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Weder Koch noch Kellner

Cristina Bürgi – 07. September 2017
Grosse Gastronomieketten sind in der Schweiz allgegenwärtig. Das setzt eine zunehmende Anzahl Systemgastronomiefachleute voraus. Wie steht es um die Lehre, die 2013 eingeführt wurde?

Geregelte Arbeitszeiten und weniger Druck: Das sind die Hauptgründe, weshalb Köche heute von einem Kleinbetrieb in die Gemeinschaftsgastronomie wechseln. Hinzu kommt, dass grosse Gastro-Unternehmen wie Migros, SV Group und ZFV laufend expandieren und daher immer wieder auf der Suche nach Mitarbeitenden sind. Doch die Berührungspunkte des klassischen Kochmetiers und der Systemgastronomie sind spärlich: Wer von einem Restaurant beispielsweise in eine Kantine wechselt, ist plötzlich mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert. Seit 2013 existiert in der Schweiz die Lehre für Systemgastronomiefachleute EFZ (Syga). Jährlich werden rund 60 Lehrverträge abgeschlossen (siehe Grafik), was im Vergleich zur klassischen Kochlehre (1626 im Jahr 2016, gemäss Bundesamt für Statistik) noch sehr bescheiden ist. «Der Zulauf liegt unter den beim Start gestellten Prognosen, die von rund hundert neuen Lernenden pro Jahr ausgingen», erklärt Max Züst, Direktor von Hotel & Gastro formation: «Dennoch handelt es sich um eine beachtliche Zahl Lernende im Vergleich zu neuen Berufen anderer Branchen.» Während man als Koch in der Lehre die verschiedenen Küchenposten kennenlernt und die Zubereitung von Speisen sowie Hygiene-Richtlinien verinnerlicht, dreht sich der Unterricht bei den Systemgastronomiefachleuten mehr um die Prozesse in einem Gastrobetrieb. Sie erhalten Einblicke in Küche und Verkauf und dienen quasi als «Allrounder»: Ähnlich wie Köche kaufen und lagern sie Lebensmittel und lernen, wie diese zubereitet und auf attraktive Weise präsentiert werden. Sie pflegen aber auch einen regen Kontakt zur Kundschaft, indem sie beispielsweise die Gäste beraten oder das Angebot verkaufen. Nicht zuletzt stehen sie häufig hinter der Selbstbedienungstheke, wo sie entweder die Speisen zubereiten, das Angebot anrichten oder die Menüportionen schöpfen. Kaufmännische Tätigkeiten runden das Berufsprofil schliesslich ab: So erstellen Systemgastronomiefachleute einfache Kalkulationen und sind teilweise auch im Marketing und Controlling tätig. Ist die Syga-Lehre für die klassische Kochlehre eine Konkurrenz? Richard Decurtins, Leiter Nachwuchsmarketing und Grundbildung bei GastroSuisse, verneint: Die Tätigkeiten der zwei Berufe seien zu verschieden, um sie einander gegenüberzustellen. «Systemgastronomiefachleute setzen viel mehr auf Gästebetreuung und die Arbeit an der Front als Köche», erklärt er. Gründe dafür, dass dennoch viele Köche in die Gemeinschaftsgastronomie wechseln, sieht Decurtins bei den Entwicklungsmöglichkeiten. So klingen nicht nur die regelmässigeren Arbeitszeiten in der Systemgastronomie verlockend, sondern auch die Karrieremöglichkeiten: Da es sich bei den Arbeitgebern häufig um grosse Unternehmen mit mehreren Standorten handelt, können einige Angestellte intern die Stelle wechseln oder mehr Verantwortung übernehmen. Damit die klassische Gastronomie attraktiv bleibt, müssten sich gemäss Hugo Weibel, dem ehemaligen Küchenchef im Gstaad Palace, in erster Linie die Arbeitszeiten ändern: «Die Zimmerstunden sind ein grosses Handicap. Wir sollten das Arbeitszeitmodell überdenken und eventuell mit zwei Schichten pro Tag arbeiten», hielt er im Gespräch mit GastroJournal fest (GJ18). Das sieht auch Max Züst von Hotel & Gastro formation so: «Hier besteht Potenzial in unserer Branche. Manchmal muss man den Mut aufbringen, auch gestern noch ‹Unvorstellbares› umzusetzen. Dabei denke ich speziell an neue Arbeitszeitmodelle und daran, dass die Verantwortlichen ihre Lernenden, genauso wie ihre weiteren Mitarbeitenden, in den Mittelpunkt ihres erfolgreichen Wirkens stellen.» Doch nicht nur die Arbeitszeiten unterscheiden die traditionelle Gastronomie von der Syga, sondern auch die Genussmomente: «In der Systemgastronomie verzichten viele Betriebe auf ein breites Angebot im Food- wie auch im Beverage-Bereich», nennt Richard Decurtins ein Beispiel: «In einem Restaurant können die Angestellten hingegen mehr mit ihrem Fachwissen punkten und beispielsweise die richtige Weinbegleitung zum Essen empfehlen.» Auch die Standorte seien meist abwechslungsreicher als in der Systemgastronomie: Letztere sind in erster Linie auf hohe Frequenzen angewiesen und daher meist an Verkehrsknotenpunkten gelegen. Was man der Systemgastronomie lassen muss, ist ihre Anpassungsfähigkeit an die finanziellen Herausforderungen von heute: So werden die Arbeitsschritte in Kantinen und Restaurant-Ketten stetig überprüft und die Kosten genau kontrolliert. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sie einen hohen Wiedererkennungswert geniesst: Gäste wissen beispielsweise ganz genau, was sie in einer Filiale der Migros-Restaurants erwartet. Dennoch hält sich die Konkurrenz für klassische Restaurants in Grenzen: Diese befriedigen andere Gästebedürfnisse, beispielsweise den Wunsch nach einem gemütlichen Verweilen oder einem Festessen. Die Abgrenzung wird allerdings immer wichtiger, denn die Systemgastronomie wird in Zukunft «weiterhin neue Konzepte auf den Markt bringen und die Qualität verbessern», wie Richard Decurtins einschätzt. aaaaa Im vergangenen Jahr sind 62 Syga-Lehrverträge abgeschlossen worden.