Raphael Herzog: «Wir führen für das Serviceteam die Viertagewoche ein»

Reto E. Wild – 26. August 2021
Der Vitznauerhof am Vierwaldstättersee gehört zu den schönsten Viersternehotels der Schweiz, dessen Direktor Raphael Herzog zu den innovativsten Hoteliers. Erstmals verlängert der 37-Jährige die Saison seines Betriebs bis zum 2. Januar 2022. Im Interview mit dem GastroJournal begründet er den Schritt und verrät weitere Neuerungen.

Raphael Herzog, der Bundesrat schlägt den Kantonen eine Zertifikatspflicht beim Zugang zu Restaurants und Bars vor. Was halten Sie davon?
Raphael Herzog:
Kommt es tatsächlich zu diesem Zertifikat, werden wir diese Vorgaben selbstverständlich unter dem Motto Hospitalhygiene in Hospitality umsetzen. Doch dieser Schritt führt zu Unsicherheiten im Team. Wir befürchten, dass es im Eventbereich zu Absagen kommt. Das wäre für uns schmerzlich.»

Bereits Ende August ist es grau in grau am Vierwaldstättersee. Und Sie lassen den Vitznauerhof bis am 2. Januar 2022 geöffnet. Wieso?
Seit wir das Waldhotel Davos nicht mehr haben, entschieden wir uns zu diesem Schritt (die Vitznauerhof AG löste den Pachtvertrag mit dem Waldhotel vergangenes Jahr auf, Anmerkung der Redaktion). Das Potenzial für die Saisonverlängerung ist sehr hoch, denn September, Oktober und November sind beliebte Seminarmonate, vor allem im November finden zusätzlich Weihnachtsessen statt. Am 31. Dezember steigt im Vitznauerhof eine Silvesterparty, dann öffnen wir Anfang März wieder.

So können Sie auch Ihre Mitarbeitenden halten.
Ganz genau. Die Mitarbeiter nehmen von Januar bis Anfang März unbezahlte Ferien oder kompensieren. Und wir bieten dank Kooperationen mit Berghotels in dieser Zeit auch eine Saisonstelle an. Doch die meisten Jungen ziehen Ferien vor. Am Vierwaldstättersee haben wir im Juli und August Hochsaison. Aber es gibt mehr Kunden, welche die mystische Stimmung wolkenverhangener Berge mögen. Diese Kundschaft gönnt sich auch im Herbst eine Auszeit und besucht dabei unser Sternerestaurant Sens.

Und diese Saison bieten Sie zusätzlich Glamping an. Wie funktioniert das?
Ja, wir haben bis zum 31. Oktober zwei Zelte im Tipistil mit einem Doppelbett und einem rudimentären WC aufgestellt. Wer möchte, kann sich die Gerichte unseres Sternekochs Jeroen Achtien als Zimmerservice bestellen. Das ist unter den Kunden «very instagramable», und zwar auch unter solchen, die sich nicht gross in den sozialen Medien bewegen. Mit dieser Neuerung erhöhen wir unser Lifestyle-Feeling.

Wichtig in diesen Überlegungen dürfte der Bereich Kulinarik sein.
Klar. Wir bieten mit dem Inspiration (13 GaultMillau-Punkte, Anmerkung der Redaktion) ein Restaurant im Hotel an. Die gleiche Karte gibt es auf unserer Panoramaterrasse direkt am See. Im Gebäude des Restaurants Sens steht zusätzlich das PopUp-Restaurant Yaku von Claudia Canessa zur Auswahl. Sie bietet mittags und am Montag- und Dienstagabend, wenn das Restaurant Sens geschlossen ist, moderne peruanische Küche an. Und mit dem Sens von Jeroen Achtien (zwei Michelinsterne, 17 GaultMillau-Punkte) steht die Top-Sterneküche zur Auswahl.

