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«Gewisse Gäste glauben, sie hätten das Restaurant gekauft»

Interview: Reto E. Wild – 05. Dezember 2019
Claudio Zuccolini reiste für Graubünden durch den Kanton und engagierte sich diesen Frühling in einem Pop-up-Restaurant in Zürich. Der Bündner Komiker über Humor und Freundlichkeit in der Gastronomie und seinen Rückzugsort Pontresina.

Wie weit lässt sich die Gastronomie mit Ihrem Job als Komiker vergleichen?
Claudio Zuccolini: Seien wir mal ehrlich: Mich braucht es nicht unbedingt und auch die einzelnen Gastronomen nicht, denn es gibt genügend davon. Deshalb müssen diese spezielle Menüs anbieten, welche den Gästen Freude bereiten, damit diese zurückkehren. Und ich muss meinem Publikum ebenfalls ein Programm anbieten, an welchem es Freude hat – und ebenfalls wieder kommt. Somit haben wir eine ähnliche Aufgabe. Mich hat die Erfahrung in der Gastronomie mit meinem Pop-up-Restaurant in Zürich fasziniert. Schon als Jugendlicher wollte ich eine Bar betreiben oder einen Club. Finanziell und fachlich verstehe ich allerdings zu wenig davon. Welche Note stellen Sie den Schweizer Gastro- und Hotelbetrieben aus?
Eine gute. Ich habe aber gelegentlich das Gefühl, dass die Gäste sehr hohe Ansprüche haben, die man fast nicht erfüllen kann. Gewisse Gäste glauben, sie hätten das Restaurant gekauft. Ich denke, wenn die Freundlichkeit stimmt, ist schon viel gewonnen. Da habe ich allerdings schon auch Situationen erlebt, wo der Service nicht so gut war. Dass jeder zufrieden ist, ist hingegen ebenfalls sehr schwierig. Kommt dazu, dass die Kundschaft ein grosses Wissen hat und nicht so leicht zu überzeugen ist. Okay, manche meinen auch nur, sie hätten ein grosses Wissen … Die Freundlichkeit ist für Sie wichtig.
Ja, sehr! Wenn ich realisiere, dass eine Person damit ein Problem hat, stellt es mir ab. Wenn jemand eine Dienstleistung anbietet, darf es nicht sein, dass sich ein Angestellter anmerken lässt, in Schwierigkeiten zu stecken. Sehe ich bei den Angestellten aber bei einem Problem einen guten Willen, dieses zu lösen, ist alles halb so schlimm. Vermissen Sie manchmal den Humor unter den Angestellten?
Es gibt Leute im Service, die fast zu lässig zu den Kunden sind, gerade in Zürich. Das ist eine Gratwanderung, denn man muss abschätzen können, ob der Gast diese Lässigkeit erträgt. Ihm grundsätzlich mit einem Augenzwinkern zu begegnen, ist jedoch sicher wünschenswert. Diesen Frühling betrieben Sie mit der Ustaria da Zucco drei Tage lang ein Bündner Pop-up-Restaurant in Zürich. Wieso?
Zusammen mit Graubünden Ferien wollten wir regionale, im «Unterland» weniger bekannte Spezialitäten den Gästen näherbringen. Das waren Puschlaver Pizzoccheri, Kastanien aus dem Bergell und so weiter. Produzenten und Köche haben diese vor Ort erklärt. Dazu wurden Videos gedreht. Und als Höhepunkt wollten wir das alles in einem Pop-up präsentieren. Mit dem Fischer’s Fritz in Zürich-Wollishofen fanden wir das passende Lokal. Wie war die Erfahrung?
Super lässig. Der Respekt vor der Arbeit in der Gastronomie wächst immens, wenn man in der Branche Erfahrungen sammelt. Ich bewundere Köche und Servicepersonal, die mittags und abends arbeiten müssen und sich nur zur Zimmerstunde zurückziehen können. Wenn Gäste jammern, die Preise seien zu hoch, sollte bedenkt werden, wie viel Arbeit dahintersteckt. Mein Schwiegervater arbeitete im Hotel Walther in Pontresina. Mit ihm habe ich oft über die Warenkosten geredet. Wenn etwas gut ist, ist der Preis gerechtfertigt. Doch wenn ich in einem Café in der Zürcher Innenstadt nachmittags für eine Cola fast 7 Franken bezahlen muss, passt mir das nicht. Es ist ja nicht mein Problem, wenn dort die Miete hoch ist. Auf der Suche nach den besten Rezepten reisten Sie durch alle drei Sprachregionen Graubündens. Wo waren für Sie die schönsten Ecken?
