und in manchen Hotels zudem den Frühstücksservice vorbereiten. Auch Hotelleriesuisse ist sich bewusst, dass sich das Berufsbild des Nachtportiers verändert hat: «Bei diesem Beruf hat die Digitalisierung ebenfalls ihre Spuren hinterlassen, etwa in Form neuer Sicherheits- und Betriebssysteme», erläutert Ueli Schneider, Geschäftsleitungsmitglied von Hotelleriesuisse. Der Nighty, wie Huber den Nachtportier gerne nennt, müsse hinterfragen und verstehen, warum er etwas tue. Einige lernten das Handwerk denn auch schneller als andere. Die Schüler der SIZU-AG kommen aus allen möglichen Berufszweigen: Bank, Baugewerbe, RAV. Das RAV habe einigen sogar schon den Lehrgang bezahlt, erzählt Huber. «Das hat mich positiv überrascht. Es passiert ja nicht gerade häufig, dass das RAV sich an einer solchen Ausbildung beteiligt.» Für den Nachtportier Paulo Rocha vom Hotel Schweizerhof Zürich ist jedoch klar, dass Erfahrung in der Hotellerie die beste Vorbildung für eine Anstellung als Nachtportier ist. «Klar ist es auch für Quereinsteiger geeignet. Ich glaube aber, jemand, der die Hotellerie schon kennt, hat es deutlich einfacher.» Rocha arbeitet schon seit über zehn Jahren als Nachtportier. Die Anforderungen seien in diesen Jahren stets gestiegen. Es werde immer mehr verlangt, bei praktisch gleichbleibendem Lohn. Doch Geld sei für ihn nicht das Wichtigste. Viel wichtiger sei ihm, dass ihm der Beruf gefalle. Das einzige, was ihn ein bisschen nerve, sei das Bild, das die Leute vom Nachtportier hätten: «Viele glauben, ich sitze einfach nur rum, öffne hie und da die Türe, und warte darauf, vom Tagdienst abgelöst zu werden.» Was die Leute nicht sehen würden, sei die riesige Verantwortung, die er habe: «Tagsüber befinden sich etwa sechzig bis siebzig Menschen im Betrieb. In der Nacht sind wir zu zweit.» Rocha kümmert sich dabei um die Réception und um die Gäste, sein Arbeitskollege ist für die Sauberkeit im Hotel mit 99 Zimmern zuständig.

«Jemand, der die Hotellerie kennt, hat es einfacher»
Zum Glück sei auf seiner Schicht noch nie etwas passiert. Immerhin sei er verantwortlich dafür, dass die Gäste sich willkommen und sicher fühlten. Die Direktion im Schweizerhof ist rund um die Uhr erreichbar, damit bei ­einem Notfall rasch reagiert werden kann. So weit sei es jedoch noch nicht gekommen. Aber gerade so dicht neben dem Bahnhof gebe es schon merkwürdige Gestalten, die bei ihm klingeln würden. «Es gab auch schon solche, die sich so daneben benommen haben, dass ich sie wieder weggeschickt habe.» Einer dieser seltenen Gäste habe ihm das Geld über den Tresen geschmissen. «Er hatte keine Kreditkarte dabei, darum bat ich ihn, kurz am ­Automaten Geld abzuheben, um das Zimmer in bar bezahlen zu können.» Solche Erlebnisse seien jedoch die Ausnahme. «Die meisten Leute sind freundlich und es kommt immer wieder vor, dass sich Gäste bei mir dafür bedanken, dass ich da bin.» Neben dem Gästekontakt gefällt ihm besonders, dass er ­seine Sprachkenntnisse anwenden kann: «Ich spreche Deutsch, Englisch, Portugiesisch, Spanisch, Italienisch und Französisch.» Das sind laut Rocha die sechs Sprachen, die man halt so spreche. Und jede Sprache sei in diesem Beruf ein Vorteil. «Spanier, die bei uns übernachten, rechnen nicht damit, dass ich ihre Sprache spreche. Entsprechend überrascht sind sie, wenn ich ihnen auf Spanisch antworte.» Und die Arbeit sei sehr abwechslungsreich, so Rocha weiter: «Ich mache Check-Ins, beantworte Anrufe und E-Mails, erledige die Tagesabschlüsse und bin Ansprechperson der Gäste bei all ihren Anliegen.» Klar gebe es auch tote Stunden, doch das sei auch in anderen Berufen so. Werner Hubers schönstes Erlebnis aus seiner Zeit als Nachtportier hingegen hat gerade in einer solch «toten» Stunde stattgefunden: «Morgens um drei Uhr stürmte ein Mann in Turnhose und kurzem T-Shirt hinaus auf die Strasse. Wenig später kam sein Bruder und machte genau dasselbe. Sie drehten sich herum, und starrten wie gebannt den Schnee an, der vom Himmel fiel. Es war Dezember und die beiden kamen aus Brasilien. Sie hatten zum ersten Mal in ihrem ­Leben Schnee gesehen.»