Hotellerie
Tourismus

«Hoteloffices sind eine Chance»

Corinne Nusskern – 07. Mai 2020
Martin Pally (62) ist Lösungserfinder. Er eruiert Massnahmen für die Branche, die sofort messbare Ver­bes­se­run­gen zeigen. Wie die Plattform für Homeoffices im Hotel – ein Gratis-Tool, auch nach Corona.

Martin Pally, was bietet die Plattform homeoffice-im-hotel.ch genau an?
Martin Pally: Die Plattform visualisiert Hotels auf einer Schweizer Karte, die Homeoffice in Hotelzimmern anbieten. Auf der Webseite finden sich die Annehmlichkeiten der Anbieter und der direkte Link zum Hotel. Die Buchung wird über das Hotel abgewickelt. Ist die Plattform als Übergangslösung in Coronazeiten gedacht, um die Aus­- lastung zu verbessern?
Die meisten Hoteliers sehen es aktuell als vorübergehende Hilfe, da man an allem herumstudiert, was die fi­nan­ziellen Einbussen lindern könn­te. Vergleichbar mit den Take-aways der Restaurants. Ich beobachte Trends, aus denen sich etwas realisieren lässt, schon sehr lange. Darum behaupte ich, dass Hoteloffices eine bleibende Chance sein können. Weshalb?
Weil Nische in allen Branchen eine Chan­ce hat. Eine immer wieder gehörte Forderung ist, die Pendlerrate zu senken. Das ist von grossem Interesse für Firmen. Es gab da bereits Projekte, aber bisher nichts wirklich Konkretes. Ein weiterer Trend heisst «Business any­time, any­where» und stimmt vor allem für die Generationen Y und Z. Warum soll ich ein Hoteloffice buchen und nicht einen Coworking-Platz?
Coworking-Plätze sind meist auf Städte beschränkt. Zudem gibt es lange Wartezeiten. Meine Plattform ist eine sehr gute Mög­lichkeit, das Homeoffice-Angebot auch auf das Land zu kriegen. Was sind die Vorteile des Homeoffice im Hotel gegenüber dem zu Hause?
Das Homeoffice zu Hause hat immer Mängel betreffend Sicherheit, IT, Ge­sund­heit. Und die Trennung von Privat und Geschäft ist suboptimal. Der Mensch muss durch eine Tür hinaus und an einem anderen Ort wieder zur Tür hinein kommen, damit er diese Trennung erfährt. Die wenigsten haben diese Möglichkeit zu Hause. Ein Arbeitsplatz ist kein Büro. Aber im Hotel ist es ein Büro. Wie ist der Deal im Hotel: Darf ich mich aufs Bett legen? Darf ich duschen?Ja. Es müssen ja Annehmlichkeiten sein, die das Ganze attraktiv machen. Aber es ist schon ein klarer Nine-to-Five-Deal. Ist ein Hoteloffice für kurzfristige oder auch für langfristige Mieter gedacht?
Das Ziel von Hotels ist stets dasselbe: Leben im Hotel zu haben, egal ob Gäste oder Mitarbeiter von Firmen. Zurzeit ist es meist auf das Tagesoffice beschränkt, da kaum Reisetätigkeiten stattfinden. Und später, nach Corona?
Da kann es alle möglichen Kombinationen geben, je nach Anforderungen. Viele Firmen und Start-ups brauchen Büros für eine befristete Zeit oder suchen aufgrund von Umstrukturierungen nach Übergangslösungen. Gleichzeitig gibt es zu wenige Coworking-Plätze. Da können Hotels in die Bresche springen. Lohnt es sich preislich?
Mit Mietbüros und Coworking-Plätzen kann das Hoteloffice mithalten. Der Preis ist klar tiefer als der einer Übernachtung. Im Idealfall kann das Hotel das Zimmer gar zwei Mal vermieten! Es ist Ihr klares Ziel, die Plattform nach der Krise weiterzuführen.
Ja, ich wäre enttäuscht, wenn die Hotels sich zurückziehen würden. Man soll die­ Chance nutzen! Aus der Sicht des Hoteliers ist es ein Probieren – auch für abgelegene Hotels. Ich stelle nur ein Tool bereit, die Arbeit muss im Hotel gemacht werden. Auch jemand aus dem Bereich Wirtschaft, Politik oder einem Verband muss Interesse zeigen und es bekanntmachen. Wie finanziert sich die Plattform?
Für die Hotels und Anwender ist sie gratis, mein Aufwand beträgt ein paar Franken pro Monat. Ich mache es aus Spass und einem Unterstützungsdenken heraus. homeoffice-im-hotel.ch _____________________________________________ TIPPS zu Hoteloffice
• Man soll Interesse an dieser Nische und Freude an all dem haben, was ein Hotel mit Herzblut und Unternehmertum ausmacht. Dies hilft selbstverständlich auch beim Hoteloffice.
• Man braucht Mitarbeiter, die dahinterstehen und mitziehen.
• Die Infrastruktur muss stimmen: schnelles und sicheres WLAN, ge­eigneter Arbeitstisch (mind. 1,20 Meter lang) und ein bequemer Stuhl.
• Der Preis muss marktgerecht sein.
• Extra-Begeisterungsmerkmale anbieten. Hier kann man aus dem Vol­len schöpfen wie beim normalen Up­selling: etwa einen Lautsprecher für das Handy, einen richtigen Bürostuhl oder einen grossen Bildschirm. _____________________________________________ Martin Pally
Der Bündner Online-Marketingmanager und Betriebswirtschaftsingenieur stellte kürzlich die Plattform homeoffice-im-hotel.ch auf die Beine. Mittlerweile sind schweizweit 50 Hotels gelistet.«Die Krise bringt den grossen Vorteil, dass man sich wieder gern um Gäste kümmert – und sich neu erfindet.»