Immer mehr Betriebe in Ihrer Liga locken mit Exklusivitäten.
Wir haben fast die gesamte Rosé-Produktion des Zürichseewinzers Erich Meier aufgekauft, das sind gegen 600 Flaschen. Und mit Vuurzee bieten wir ein holländisches Bier an, das mit Pinot-Noir-Trauben veredelt wurde.

Sie sind seit 2018 Direktor im Vitznauerhof und haben mit Offensiven wie Kitchen Partys für die Angestellten, einem Sushi-Restaurant oder zelebrierten Sonnenuntergängen ein neues Lifestyle-Feeling am Vierwaldstättersee kreiert. Wie hat sich das auf die Zimmerauslastung ausgewirkt?
Die Auslastung konnten wir im Coronajahr 2020 gegenüber dem Vorjahr erhöhen – bei etwas weniger Gästen. Diese sind aber länger geblieben. Dieses Jahr müssen wir nun wegen dem Wetter einen minimalen Rückgang im Vergleich zu 2020 hinnehmen. Dank einer cleveren Ratenstruktur mit Bergblick-Doppelzimmern ab 250 Franken erhöhten wir den Umsatz jedoch nochmals.

Sie sprechen den Yield an.
Ja. Wir schauen regelmässig, wie die Auslastung ist und passen wie die Fluggesellschaften laufend die Preise an. Das testeten wir nun schon seit Längerem. Jetzt wissen wir langsam, wie wir vorgehen müssen. Dieses Jahr hat uns zusätzlich geholfen, dass der Frühling, als alle Restaurants geschlossen wurden, sehr stark war. Die Gäste hatten einen grossen Nachholbedarf und wollten in unseren Hotelrestaurants mal wieder auswärts essen. Dafür haben wir viele Hochzeiten verloren. Wenn eine ganze Gesellschaft annulliert, schmerzt das schon sehr. Wir sind frei im Konzept, müssen aber Geld verdienen, denn der Vitznauerhof gehört der Schwyzer Pensionskasse Tellco und nicht einem Mäzen.

2019 betrug der Anteil der Schweizer Gäste 60 Prozent. Dieser dürfte nun angestiegen sein.
Ja, er macht nun rund 70 Prozent aus. Inzwischen kommen amerikanische Gäste auf ihren Touren durch Europa zurück. Und wir freuen uns über viele Gäste aus Deutschland, den Benelux-Ländern und Grossbritannien. Sie kamen alle sehr rasch an den Vierwaldstättersee, als die Grenzen öffneten.

Wie haben Sie die ungewisse Zukunft personell gelöst?
Wir haben das Glück, dass wir im Winter die Leute so eingestellt haben, als ob es keine Pandemie gäbe. Davon profitieren wir nun. Die Zahl der Festangestellten erhöhte sich von rund 60 auf 70, mit Aushilfen im Bankettbereich sind wir gegen 100 Personen. Wir stellen allerdings schon fest, dass die Kandidatenauswahl bei offenen Stellen sehr klein oder teilweise inexistent ist.

Wie gehen Sie damit um?
Im Hauptrestaurant Inspiration haben wir für das Serviceteam die Viertagewoche eingeführt. Das funktioniert gut und ist für die Angestellten attraktiv. Nun haben wir den Abteilungsleitern den Auftrag gegeben, so ein Modell auch in ihren Einheiten einzuführen, beispielsweise im Housekeeping. Unser Personal erhält zusätzlich mehr Vorteile. So sind wir als Arbeitgeber für unsere Partys bekannt. Wir stellen einen eigenen Sporttrainer, einen Yogalehrer, die Mitarbeitenden können Standup-Paddling ausprobieren und so weiter. Wir sind mit den Mitarbeitenden sehr eng verbunden. Diese Empathie braucht es für das Team und für unsere Gäste.

Ein ausführliches Interview über die Pläne des jungen, wilden Sternekochs Jeroen Achtien publiziert das GastroJournal in der Ausgabe vom 16. September 2021.