Hotellerie

Von beiden Welten etwas Gutes

Christine Bachmann – 14. September 2017
Die Uhren in der deutschen Hotellerie ticken anders als diejenigen in der Schweiz, das weiss er wie kein anderer: Felix Schlatter.

Hamburg. Bezirk St. Georg. Hotel Wedina. Gespräch an der Réception. «Schon gewusst: Felix Schlatter, der Eigentümer des Hotels, ist auch Schweizer», erzählt Gastgeberin Silvia Reiter-Lobsiger, Schlatters rechte Hand. «Und in St. Moritz ist er im Hotel Laudinella aktiv.» Felix Schlatter, wer ist das? Eine Frage, die neugierig macht. Aufgewachsen in Uetikon am See, absolvierte Schlatter in den 60er-Jahren nach einer KV-Lehre die Hotelfachschule Lausanne. Arbeitete im Anschluss in Amerika, leistete Militärdienst und kam 1971 nach St. Moritz. «Ins Hotel Schweizerhof als Chef de Réception für ursprünglich eine Wintersaison. So war es jedenfalls gedacht», erinnert er sich. Aus der Saison wurden letztlich Jahre – «von 1976 bis 1991 haben ich das Haus als Direktor geführt». Danach verliess er das Hotel mit dem Plan, etwas Eigenes aufzubauen. Weil Schlatter in der Schweiz nicht fündig wurde, «es war alles zu teuer, selbst mit Banken im Rücken, die damals noch grosszügig finanziert haben», machte er sich im Ausland auf die Suche. Italien, Frankreich und am Ende Deutschland: «Dort wurden nach der Wende in den neuen Bundesländern etliche Hotels veräussert und es gab günstige Finanzierungsmöglichkeiten.» Während er seine Familie in Hamburg unterbrachte, besichtigte er Betriebe in Berlin, Dresden und Schwerin. Nichts passte. So habe er begonnen, sich in Hamburg umzusehen. Eines Tages hörte er, dass in St. Georg ein Hotel zu kaufen sei. Als Felix Schlatter sich dort vorstellig machte, hiess es jedoch: Nein, wir verkaufen nicht. Abwarten, dachte er, und kaufte im Mai 1991 erstmal das ebenfalls feilgebotene Hotel Alt Hamburg mit 14 Zimmern vis-à-vis des ins Auge gefassten Hotel Wedina. «Es verging nicht viel Zeit und der Besitzer des Wedina verkaufte mir im Juli doch noch sein Hotel mit 23 Zimmern. Und im November konnten wir das Wedina eröffnen – neu aus zwei Häusern bestehend.» Intensive Zeiten folgten: «Wir hatten vom ersten Tag an beide Häuser voll, die wir während laufendem Betrieb auch noch renovierten.» Sie hätten viel gearbeitet, seien aber wegen der Umbauarbeiten auf keinen grünen Zweig gekommen. So passierte es, dass die Bank 1992 Schlatter drohte, den Geldhahn zuzudrehen. «Ein Desaster, denn ich hätte alles verloren.» Eine Lösung musste her. «Die bestand darin, dass ich einen zweiten Job annahm, damit die Bank ein gesichertes Einkommen hatte.» Der Zufall brachte es, dass das Hotel Laudinella in St. Moritz jemanden suchte, «und so bin ich dort Direktor geworden». Und dann, pendeln? «Ja, das ging ganz gut, weil ich in Hamburg mit Josef Planzer damals einen wunderbaren Mitarbeiter hatte. «Er hat das Wedina weitergeführt, während ich ab Mai 1994 das Laudinella übernahm. Meist war ich drei Wochen in St. Moritz und eine in Hamburg: eine perfekte Symbiose.» Rückblickend konstatiert Schlatter: «Ohne Laudinella gäbe es das Wedina nicht. Das war eine super Kombination, auch kulturell.» Denn Kultur ist nicht nur im Laudinella wichtig, in dem vor allem die Musik einen gewichtigen Platz einnimmt, sondern auch im Wedina, das seit 1994 eine Partnerschaft mit dem Hamburger Literaturhaus pflegt. «Ich gebe den Autoren gratis ein Zimmer und sie hinterlassen mir ein signiertes Buch.» Doch nicht nur eine Bibliothek hätte ihm die Partnerschaft gebracht, auch Freundschaften mit Autoren sowie viele Gäste, die aufgrund des kulturellen Engagements zu ihnen gestossen seien. «Inzwischen haben wir eine sehr gute Auslastung in fünf Häusern, die jetzt zum Wedina gehören.» Fünf? «In den Jahren sind noch drei dazugekommen, weil wir einfach zu wenig Zimmer hatten. Heute sind es über 60.» Einmal Besitzer, einmal Mitarbeiter. Schlatter betont, dass er beides immer geschätzt habe, auch wenn die Entscheidungswege im Laudinella natürlich länger waren als im Wedina. Betrachtet er die beiden Betriebe, so gebe es natürlich auch länderbedingte Unterschiede. «Ich habe festgestellt, dass die Schweizer doch mehr Eigenverantwortung übernehmen als die Deutschen. Der Staat entscheidet schon viel, und die soziale Hängematte ist eng geknüpft.» Interessant sei zudem, dass der Renditedruck in Deutschland viel grösser sei als in der Schweiz. «Und das, obwohl wir ja viel mehr rechnen müssen, weil wir kürzere Spiesse bei den Waren-, Energie- und Personalkosten haben.» Fakt sei, wenn man in Deutschland 30 Prozent Personalkosten habe, dann sei das viel, in der Schweiz indes sei man mit 40 Prozent super unterwegs. Und was haben die beiden Länder gemeinsam? «Ich glaube, die Hotellerie kann heute überall nur noch in der Nische oder als Brand funktionieren. Die Nische mit Kultur und Literatur müssen wir deshalb sowohl im Laudinella als auch im Wedina erhalten – auch in der Zukunft.» Das ist Schlatter, der sich zurzeit mit der Nachfolgeregelung beschäftigt, wichtig. Während diese im Laudinella diesen Sommer mit Sohn Christoph als neuem CEO bereits geglückt ist, sitzt Schlatter in Hamburg noch daran, sein Einzelunternehmen in eine GmbH umzuwandeln. «Und dann möchte ich etwas zurückschalten. Obwohl ehrlich gesagt, ganz aufhören, das kann ich vermutlich nicht.»