Etwa in Soglio im Bergell, wenn die Kastanien reifen. In Splügen war ich frühmorgens melken, um zu sehen, wie Käse entsteht. In Vals habe ich in einem netten Restaurant eine wunderbare Gerstensuppe gegessen. In der Casa Tomé in Poschiavo lebte bis Anfang der 1990er-Jahre eine alte Frau in einfachsten Verhältnissen, das Haus ist heute ein Museum. Die Küche ist vom Russ brandschwarz. Dort habe ich Pizzoccheri zubereitet wie vor 100 Jahren. Das war sehr eindrücklich. Fasziniert hat mich auch Marcel Heinrich in Filisur, der es geschafft hat, alte Sorten Bergkartoffeln neu anzubauen und diese in der ganzen Schweiz zu vertreiben. So gesehen habe ich den Südosten der Schweiz und seine Vielfalt neu kennengelernt. Wie steht es um die Zusammenarbeit mit Graubünden Ferien?
Seit 13 Jahren mache ich die Spots mit den Steinböcken Gian und Giachen, fürs TV und fürs Radio. Dabei wurden kürzlich die gleichnamigen Kinderbücher vertont. Mit Graubünden bin ich sehr eng verbunden. Ich bin ja im Domleschg oberhalb vom Schloss Schauenstein von Andreas Caminada aufgewachsen. Das Schauenstein ist schon ein unglaublich tolles Restaurant. Meine Frau kommt aus Pontresina. Dort haben wir eine Ferienwohnung. Als Familie verbringen wir jeweils über Weihnachten/Neujahr sowie während der Herbstferien und Sportwochen insgesamt über sechs Wochen im Engadin. Und wenn ich grad zwei, drei Tage am Stück frei habe, gehe ich gerne hoch, um Texte zu schreiben. Was schätzen Sie am Engadin?
Schon die knapp dreistündige Anfahrt aus Zürich ist für mich wie ein wenig Ferien. Wenn ich Zeit habe, fahre ich mittags los über den Julier. Das ist dann für mich wie ein Nachhausekommen. Im Engadin ist ja auch meteorologisch fast immer schön. In diesen Herbstferien war es gigantisch. Wir erlebten noch immer gegen 20 °C und die Bäume in leuchtenden Rot, Gelb- und Goldtönen. Aber auch den Winter mit dem Schnee mag ich sehr. Irgendwie erlebe ich das Engadin mit einem anderen Rhythmus, so richtig zum Erholen. Ich treffe Leute, die ich kenne, denn auch viele aus Zürich verbringen ihre Winterferien in dieser Ecke der Schweiz. Und der Vorteil einer Ferienwohnung ist, dass man auch in der Wohnung bleiben kann, wenn man niemanden sehen möchte. Ansonsten jogge ich gerne zum Morteratschgletscher oder ins Val Roseg oder bin mit dem Velo unterwegs. Damit verbunden sind so viele Erinnerungen aus meinen Jugendjahren. Ich war im Engadin im Internat. Was steht für Sie in den nächsten Monaten an?
Am 5. Dezember habe ich mit meinem neuen Programm «Darum!» die Uraufführung in Arosa am Humorfestival, am 22. Januar dann die Premiere in Zürich. Mein letztes Stück hiess ja «Warum». Es ist ein Stand-up-Comedy-Programm, bei dem ich mich über mich und viele Alltagsthemen lustig mache. Finden Sie diese in der Gastronomie und Hotellerie?
Ferien sind im Allgemeinen eine gute Fundgrube dafür. Heute muss man beispielsweise alles bewerten, nur ändern tut danach oft gar nichts. Über so was kann ich mich lustig machen und das hinterfragen. Antworten habe ich meist keine. Ich stelle lieber die Fragen. Schön ist, wenn nach der Aufführung Gäste aus dem Publikum zu mir kommen und sagen: «Seit du das thematisiert hast, fällt mir das auch auf.» Wenn ich so in Erinnerung bleibe, ist das schön. ______________________________________________ ★ Zuccolinis Lieblingsorte
«Wir haben ein inniges Verhältnis zum Hotel Walther in Pontresina, das sich praktisch vor der Haustüre unserer Ferienwohnung befindet. Und weil wir Käse lieben, sind wir oft dort in der Gondolezza. Ich liebe auch die Trattoria mit ihrer Pasta und der Trüffel-Mortadella. Ansonsten übernachten wir als Familie nicht allzu oft in Hotels, denn im Sommer mieten wir regelmässig ein Haus auf Mallorca. Das ist mit Kindern praktisch. Generell bin ich ein Fan von historischen mondänen Hotels, wie etwa dem Carlton in St. Moritz, wo ich eine unglaubliche Freundlichkeit erlebt habe. Und im Sommer war ich bei einem Comedy-Dinner im Eden Roc Ascona. Da trat ich auf der Terrasse aus. Wow, das war ein schöner Arbeitsplatz.» ______________________________________________ Ein Bündner in Zürich Der Komiker und Moderator Claudio Zuccolini (49) ist mit seinem 6. Programm «Darum!» auf Tournee. Die Uraufführung findet am 5. Dezember am Arosa-Humorfestival (Details unter zuccolini.ch) statt. Der Bündner Zuccolini arbeitet seit Jahren mit Graubünden Ferien zusammen, lebt am Stadtrand von Zürich, ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern.
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