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Noma-Chef Redzepi fordert Andreas Caminada heraus

Benny Epstein – 12. September 2019
Die Nahrungsmittelversorgungskette ist für ein Drittel der weltweit verursachten Treibhausgase verantwortlich. Wie weiter? In Graubünden wurde zwei Tage lang heiss diskutiert.

Zwei Tage tauschten sie sich aus. Teilten Informationen, diskutierten und suchten nach Lösungsansätzen. Graubünden Viva, ein Programm zur Stärkung des Standorts Graubünden im Bereich Ernährung und Kulinarik, und Andreas Caminada luden zum Dialog über nachhaltige Ernährungssysteme. Wie müssen wir künftig essen, um endlich den Klimawandel zu bremsen? Welche Produkte erzeugen wie viele Schadstoffe? Wer übernimmt Verantwortung? Über diese und weitere Fragen debattierten Spitzenköche, ein Bio-Bauer, Wissenschaftler, ein Hotelier, eine Sommelière, Werber, Dozentinnen und Foodjournalisten. Zunächst steht das Bündeln der Erkenntnisse an, dann sollen Taten folgen. Mit dabei war auch René Redzepi. Der Chef des Kopenhagener Restaurants Noma gilt als Vordenker der nordischen Küche, die sich der Nachhaltigkeit und Regionalität verschrieben hat. René Redzepi, das Noma steht für Nachhaltigkeit. Fakt ist aber, dass viele wegen Ihnen ins Flugzeug steigen.
René Redzepi: Damit sind wir für viel CO2-Ausstoss mitverantwortlich. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Das wird sich auch nicht ändern. Aber davon abgesehen nehmen wir bei jeder Entscheidung rund um unser Restaurant Rücksicht auf die Treibhausgas-Emissionen. Dafür liessen wir unsere CO2-Bilanz über ein ganzes Jahr analysieren, um anschliessend Dinge zu verändern. Können Sie ein Beispiel geben?
An zwei Tagen pro Woche ist die Mitarbeiterverpflegung komplett vegetarisch, Rind haben wir komplett vom Personalessen gestrichen. Wir verbrennen am Grill kein Holz mehr. Aal servieren wir längst nicht mehr, obwohl er sehr lecker ist und bei uns im Norden Tradition hat. Dass es kein Rindfleisch mehr auf dem Menü gibt, war damals noch keine Entscheidung aufgrund des hohen CO2-Ausstosses der Tiere. Aber heute bin ich froh drum. Unser Konzept im Noma kennt drei Saison: Wild, Seafood und vegetarisch. Die positive Seite des Flugs nach Kopenhagen: Wer bei Ihnen isst, kann sich von Ihrer Idee inspirieren lassen.
Genau, man darf nicht nur in Schwarz und Weiss denken. Auch für diesen Dialog in der Schweiz mussten Leute mit dem Flugzeug anreisen. Was haben Sie während dieser zwei Tage in Fürstenau gelernt?
Das alle eigentlich gleich denken. Es gibt nicht viele Leute, die wie Donald Trump meinen, dass es keinen Klimawandel gibt. Natürlich will niemand sein bequemes Leben verändern, es soll auch nicht mehr kosten, aber es bleibt uns nichts anderes übrig: Wir müssen uns ändern. Die wissenschaftlichen Fakten sind klar: Wir müssen den Fleisch- und Fischkonsum sofort reduzieren und anfangen, andere Produkte anzubauen. Wie soll dies bis zum einfachen Bauern und Koch durchdringen?
Es würde zu lange dauern, dies allen Bauern und Köchen beizubringen. Nötig sind Regierungsbeschlüsse anhand neutraler, wissenschaftlicher Berichte. Gerade in Ländern wie der Schweiz und Dänemark, wo viele Leute genügend Geld haben, gibt es keine Ausrede. Wenn Fleisch konsumiert wird, dann solches von bester Qualität. Und in reduziertem Mass. Sie gingen in Skandinavien voran. Frech, mutig, mit Ecken und Kanten.
Es braucht einen Leader, eine starke, glaubwürdige Stimme. Einen, der es nicht allen Recht machen will. Und was ganz wichtig ist: Man darf den Leuten nicht nur sagen, was sie nicht mehr tun dürfen. Wie meinen Sie das?
Wenn wir wollen, dass sich das Konsumverhalten der Leute ändert, dann muss man zeitgemässe Hilfestellung bieten. Wir haben eine App namens Vild Mad («wildes Essen») herausgebracht. Sie hilft beim Suchen und Sammeln in der Natur sowie beim Verarbeiten und Kochen zu Hause. 46000 Leute haben die App bereits heruntergeladen. Er beinhaltet übrigens auch einen Lehrplan für Schulkinder, den wir zur Verfügung stellen. Was fordern Sie von Andreas Caminada?
Schauen Sie: Wenn jemand was zu sagen hat, mus er es hinausschreien. Laut und überzeugend. Vielleicht schreit dann jemand zurück, das gehört dann halt dazu. Ich hoffe, die Debatte der letzten Tage entfacht bei Andreas ein Feuer, und er sagt sich: «Ich muss etwas unternehmen.» Das tut er in der Umgebung ja bereits. Aber es geht noch mehr, denn die Leute glauben seinen Worten. Jeder Mensch will geliebt werden, man will niemanden beleidigen, man will, dass das Geschäft gut läuft. Aber wenn man etwas verändern will, dann muss man auch mal anecken.